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Der Datenkrimi um die Meinl-Handys
6. November 2018 News Lesezeit 6 min
Am Wiener Straflandesgericht startet ein Prozess, in dem es um alte Mobiltelefone der Meinl-Bank geht. Laut Anklage sollen die Verdächtigen versucht haben, die Bank zu einem Rückkauf von 77 ausgemusterten Handys zu verleiten – für 1,5 Millionen Euro. Viel zu teuer? Gerade für die Justiz könnten die Telefone aber alles andere als wertlos sein.
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Mittwoch, 9.30 Uhr, müssen sich am Landesgericht für Strafsachen in Wien vier Herren wegen des Verdachts des schweren Betrugs verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, sie hätten versucht, der Meinl Bank einen Millionenbetrag herauszulocken: mit 77 alten, von der Bank ausgemusterten Mobiltelefonen.

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Die beiden Hauptangeklagten arbeiteten einst als Polizisten. Heute führen sie die Geschäfte einer Sicherheitsfirma mit beträchtlicher Größe und klingendem Namen: NSA. Steht für: National Security Austria. Der Vorwurf lautet, die beiden Manager hätten Vertretern der diskreten Privatbank signalisiert, ein Kunde habe sie beauftragt, die alten Handys auszuwerten.

Die Bank hatte diese – statt sie zu entsorgen – um weniger als 200 Euro an einen Handyshop-Betreiber verkauft. Dem Geldinstitut wurde allerdings die Möglichkeit eingeräumt, sie um 1,5 Millionen Euro zurückkaufen. Der Meinl-Vorstand erstattete kurz vor Weihnachten 2017 Anzeige wegen des Verdachts der versuchten Erpressung, die Staatsanwaltschaft erhob letztendlich Betrugsanklage. Addendum berichtete ausführlich über den Fall , in dem Alfons Mensdorff-Pouilly eine Vermittlerrolle spielt. Er wird im Prozess als Zeuge geführt.

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Wertvolles Wissen

Bei den Mobiltelefonen handelt es sich um alte Handys der Marken Nokia und Blackberry. Einige wurden bereits 2006 in Betrieb genommen. Die Bank wollte die Geräte Mitte 2017 verkaufen und bot sie für 170 Euro an. Durch rätselhafte Zufälle landeten die teilweise noch mit SIM- und Speicherkarten bestückten Telefone – über die beiden Mitangeklagten – bei den NSA-Chefs. Noch rätselhafter ist freilich, wie jemand überhaupt auf die Idee kommen konnte, für den vermeintlichen Elektroschrott dann von der Bank einen Millionenbetrag zu fordern.

Vielleicht lässt es den Schluss zu, dass Interna aus der Meinl Bank, die womöglich auf den Handys noch gespeichert waren, höchst wertvoll gewesen sein könnten. Einerseits war die Bank jahrelang in Anlegerprozesse rund um die 2007 abgestürzte Immobilienfirma „Meinl European Land” (MEL) verstrickt. Wissen über die interne Kommunikation könnte für allfällige Kläger also ein großer Vorteil sein. Andererseits beschäftigt sich seit vielen Jahren auch die Justiz mit dem noblen Geldhaus aus der Wiener Innenstadt.

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Mehrere Ermittlungsverfahren

So wurde zwar im Februar 2018 eine Causa gegen Julius Meinl V. und mehrere ehemalige Bankvorstände in Zusammenhang mit einer Dividendenzahlung im Jahr 2009 eingestellt, obwohl die Staatsanwaltschaft Wien eigentlich Anklage erheben wollte. Die Oberbehörden kamen jedoch zu einer anderen Auffassung. Allerdings laufen nach wie vor Betrugsermittlungen in Zusammenhang mit dem Anlegerskandal rund um Meinl European Land (MEL).

Zudem ist bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) noch ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Geldwäsche anhängig. Dabei geht es bekanntermaßen um Geschäfte der Meinl Bank in der Ukraine bzw. um mögliche Geschäfte der früheren Meinl-Bank-Tochter in Antigua in Zusammenhang mit dem Skandal um einen südamerikanischen Baukonzern, der im Zentrum einer großen Korruptionsaffäre steht.

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WKStA ermittelt gegen 30 Personen

Auf Anfrage von Addendum bestätigte eine Sprecherin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, dass beide Ermittlungsstränge weiterhin aufrecht sind. Die Ermittlungen würden „gegen rund 30 natürliche Personen und einen Verband“ geführt. Namen will die Staatsanwaltschaft mit Verweis auf den Schutz von Persönlichkeitsrechten nicht bestätigen.

Vorliegenden Informationen zufolge befindet sich allerdings auch Julius Meinl V. unter den Verdächtigen. Was ihm konkret vorgeworfen wird, ist nicht bekannt. Addendum fragte bei seinem Anwalt nach, erhielt in Bezug auf diesen Punkt allerdings keine Stellungnahme. Alle Betroffenen in den erwähnten Verfahren haben sämtliche Vorwürfe immer bestritten – für sie gilt die Unschuldsvermutung.

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Handy-Akt angefragt

Addendum wollte von den involvierten Staatsanwaltschaften nun wissen, ob die – nach Auffliegen des mutmaßlichen Betruges durch die NSA-Chefs und deren Mitangeklagten – 77 Althandys der Meinl Bank als Beweismittel ausgewertet wurden. Die Sprecherin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft antwortete, dass „aufgrund des laufenden Ermittlungsverfahrens zu einzelnen Ermittlungsschritten keine Auskunft erteilt werden“ könne. Vorliegenden Informationen zufolge ersuchte die Korruptionsstaatsanwaltschaft allerdings Mitte 2018 um Übersendung des entsprechenden Akts der Staatsanwaltschaft Wien.

Auch bei der Staatsanwaltschaft Wien fragte Addendum nach, ob eine Handy-Auswertung, die neue Erkenntnisse bringen könnte, durchgeführt worden sei. Eine Antwort war vorerst noch ausständig. Die dort anhängige Causa Sonderdividende wurde knapp nach Start des Handy-Verfahrens eingestellt. Doch auch bei den Ermittlungen zur Causa Meinl European Land könnten zusätzliche Erkenntnisse zur internen Kommunikation in der Meinl Bank von Interesse sein.

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Der 956-seitige Abschlussbericht

Im September 2018 wurde ein 956 Seiten starker Abschlussbericht der sogenannten Soko Meinl fertiggestellt. Zahlreiche ausgetauschte E-Mails, die die Ermittler des Landeskriminalamts Niederösterreich ausgewertet haben, sollen unter anderem Einflussnahmen von Meinl-Bank-Verantwortlichen bzw. -Mitarbeitern auf die Geschäfte rund um die MEL belegen. Am Montag, 11. Juli 2005, schrieb eine Bankmitarbeiterin dem Bericht zufolge:

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Bei dieser Nachricht ging es laut Abschlussbericht um eine Anleiheemission im Jahr 2005. Die Ermittler merken dazu an: „Die weiteren Entscheidungen obliegen augenscheinlich MMag. Weinzierl und Lic.oec. Meinl, die auf ihre Mitarbeiter Druck aufbauen.“ Ex-Meinl-Bank-Vorstand Peter Weinzierl könnte der im Mail zitierte „pw“ sein, der eine Nachricht auf sein Blackberry erhalten sollte.

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Mutmaßlicher Schaden: 1,7 Milliarden Euro

Auf den alten Mobilgeräten der Bank, die dank der Ermittlungen rund um die NSA-Chefs sichergestellt werden konnten, könnte also eine Menge Datenmaterial sein – und zwar konkret aus der Zeit vor, aber auch nach Auffliegen der Meinl-European-Land-Affäre. In dieser Causa geht es um den Verdacht, dass Anleger im Zeitraum von 2005 bis 2007 getäuscht und zum Kauf bzw. zum Halten von Meinl-European-Land-Wertpapieren verleitet worden wären. Laut Abschlussbericht macht der Schaden rund 1,7 Milliarden Euro aus:

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„Ich bin’s, der Julius“

Die Meinl Bank reagierte mit einer Aussendung auf den Abschlussbericht: Dieser wiederhole „unsubstantiierte Vorwürfe“ und enthalte „keinerlei Substanz“. Es gebe „keinerlei neue Erkenntnisse“, das Verfahren sei schnellstens zu beenden.

Die zahlreichen Beschuldigten bestreiten sämtliche Vorwürfe. Umso überraschter dürften die Ermittler gewesen sein, als sie folgenden – im Abschlussbericht abgebildeten – Schriftverkehr zwischen zwei hochrangigen früheren Managern der Vertriebstochter Meinl Success gefunden haben:

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Die Auswertung elektronischer Kommunikation ist demnach immer wieder für eine Überraschung gut.

„Sachverhalt nicht korrekt“

Addendum fragte bei Julius Meinls Anwalt Herbert Eichenseder in Bezug auf den 956-seitigen Abschlussbericht und die darin enthaltenen Vorwürfe gegen seinen Mandanten nach. Eichenseder teilte mit:

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„Die Beantwortung Ihrer Anfrage ist insofern nicht einfach, da Sie sich auf einen Abschlussbericht beziehen, der verfasst wurde, ohne auf wirtschaftliche Belange Rücksicht zu nehmen, der auf jeder Seite unzählige Fehler in Bezug auf Zahlenangaben, Daten, Zitate und angebliche Beweismittel aufweist und in dem versucht wird, über die Jahre hinweg Unmengen von vollkommen normalen wirtschaftlichen und rechtlichen Vorgängen und Handlungen zu einer einzigen – wie es der Autor selbst nennt – schlimmen ,Geschichte‘ zu verwursten. Einzelne der auf fast 1000 Seiten wiedergegebenen Fakten sind korrekt (und damit aber keinesfalls inkriminierend), die meisten davon auch nicht, die Verbindung all dieser Umstände in den insgesamt dargestellten Sachverhalt ist es jedenfalls nicht.“

Julius Meinl beichtet nicht

In Bezug auf den zitierten Schriftverkehr der Meinl-Success-Manager schreibt Eichenseder, dass sich diese „einen zum damaligen Zeitpunkt gerade aktuellen Witz“ kommuniziert hätten:

„Die Frage ist weniger, wie Herr Meinl diese Darstellung kommentiert, sondern viel mehr, was eine solche Email Kommunikation in einem Abschlussbericht überhaupt verloren hat. Ein Autor, der solche Quellen als Beweismittel heranziehen muss, da sich daraus angeblich ,das aus obigen Zahlen ergebende Gesamtbild zu bestätigen scheint‘, beweist damit einzig, dass die Suppe nicht nur dünn ist, sondern dass es gar keine Suppe zu essen gibt.“

Eichenseder meint, der Abschlussbericht habe „mit der Wahrheit ziemlich wenig zu tun“ und wirft die Frage auf, wie „es überhaupt sein kann, dass in Österreich mit Millionen von Steuergeldern ein derartiges Werk verfasst und zur öffentlichen Vorverurteilung meines Mandanten herangezogen wird.“

Der Anwalt kommt am Ende seiner Stellungnahme noch einmal auf den zitierten Witz zurück und schreibt:

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„Als Commissioner for Combatting Anti-Semitism des World Jewish Congress geht Herr Meinl nicht in die Kirche zur Beichte. Die ,Geschichte‘ richtet sich auch in diesem Punkte selbst.“ 

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