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Dieser Artikel ist erstmals in der Addendum-Zeitung Ausgabe 8 erschienen.
Stimmverlust
29. September 2019 News Lesezeit 5 min
Nicht jede abgegebene Stimme ist am Ende auch durch einen Abgeordneten im Parlament vertreten. Viele Kleinparteien scheiterten am Einzug, aber auch mancher Wähler einer etablierten Partei hätte unter Umständen zu Hause bleiben können.
Bild: Philipp Horak | Addendum

Wer einer Partei bei einer Nationalratswahl seine Stimme gibt, will in der Regel auch von ihr im Parlament vertreten werden. Entsprechend frustrierend ist es, wenn die Partei den Einzug nicht schafft. Seit 1945 gingen insgesamt 2.676.280 Stimmen an Parteien, die kein Mandat erhielten. Das Parteienspektrum bleibt über die Jahrzehnte trotzdem relativ kompakt. Unter den 112 gescheiterten Antritten bei Nationalratswahlen waren nur 17, bei denen die betreffende Liste auf mehr als ein Prozent der Stimmen kam und davon wiederum nur sechs mit mehr als 3 Prozent.

Wenige Große unter den Kleinen

Die besten unter den schlechten Ergebnissen erzielten Parteien, die zuvor im Nationalrat vertreten gewesen waren und danach unter die 4-Prozent-Hürde fielen: Die Grünen verpassten 2017 mit 3,8 Prozent den Wiedereinzug, die Liberalen 1999 mit 3,7 Prozent, und das BZÖ 2013 mit 3,5 Prozent. Im Fall der Grünen blieben so immerhin 192.638 Wähler im Nationalrat unvertreten. Aufgrund der demografischen Entwicklung werden immer mehr Stimmen für den Einzug in den Nationalrat benötigt: 1945 hatten der KPÖ noch weniger als 175.000 Stimmen für 5,4 Prozent gereicht. Bei den letzten drei Nationalratswahlen entfielen im Vergleich viele Stimmen auf Kleinstparteien. Das lag neben dem verpassten Wiedereinzug von BZÖ und Grünen auch an der Zahl der kandidierenden Listen: 2008 traten insgesamt neun Listen und Wahlbündnisse an, die den Einzug verfehlten, 2013 waren es acht, 2017 sogar 15.

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In den Nationalrat können nicht nur Parteien einziehen, die bundesweit über 4 Prozent der Stimmen erhalten, sondern auch solche, die ein Grundmandat in einem der Wahlkreise erobern. Parteien, die regional stark vertreten sind, könnten theoretisch davon profitieren. Vor der Nationalratswahl 2013 wurde beispielsweise spekuliert, ob das BZÖ etwa in Kärnten ein Grundmandat schaffen könnte. Bisher ist das allerdings noch keiner Liste gelungen, die nicht ohnehin auch die 4-Prozent-Hürde übersprungen hatte.

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Demokratisch fortschrittlich – aber nicht im Nationalrat

Die erfolgreichste Partei, die nie in den Nationalrat gewählt wurde, war die Demokratische Fortschrittliche Partei des ehemaligen Innenministers und SPÖ-Dissidenten Franz Olah mit 3,3 Prozent. Olah war allerdings seit 1964 als wilder Abgeordneter im Nationalrat gesessen und kostete mit seiner Wahlliste vor allem seine ehemalige Partei Stimmen, während die ÖVP die Absolute erobern konnte. Daneben kam nur noch die KPÖ bei Nationalratswahlen über 3 Prozent: einmal 1959, als sie den Wiedereinzug in den Nationalrat mit 3,3 Prozent verpasste, und einmal 1962, als sie es ein letztes Mal auf 3 Prozent schaffte. Unter den zehn stimmenstärksten Wahlparteien, die den Einzug in den Nationalrat nicht schafften, finden sich ansonsten noch die grüne Splitterpartei VGÖ und die Liste von Hans-Peter Martin. Allein die erwähnten Top Ten der Nichteingezogenen wurden von insgesamt 1,4 Millionen Wählern unterstützt und erhielten damit mehr als die Hälfte der Stimmen, die in der Geschichte der Zweiten Republik auf mandatslose Parteien entfielen.

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Die verschenkten Stimmen der Parlamentsparteien

Was oft übersehen wird: Nicht nur Stimmen an Kleinparteien können „verschenkt“ sein. Auch wer eine etablierte Partei wählt, tut das mitunter umsonst. Nach jeder Wahl bleiben Stimmen über, die nicht für ein weiteres Mandat gereicht haben, die man aber auch für die erhaltenen Mandate nicht gebraucht hätte. Wie viele solcher überzähligen Stimmen es gibt, hängt davon ab, wie viele Stimmen eine Partei für ein Mandat braucht.
Im sogenannten dritten Ermittlungsverfahren nach der Nationalrats-Wahlordnung waren das nach der Nationalratswahl 2017 mindestens 25.734,3 Stimmen. Nach Verteilung aller Mandate blieben aufgrund der Wahlarithmetik allen Parlamentsparteien außer der ÖVP Stimmen übrig. Am nächsten an einem weiteren Mandat war die SPÖ dran. Insgesamt hätten 56.397 Österreicher zu Hause bleiben können. Ihre Stimmen wurden für die Verteilung der 183 Mandate im Nationalrat nicht mehr benötigt.

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Absurde und wenige Stimmen

Wahlen sind nicht frei von Ironie und Absurditäten. So zählt die „Liste Stark“ zu den Wahlparteien mit den schwächsten Stimmenergebnissen in der Zweiten Republik, sie konnte 2008 nur 237 Wähler für sich gewinnen. Auch „Die Beste Partei“ konnte 1994 nur wenige überzeugen. Der Einzug in den Nationalrat blieb 2006 auch der Wahlpartei des ehemaligen Kärntner Faschingsprinzen Franz Radinger „Sicher-Absolut-Unabhängig“ (SAU) verwehrt. Die „Vierte Partei“ wiederum wurde 1949 mit 0,2 Prozent nur Sechste, und die „Parlamentarische Vertretung der Wahlverhinderten, Nichtwähler und ungültigen Stimmen in Österreich“ schaffte es 1953 gar nur auf sieben Stimmen – wohl auch, weil die Wahlverhinderten und Nichtwähler wie zu erwarten der Wahl fernblieben.

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Keine Stimme für die Monarchisten

Schlechter schnitten nur drei weitere Parteien ab, darunter die Demokratische Partei Österreichs. Sie trat bei der Nationalratswahl 1945 nur in einem Kärntner Wahlkreis, und auch das nur gegen ihren Willen, an. Für einen Antrittsverzicht war es bereits zu spät gewesen; sie erhielt entsprechend nur fünf Stimmen. Ein Jahr später wurde sie wegen der ehemaligen NSDAP-Mitgliedschaft ihres einzigen Kärntner Landtagsabgeordneten kurzzeitig verboten. Ebenso erfolglos blieb die Wirtschaftspartei der Haus- und Grundbesitzer, die 1949 auf drei Stimmen kam. Nicht zu untertreffen ist allerdings das Ergebnis der monarchistisch orientierten Österreichischen Patriotischen Union. Diese erhielt 1949, als bisher einzige Wahlpartei bei einer Nationalratswahl, keine einzige gültige Stimme. 

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