hat der Steuerzahler bisher für die Amethystwelt ausgegeben.
Wir werden oft gefragt, wie kann das sein, dass sich, grad‘ in Niederösterreich, eine schwarze Gemeinde nicht mit einer Raiffeisenbank und einer Sparkassa einigen kann, und dass deswegen ein Leitbetrieb in der Region zahlungsunfähig wird. Und ich kann nur sagen: Probiert haben wir es eh.“
Andreas Ehemoser ist hauptberuflich Steuerberater – nebenbei aber ist er Finanzstadtrat in einer Gemeinde von nicht ganz 2.000 Einwohnern, wenigen Arbeitsplätzen und einem bescheidenen Haushalt von rund sechs Millionen Euro. Die letzten Wochen hat er damit verbracht, Bürgern, Banken und der Landespolitik eine einzige Frage zu beantworten: Warum, bitte, hat die Gemeinde ihren wichtigsten Betrieb in die Insolvenz schlittern lassen?
„Als Gemeinde“, seufzt Ehemoser, „bist du da immer der Depperte, egal was du machst. Aber ich habe immer gesagt: Nein, wir werden und dürfen in einen insolventen Betrieb kein Geld mehr hineinschießen.“ Und genau deswegen ist in Maissau dieser Tage die Hölle los.
Maissau, einen kleinen Ort an der Grenze zwischen Wald- und Weinviertel, kennt man über die Region hinaus vor allem wegen zwei großer Projekte, beide angesiedelt im Niemandsland zwischen Privat- und Staatswirtschaft: einer 80 Millionen Euro teuren Umfahrungsstraße des Landes, bei der eine „Public Private Partnership“ doch nicht die gewünschte Ersparnis gebracht hat. Und eben wegen der „Amethystwelt“, eines Erlebnisparks, der jetzt, 1,5 Millionen Besuchern in den vergangenen zwölf Jahren zum Trotz, unfähig ist, aus eigener Kraft Rechnungen, Zinsen und Gehälter zu begleichen.
Nein, in dieser Geschichte geht es nicht um die ganz großen Summen. Eineinhalb Millionen Euro hat der Steuerzahler seit 2002 in die Amethystwelt investiert, die Schulden des Betriebs belaufen sich auf knapp über 2,1 Millionen, den Großteil davon machen Kredite bei örtlichen Banken aus. Aber es gibt viel darüber zu lernen, wie in einer kleinen Gemeinde Entscheidungen fallen, wie Regionen gefördert, Arbeitsplätze erhalten werden – wann Grenzen gezogen werden, und wann eben (noch) nicht. Die Geschichte der Maissauer Amethyst Gesellschaft, der MAG, ist die eines mittelgroßen Betriebs, wie es sie jedes Jahr zu Hunderten gibt – nur eben, dass es um einen Betrieb der öffentlichen Hand geht.
Wer an einem Wochenende im Jänner die Amethystwelt besucht, eine Ansammlung von mehreren rund um die namensgebende Edelsteinader zusammengewürfelten Ausstellungshallen und Shops in einem Wald am oberen Ende von Maissau, merkt nichts von der Pleite: Es sind zwar wenig Besucher da – aber das ist nichts Ungewöhnliches bei einer Attraktion, die mit ihrem Spielplatz, dem Park und einem „Schatzgräberfeld“, wo Kinder selbst nach Amethysten schürfen dürfen, vor allem im Sommer Saison hat. Grundsätzlich geht der Betrieb aber ungebrochen weiter, eine Führerin erzählt von der hunderte Meter langen Edelsteinader, deren Ausläufer bis ins acht Kilometer entfernte Eggenburg reichen sollen, im Shop werden Steine vielerlei Art verkauft, Scheinwerfer tauchen die Anlage in mystisches Zwielicht.
Die Maissauer Amethystwelt mit ihrer namensgebenden Edelsteinader ist trotz Insolvenz für Besucher geöffnet – im Winter allerdings nur am Wochenende.
Allerdings hängt über allem ein Damoklesschwert: 90 Tage Zeit hat die Amethystwelt, ihren Untergang abzuwenden – so lange dauert das Insolvenzverfahren, das sie am 3. Jänner beantragt hat. Nur noch bis Ende März hat sie also Zeit, sich mit ihren Gläubigern zu einigen – vor allem mit der Eggenburger Raiffeisenbank, bei der sie allein mit 1,1 Millionen Euro in der Kreide steht. Und selbst diese Frist gibt es nur, weil der Steuerzahler eingegriffen hat: 160.000 Euro hat die Gemeinde Maissau investiert, um die Liquidität bis März zu sichern.
Es ist nichts Ungewöhnliches, dass ein Unternehmen pleitegeht, Förderungen hin oder her – aber dass ein Betrieb, der mehrheitlich der öffentlichen Hand gehört, Insolvenz anmelden muss, kommt doch eher selten vor. Sei es, weil staatliche Akteure darum fürchten, dass das große Vertrauen in sie zusammenbricht – Stichwort Hypo –, sei es, weil Gläubiger und Mitarbeiter genügend politischen Druck aufbauen können, damit doch wieder Steuergeld fließt, um offene Rechnungen abzudecken.
61 Prozent an der „Maissauer Amethyst GmbH“, dem Unternehmen hinter der Amethystwelt, hält nämlich die Gemeinde Maissau. Etwas mehr als ein Viertel gehört einem privaten Investor, die übrigen zwölf Prozent der Gesellschaftsanteile hält die örtliche Sparkasse. Dazu kommen nicht weniger als 74 stille Gesellschafter: geheime Investoren, von Kleinanlegern, die vor der Eröffnung kleine Beträge (damals 5.000 Schilling) investiert haben, bis zu größeren, die zum Ausbau mittlere fünfstellige Beträge eingebracht haben. Von einfachen Bürgern von Maissau, die dereinst „Bausteine“ finanziert haben, über Politiker – von einer ehemaligen VP-Landtagsabgeordneten bis zu Bekannten des Geschäftsführers eine breite Palette – gut möglich, dass sie alle im Rahmen der Insolvenz Geld verlieren werden.
hat der Steuerzahler bisher für die Amethystwelt ausgegeben.
Aber von Anfang an: Die Errichtung der Attraktion Anfang der Nullerjahre sowie den Ausbau in mehreren Stufen hat das Land Niederösterreich über seine Wirtschaftsagentur Ecoplus mit 826.000 Euro an Regionalförderung unterstützt, das war etwa ein Fünftel der Gesamtinvestitionen. Dazu kamen 375.000 Euro an EU-Förderung, heißt es aus dem Büro von Wirtschaftslandesrätin Petra Bohuslav (ÖVP). Aus dem Kulturbudget flossen seit 2012 noch einmal 80.000 Euro für die Einrichtung des Edelsteinhauses und die Errichtung eines Goldschmiedearbeitsplatzes und einer Schmuckwerkstätte.
Die Gemeinde Maissau habe ursprünglich ihren Anteil am GmbH-Stammkapital von 37.000 Euro geleistet, erklärt Ehemoser – zu Beginn der Bauphase hat sie auch eine Haftung für einen Kredit übernommen, die mit der Insolvenz in Höhe von 127.000 Euro fällig geworden sei. Nun komme der Liquiditätszuschuss von 160.000 Euro dazu, den die Gemeinde als Hauptgesellschafter leistet, um die Zahlungsfähigkeit während des Verfahrens sicherzustellen.
Die restlichen Investitionen kamen aus Krediten und von privater Seite – beispielsweise wurde der Bau des Edelsteinhauses zum Teil durch die genannten stillen Gesellschafter vorfinanziert. Ihre (kurzfristig kündbaren) Einlagen machen heute noch rund 450.000 Euro aus.
„Die ersten Jahre war es eine Erfolgsstory“, blickt ein Vertreter der Gemeinde mit ein wenig Wehmut zurück: Besucherzahlen und Umsätze entwickelten sich gut, der Landeshauptmann höchstpersönlich hieß Jubiläumsbesucher willkommen, gut zwei Dutzend Arbeitsplätze schienen auf Dauer sicher. „Reich geworden ist sicher niemand damit“, sagt Finanzstadtrat Ehemoser – aber die Umsätze hätten den laufenden Betrieb gut erhalten. Mehr habe die Gemeinde auch nie gewollt: Maissau profitierte nicht nur von den in der Region ohnehin nicht übermäßig vorhandenen Arbeitsplätzen, sondern auch von Abgaben und einer – mäßigen – Pacht für das Grundstück, auf dem die Erlebniswelt errichtet war. „Ohne dass wir selbst je direkt gefördert hätten“, betont Ehemoser.
Wann die Erfolgsgeschichte Amethystwelt tatsächlich zu kippen begann, darüber gehen die Meinungen auseinander. Ein Wendepunkt war jedenfalls die Errichtung des Edelsteinhauses 2012. Der auch von den Gesellschaftern abgesegnete Gedanke dahinter war, die Amethystwelt nicht nur als einmaliges Ausflugsziel zu etablieren – sondern mit einer Museumshalle mit wechselnden Ausstellungen auch für wiederkehrende Besucher attraktiv zu werden.
Ein Gedanke, der so nicht aufging – die Besucherzahlen der Sonderausstellungen blieben hinter den Erwartungen zurück, die Kredite für den Bau der Anlage und ihren Betrieb blieben abzuzahlen.
Die Erklärungen darüber, was seit 2012 passiert ist – und Ende 2017 in der Zahlungsunfähigkeit mündete – variieren stark, je nachdem, mit wem man spricht. Oppositionsparteien im Land, etwa Ex-Stronach-Mandatar Walter Naderer, kritisierten in diesem Zeitraum „Freunderlwirtschaft“, weil Angehörige von Maissauer Gemeindepolitikern in der Amethystwelt beschäftigt waren und daher ein Naheverhältnis von Kommunenvertretern zum langjährigen Geschäftsführer des Betriebs, Josef Piller, bestehe (was beiden Seiten in einem schriftlichen Austausch mit Naderer in Abrede stellten).
In den Sommermonaten ist die Amethystwelt ein beliebtes Familien-Ausflugsziel. Im Winter: nicht so sehr.
Außerdem sei der Warenbestand der Amethystwelt zu optimistisch bewertet gewesen, und mehrere Gesellschafter hätten auffällig eilig die Firma verlassen; zum Beispiel die Raiffeisen Holding Niederösterreich-Wien, die nicht nur ihren 16,5-Prozent-Anteil an der Gesellschaft um einen Euro der Gemeinde übertragen, sondern auch noch auf eine hohe fünfstellige Einlage verzichtet hat.
Letztere bestätigt Finanzstadtrat Ehemoser – das sei aber im Rahmen eines größeren „Asset Stripping“ der Raiffeisen passiert und hätte nichts mit der wirtschaftlichen Situation zu tun gehabt.
Aber auch den Gemeindevertretern seien immer wieder Unregelmäßigkeiten aufgefallen, etwa dass die Budgets der Gesellschaft immer wieder „zu optimistisch“ erstellt wurden. Bereits 2015 konnten Bankkredite nicht bedient werden, weil stille Gesellschafter sich ihre Anteile auszahlen ließen. Im Wirtschaftsprüfungsbericht 2016 warnten die (nun nach der Gemeindeordnung erstmals verpflichtend zu bestellenden, nachdem Maissau mit dem Raiffeisen-Deal über 50 Prozent der Anteile gekommen war) Wirtschaftsprüfer, dass die Eigenkapitalquote niedrig, die fiktive Schuldentilgungsdauer hoch sei und somit Reorganisationsbedarf nach dem Unternehmensreorganisationsgesetz bestünde.
Die Gesellschafter hätten in den regelmäßigen Gesellschaftersitzungen den Geschäftsführer immer wieder gefragt, ob man nicht da oder dort sparen könnte, sagt Ehemoser: Das sei nur in der Folge nicht ausreichend passiert. „Der Geschäftsführer hat uns immer wieder versichert, es ginge sich liquiditätsmäßig aus“ – bis es sich schließlich nicht mehr ausgegangen ist.
Der heiße Sommer 2017 gab der Amethystwelt den Rest: Die Gäste blieben aus, es kam zu wenig Umsatz herein.
Wir haben versucht, auch mit dem Geschäftsführer der MAG Kontakt aufzunehmen und seine Sicht der Dinge zu erfahren; er hat schriftlich erklärt, aufgrund seiner Verschwiegenheitspflicht während des laufenden Verfahrens keine Auskunft geben zu können. Der Lokalausgabe der NÖN hat Piller zuvor erzählt, die Insolvenz wäre aus seiner Sicht vermeidbar gewesen – was man in der Gemeinde anders sieht, worauf man den Geschäftsführer nach Erscheinen des dortigen Artikels auch brieflich hingewiesen (und ihn deswegen abgemahnt) hat.
2017 war ein heißer Sommer – viele Gäste blieben aus, und damit auch der Umsatz, den die Amethystwelt gebraucht hätte, um über die schwächere Wintersaison zu kommen. Als sich im Herbst abzeichnete, dass das Geld nicht reichen würde, um Mitarbeiter und Schulden zu bezahlen, begann die Gemeinde, Alternativen auszuloten. Unter anderem fuhr eine Delegation nach St. Pölten, um abzuklären, ob die Gemeinde selbst der Gesellschaft mit einer Finanzspritze oder zumindest einer Haftung über den Winter helfen könnte – was das Land als Gemeindeaufsicht aber klar verneinte: Maissau hätte nicht genügend Budgetspielraum, keine sogenannte „freie Finanzspitze“, um öffentliches Geld in den Betrieb zu stecken. „Das Land hat uns gesagt, das müsst ihr selber mit den Gläubigern lösen“, erinnert sich Ehemoser – „das tun wir jetzt und werden dafür geprügelt“.
Anfang Dezember kam schließlich der Gemeinderat mit dem Geschäftsführer der MAG zusammen – und Letzterer zu dem Ergebnis, es ginge sich nun tatsächlich nicht mehr aus: Ende Dezember werde eine größere Kreditrate fällig, für diese und die Dezembergehälter sei nicht mehr genug Geld da.
In den nächsten Tagen versuchten Gemeinde und Gesellschaft fieberhaft, sich mit den Hauptgläubigern außergerichtlich zu einigen – woran plötzlich auch Vertreter des Landes reges Interesse zeigten: Ehemoser selbst erinnert sich etwa an ein Telefonat mit Wirtschaftslandesrätin Petra Bohuslav (ÖVP), die mit Nachdruck wissen wollte, ob sich eine Insolvenz nicht noch vermeiden ließe. Aus ihrem Büro heißt es dazu auf Nachfrage: „Wir sind immer bemüht, dass heimische Betriebe eine Insolvenz vermeiden, da meistens negative Auswirkungen auf das Unternehmen, Arbeitsplätze oder auch die Region damit verbunden sind (z.B. durch Verunsicherung der Besucher). Hier sind wir im Vorfeld alle Möglichkeiten zur Vermeidung durchgegangen.“ Eine Förderung des Landes zur Rettung der Amethystwelt sei jedenfalls unmöglich, weil nur Investitionen förderbar wären, nicht aber der laufende Betrieb.
Wie die Geschichte weitergeht, ist bekannt: Es gab keine Einigung mit den Gläubigern, am 3. Jänner hat die MAG beim Landesgericht Korneuburg Insolvenz angemeldet.
der Schulden der Amethystwelt bietet die Gesellschaft ihren Gläubigern an. Seit 3. Jänner läuft die 90-Tage-Frist für eine Einigung.
Seitens der Gemeinde wird nun betont, dass die Gesellschaft für sich stand und stehen musste: „Als Vertreter des Hauptgesellschafters haben wir ständig darauf verwiesen, dass die kaufmännische Verantwortung für die finanzielle Situation ausschließlich und eindeutig bei der Geschäftsführung liegt“, sagt Ehemoser. Bis zuletzt habe die Geschäftsführung beteuert, gar keine Liquiditätsprobleme zu haben. Erst gegen Jahresende habe sich die Situation so zugespitzt, dass die Gesellschaft zahlungsunfähig wurde – woraufhin die Geschäftsführung – entsprechend ihrer gesetzlichen Verpflichtung – den Insolvenzantrag eingebracht hat. Insofern, ergänzt der Finanzstadtrat, „kann ich den Vorwurf, die Gemeinde hätte die Gesellschaft in die Insolvenz geschickt in keinster Weise nachvollziehen.“
Ob die Gemeinde denn trotz der geschilderten Umstände – ausgesetzte Kreditrückzahlungen, Sparpläne, aus denen doch nichts wurde – nie darüber nachgedacht habe, die Geschäftsführung auszuwechseln? Entsprechende Diskussionen habe es im Gemeinderat sehr wohl gegeben, heißt es im Ort – aber eine Mehrheit dafür habe sich nie gefunden, nicht zuletzt, weil Piller in Maissau bei einigen einen ausgezeichneten Ruf genieße und es für eine Abberufung wenig Verständnis gegeben hätte. In der Gemeindeführung will man das über ein kryptisches „kein einfaches Thema“ hinaus nicht kommentieren.
Schwierig werden die nächsten Wochen in Maissau jedenfalls: Auf persönlicher Ebene sei durch die Insolvenz schon viel Porzellan zerschlagen worden, so der Stadtrat. Jetzt gelte es, die Gläubiger zu überzeugen, eine Quote – angepeilt sind, wie in Insolvenzverfahren üblich, die mindestmöglichen 30 Prozent – ihrer Ansprüche zu akzeptieren und der Gesellschaft den Rest nachzulassen. Ziel sei es, wie die Gemeinde in einer Aussendung betont, die Amethystwelt weiterzuführen – alle 25 Arbeitsplätze sollen erhalten bleiben.
Zusätzlich zu den 287.000 Euro, die die Gemeinde bereits an Kredithaftung und Liquiditätszuschuss lockergemacht hat, wird der Steuerzahler dazu noch einmal zum Zug kommen müssen, um die ausstehende Quote zu begleichen – wenn sich denn die schwarze Gemeinde nun doch noch mit der Raiffeisenbank und der Sparkassa einigen kann, die Amethystwelt nicht untergehen zu lassen.