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Ost-Mafia, Millionen-Streit und die FPÖ
Ost-Mafia, Millionen-Streit und die FPÖ
14. Juni 2019 News Lesezeit 4 min
In Wien wurde ein bekannter Unternehmer festgenommen, weil er einen Mordauftrag erteilt haben soll. Hintergrund ist ein Streit mit einem bulgarischen Geschäftsmann. Beide haben bemerkenswerte Kontakte in die Politik.

Update:

Am 4. Juli 2019 wurde Andrei K. aus der Untersuchungshaft entlassen. Das Oberlandesgericht (OLG) Graz gab einer Haftbeschwerde des Geschäftsmanns statt. Eine OLG-Sprecherin erklärte auf Anfrage von Addendum: „Mit heutigem Beschlussdatum wurde die sofortige Enthaftung angeordnet.“ Im Beschluss, der Addendum vorliegt, schreibt das OLG, es könne aufgrund der Verfahrensergebnisse „derzeit keinen dringenden Tatverdacht“ annehmen.

Anfang Juni greifen Kriminalisten in Österreich und in Deutschland zu. Ohne großes Aufsehen gelingt den Staatsanwaltschaften Graz und Nürnberg ein Schlag gegen die Ost-Mafia. Mehrere Beschuldigte sind auf der Festnahmeanordnung genannt, die Addendum vorliegt. Zwei davon sind Russen, drei Aserbaidschaner, einer ist Georgier. Sie wohnen teilweise in Österreich und sollen einer kriminellen Bande angehören, der schwere Straftaten zur Last gelegt werden.

Ebenfalls verhaftet wird von den Behörden ein Mann mit russischen Wurzeln, der seit vielen Jahren in Österreich residiert und vielfältige Unternehmungen unterhält. Andrei K., 61, soll mit einem Mitglied der mutmaßlichen kriminellen Organisation in Kontakt gestanden haben. Der schwerwiegende Vorwurf lautet: K. soll einen Mordauftrag erteilt haben, um einen geschäftlichen Konkurrenten aus dem Weg zu räumen. K. bestreitet das vehement.

Schwer belastet wird der Unternehmer von Boris P. (Name der Redaktion bekannt), einem bulgarischen Geschäftsmann, der ebenfalls in Österreich aktiv ist und jener „Konkurrent“ sein soll, der angeblich beseitigt werden sollte.

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Eine Droh-SMS und mehrere Ungereimtheiten

Noch gibt es in der Sache einige Ungereimtheiten. So wandte sich der Geschäftsmann P. bereits im Juli 2018 wegen einer Droh-SMS von einer anonymen Wertkarte aus den Niederlanden an das Bundeskriminalamt. Inhalt der Nachricht: P. solle nicht länger gegen K. vorgehen – „Sonst werden deine Kinder ohne Vater leben.“ Anfang September 2018 wusste P. außerdem über ein Treffen in einem Wiener Nobelhotel Bescheid, das im Sommer 2018 stattfand, und bei dem ein nun verhaftetes Bandenmitglied angegeben haben soll, er sei von K. angeheuert worden, um P. zu beseitigen. Dennoch traf sich P. auch später noch mit K.: Das verhaftete Bandenmitglied vermittelte im März 2019 ein Treffen zwischen P. und K. in einem Wiener Lokal.

Im Hintergrund tobt offensichtlich ein Streit um eine zweistellige Millionensumme. Eigentlich hätte P. dem Unternehmer K. ab Dezember 2017 bei der Bereinigung eines Finanzierungsproblems helfen sollen. Dann überwarfen sich die beiden. K. fühlt sich von P. massiv übervorteilt. Beide Seiten wandten sich im In- und Ausland an die Ermittlungsbehörden.

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Die Nähe zur NSA

Interessant erscheint die Angelegenheit vor allem wegen offenkundiger Kontakte der handelnden Personen zur österreichischen Politik. Der Bulgare Boris P. hat eine Nahebeziehung zur FPÖ sowie zur Sicherheitsfirma NSA. Das ist jenes Unternehmen, das zuletzt in Zusammenhang mit einem vor Gericht verhandelten mutmaßlichen Erpressungsversuch gegen die Meinl Bank Schlagzeilen machte.

P. nutzt eine E-Mail-Adresse der NSA. Addendum-Informationen zufolge war eine Firma, die P. nahesteht, außerdem in Räumlichkeiten der NSA in Wien eingemietet.

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Mit der FPÖ-Abgeordneten Kappel in Washington: Boris P. (ganz links).

Die Nähe zur Politik

Addendum liegen Fotos vor, die P. gemeinsam mit der FPÖ-Europaabgeordneten Barbara Kappel zeigen. Diese Aufnahmen stammen aus dem Dezember 2018 und sind in Washington bei einer Veranstaltung namens „Parliamentary Intelligence-Security Forum“ entstanden. Auf einem Bild sind auch der FPÖ-Abgeordnete Roman Haider sowie Andreas K. zu sehen. K. war bis November 2017 FPÖ-Nationalratsabgeordneter. Im offiziellen Bericht der Veranstaltung in Washington ist er allerdings auch noch mehr als ein Jahr später als „Member of Parliament, Austria“ bezeichnet und auf einem Foto als Teil der österreichischen Delegation zu sehen.  Nicht auf der Teilnehmerliste findet sich hingegen der Name von Barbara Kappel. Stattdessen steht dort bei den EU-Vertretern ein gewisser „Boris P.“, angeblich Mitglied des Europäischen Parlaments.

Kappel bestätigt, dass das Foto beim Security Forum im US-Kongress aufgenommen wurde. Sie sei damals mit einer EU-USA-Delegation im Rahmen einer offiziellen Europaparlament-Mission in Washington gewesen. Zum Security Forum, welches gleichzeitig stattfand, sei sie von dessen Veranstalter eingeladen worden. Dieser sei auch für „allfällige Unzulänglichkeiten bei der Teilnehmer-Registrierung“ zuständig.

Kappel erklärt, nicht in Begleitung von Boris P. in Washington gewesen zu sein. „Wenn Herr P. auf besagten Fotos abgebildet ist, so hat das rein zufälligen Charakter, möglicherweise kannte er ja den ehemaligen bulgarischen Innenminister, der ebenfalls abgebildet ist.“

Der ehemalige bulgarische Innenminister findet sich allerdings nur auf einem der Fotos. Addendum liegt außerdem auch ein Foto aus Washington vor, das nur Boris P.und Kappel zeigt. Dieses wirkt nicht so, als wäre P. rein zufällig aufs Bild gerutscht. Kappel ging – damit konfrontiert – nicht konkret auf das Bild ein, sondern stellte allgemein in den Raum, dass EU-Abgeordnete viele „Fotoanfragen“ bekommen würden.

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Privatbankier und Mineralwasserproduzent

Doch auch der aus Russland stammende Unternehmer K. pflegt intensive Kontakte zu Kreisen, die der Parteipolitik nahestehen. Bereits 2012 tauchte sein Name in den Medien auf, weil er mit seiner Beteiligungsgesellschaft die Alizee-Bank übernehmen wollte und für eine Kapitalerhöhung eine Finanzspritze von einer Million Euro leistete. Dem ehemaligen SPÖ-Innenminister Franz Löschnak wurde dabei eine Strohmann-Rolle zugeschrieben, er sollte K. laut Profil gemeinsam mit Ex-OMV-Generaldirektor Richard Schenz beim Erwerb der Bank „die Mauer machen“. Die Finanzmarktaufsicht untersagte den Plan und entzog die Lizenz.

Erfolgreicher war K. damals im Südburgenland. Dort kaufte seine Beteiligungsgesellschaft mit Güssinger den ältesten Mineralwasserproduzenten Österreichs. 

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