Es ist eines der unrühmlicheren Kapitel in der Geschichte des Finanzplatzes Österreich: Etwa ab dem Jahrtausendwechsel bis zum Ausbruch der Finanzkrise 2008 boten Banken ihren Großkunden Geschäfte an, die sich letztlich als reine Spekulation entpuppen sollten. In erster Linie betroffen: die öffentliche Hand und Unternehmen.
Viele Kunden erlitten aus Swaps und anderen sogenannten Derivaten Millionenverluste. Und die Banken sitzen bis heute auf gravierenden, nicht geklärten Problemfällen. Nun beschäftigt eine besonders interessante Causa das Handelsgericht Wien. Diese wirft auch allgemein die Frage auf, wie integer die heimische Finanzbranche mit Fehlentwicklungen der Vergangenheit umgeht.
Anfang Juni 2018 hat eine Firma namens WM PS Immobilienverwaltungs GmbH (WM) beim Handelsgericht Wien eine Klage eingebracht. Es geht um die Summe von rund 5,9 Millionen Euro plus Zinsen. Hinter WM steht eine Stiftung des prominenten Kärntner Immobilieninvestors Walter Mosser. Der Unternehmer hat in den vergangenen Jahrzehnten ein stattliches Firmenimperium aufgebaut. Unter anderem entwickelte er zahlreiche Einkaufszentren in Österreich, Slowenien, Kroatien und Ungarn. Im Vorjahr brachte er ein erstes Projekt in Italien auf den Weg.
In die Medien kam Mosser – damals noch unter seinem früheren Namen Moser – auch, weil eine seiner Firmen einst in Vorzugsaktien der Hypo Alpe Adria investiert hatte. Ein handverlesener Kreis durfte damit bei der späteren Pleitebank viel Geld verdienen. Im Rahmen des Hypo-Skandals kam eine höchst fragwürdige Vorgehensweise der Bank in Bezug auf die Vorzugsaktien ans Tageslicht.
Geld verloren hat der Kärntner Unternehmer Mosser bzw. die Firma WM hingegen bei sogenannten Swap-Geschäften in den Jahren 2003 bis 2005 mit der Bank Austria. In der Klage wird aber nicht etwa eine negative Marktentwicklung dafür verantwortlich gemacht, sondern die Bank. Konkret wird der Vorwurf erhoben, die Bank Austria habe – ohne das offenzulegen – rund 5,9 Millionen Euro an Gebühren eingerechnet, die ihr vertraglich nicht zugestanden wären.
Verdeckte Gebühren in Millionenhöhe? Ist das überhaupt denkbar? Im folgenden Video sehen Sie, wie Swaps funktionieren – und welche Risiken sie bergen.
Bei der Klage der Firma WM gegen die Bank Austria geht es um den im Video beschriebenen Vorwurf, die Bank habe Swaps so gestaltet, dass diese aus Sicht des Kunden beträchtlich im Minus starteten. Dies habe der Kunde nicht gewusst. In der Klage heißt es:
Im gegenständlichen Fall ist auszuschließen, dass die beklagte Partei (die Bank Austria, Anm.) nicht erkannte, dass der klagenden Partei (der Firma WM, Anm.) entscheidende Informationen über den negativen Marktwert der Finanzprodukte eben nicht vorliegen. Die beklagte Partei hat daher den Willensmangel (sic!) der klagenden Partei erkannt und diesen zu ihrem Vorteil genützt.
Dieser angebliche Mangel an Aufklärung wird in Österreich, aber auch in Deutschland von zahlreichen Kunden verschiedener Banken ins Treffen geführt. Was die nun vorliegende Klage der Firma WM besonders spannend macht, ist jedoch, dass hier eine andere Hauptstoßrichtung gewählt wurde.
Banken haben die Möglichkeit, den eingerechneten negativen Marktwert durch weiterführende Geschäfte mit anderen Finanzinstituten zu Geld zu machen. Es handelt sich aus Sicht der Kreditinstitute um eine Art „Marge“, also um einen Gewinnaufschlag. Daraus folgend wird in der Klage der Firma WM gegen die Bank Austria das anfängliche Minus des Kunden mit einer „Gebühr“ zugunsten der Bank gleichgesetzt.
Nun ist allgemein bekannt, dass Banken für ihre Leistungen Gebühren verrechnen. Daran wäre also per se nichts Verwerfliches. Laut Klage sei mit der Bank Austria für die Swaps allerdings eine Gebühr von 0,2 Prozent pro Jahr vereinbart gewesen. Der Bank wären demnach 516.027,40 Euro zugestanden, tatsächlich eingerechnet habe sie jedoch 6.382.433 Euro. In der Klage wird diesbezüglich auf Gutachten verwiesen. Die Differenz von rund 5,9 Millionen Euro will Mossers Firma nun zurück. Der zentrale Satz:
Die beklagte Partei hat ohne Rechtsgrund, ohne Kenntnis der Klägerin und ohne dies in den Abrechnungen der Geschäfte auszuweisen, statt 0,516 Mio. Euro insgesamt 6,382 Mio. Euro Gebühren an die klagende Partei verrechnet und hat die Klägerin dieser Verrechnung mangels Kenntnis nicht sofort widersprochen.
Dieser Ansatz, den eingepreisten „negativen Marktwert“ mit einer allfälligerweise vereinbarten – deutlich niedrigeren – Provision für die Bank in Relation zu setzen, ist laut Mossers Rechtsberatern neu. Gerald Zmuegg vom Beratungsunternehmen „Finanzombudsmann“, der in zahlreichen Swap-Verfahren als Experte tätig ist und Mosser in der Angelegenheit berät, sagt: „Die Rückforderung der vertragswidrigen und intransparenten Gebühren stellt für Unternehmen und Gebietskörperschaften eine Rückforderungsmöglichkeit dar, die weit über den entstandenen Verlust hinausreicht und sich auf den wahren Kern der Fehlberatung konzentriert. Die Klage ist jedenfalls ein Signal bzw. Weckruf für alle Unternehmen und Gebietskörperschaften, die im Jahr 2002 bis 2008 derartige Geschäfte abgeschlossen haben.“
Sollte tatsächlich eine taugliche neue Argumentationslinie gefunden worden sein, um – bei Swap-Geschäften übervorteilten – Bankkunden zu ihrem Recht zu verhelfen? Falls ja, könnte dies auch Betroffenen aus dem Bereich der öffentlichen Hand nutzen. Es gibt genügend Gemeinden, die mit ihren Banken um Geld aus schiefgegangenen Swaps streiten.
Mossers Firma WM PS stellt in ihrer Klage jedenfalls Folgendes zu ihren Swap-Deals mit der Bank Austria fest:
Die klagende Partei ging davon aus, dass die mit diesen Geschäften verbundenen Verluste aufgrund von Marktentwicklungen (Zinsentwicklung, Wechselkursentwicklung) entstanden sind. Wie sich herausstellte, war diese Annahme zwar aufgrund der Expertise der klagenden Partei und der damals ihr vorliegenden Informationen verständlich, aber unrichtig.
Infolge der Befassung von Finanzexperten ab dem Jahr 2016 hat sich herausgestellt, dass in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle der Verlust gar nicht den Marktentwicklungen zuzuschreiben war, sondern einer massiv zum Nachteil der klagenden Partei gestalteten Gebührenverrechnung.
Addendum hat bei der Bank Austria nachgefragt. Ein Sprecher teilt mit: „Wir geben grundsätzlich keinen Kommentar zu laufenden rechtlichen Verfahren, einzelnen Kunden oder Geschäften ab.“
Fest steht, dass sich manche österreichische Banken mit der Vergangenheitsbewältigung in Sachen Swaps schwertun. Kein Wunder: Es geht um Millionen und um den guten Ruf. Manche Kreditinstitute versuchen, die peinliche Angelegenheit still und leise mit Vergleichen unter den Teppich zu kehren. Laut Klage bot auch die Bank Austria Mosser zunächst eine Million Euro – worauf dieser allerdings nicht eingestiegen ist.
Die Bank soll aber auch Druck auf eine frühere Anwaltskanzlei des Kärntner Unternehmers ausgeübt haben. Addendum liegt ein Schreiben Mossers an Bank-Austria-Generaldirektor Robert Zadrazil vor. Darin behauptet Mosser, ein Bankmitarbeiter habe seinen damaligen Anwalt wissen lassen, dass es hinderlich für eine Auftragsbewerbung im Umfeld der Bank sei, wenn die Kanzlei eine Firma Mossers vertreten würde. Angesichts des Interessenskonflikts sah sich der Unternehmer gezwungen, einen anderen Anwalt zu suchen.