Sie müssen jetzt sehr stark sein: Das Land Niederösterreich hat bei der Anzahl seiner Kreisverkehre tiefgestapelt.
Vor kurzem hat der zuständige Verkehrslandesrat Ludwig Schleritzko (ÖVP) mit großem Pomp und Presseaussendung ein Jubiläum gefeiert:
Nach Fertigstellung des Jubiläumskreisels in Herzogenburg an der Kreuzung der Landesstraße L 110 mit der Landesstraße L 2200 hat Landesrat Ludwig Schleritzko kürzlich den 400. Kreisverkehr in Niederösterreich seiner Bestimmung übergeben. „Der 400. Kreisverkehr in Niederösterreich steht symbolisch für jene verkehrspolitischen Ziele, die wir mit den Kreisverkehren in unserem Land erreichen wollen: Verkehrssicherheit, Lebensqualität und Standortqualität“, betonte dabei Schleritzko.
Die Aussendung, das sei der Vollständigkeit halber erwähnt, ist über weite Strecken ein 1:1-Zitat von Ex-Landeshauptmann Erwin Pröll, der schon hundert Kreisverkehre zuvor (und schon damals durchaus mit Augenzwinkern) verlauten ließ: „Der 300. Kreisverkehr in Niederösterreich steht symbolisch für jene Ziele, die wir mit den Kreisverkehren in unserem Land erreichen wollen: Verkehrssicherheit, Lebensqualität und Standortqualität.“
Während der niederösterreichische Kult um die Kreisverkehre aus anderen Ländern (und da vor allem: aus der Bundeshauptstadt Wien) immer wieder belächelt wird, argumentiert das Land die höheren Kosten und den größeren Platzverbrauch, die Kreisverkehre gegenüber konventionellen Kreuzungen aufweisen, mit dem besseren Verkehrsfluss – und sinkender Unfallhäufigkeit.
Letzteres bestätigt unter anderem eine Addendum vorliegende Studie des Kuratoriums für Verkehrssicherheit aus dem Jahr 2009, die Unfallhäufigkeit und -schwere an ausgewählten Kreuzungen vor und nach ihrem Umbau untersucht hat. Sie kommt zu dem Schluss:
Kreisverkehrsanlagen wurden bei 10 Straßenstellen errichtet. Bei 9 Stellen zeigte sich eine nachhaltige und nahezu gleich bleibende positive Wirkung auf das Unfallgeschehen.
An diesen 9 sanierten Unfallhäufungsstellen reduzierte sich die Anzahl der Unfälle durchschnittlich um rd. 75%. Hinsichtlich der Unfallkosten betrug die Einsparung im Durchschnitt mehr als 90%. Dies bedeutet, dass bei Kreisverkehrsanlagen auch die mittlere Unfallschwere zurückgeht.
2014 kam eine andere Studie, die spezifisch Kreisverkehre in Tulln evaluiert hat, zu einem ähnlichen Ergebnis, nämlich „dass der Umbau von Kreuzungen zu Kreisverkehren großteils positive Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit aufweist“. Ein Rückgang, der dem Wegfall von Unfällen beim Linksabbiegen zu verdanken sei. Wermutstropfen dieser Studie: Während die Unfälle motorisierter Teilnehmer im Beobachtungszeitraum stark zurückgingen, stieg die Zahl der Unfälle mit Radfahrern auf Kreisverkehren gegenüber jener auf Kreuzungen deutlich.
Diese Erfahrungen hat sich aber nicht nur das Land Niederösterreich zu Herzen genommen – sondern auch viele seiner Gemeinden. Und genau deswegen untertreibt das Land bei der Zahl der Kreisverkehre in Niederösterreich massiv.
Wie die Liste der 400 Kreisverkehre zeigt, die das Land Addendum übermittelt hat, zählt das Land nämlich nur jene Kreisverkehre zu seinen offiziellen 400, die an zumindest einer Bundes- oder Landesstraße liegen. Das ist prinzipiell sinnvoll, weil Planung, Errichtung und Erhaltung nur dieser Straßen in die Zuständigkeit des Landes fallen.
Das heißt aber, dass jene Kreisverkehre, die die 573 Gemeinden Niederösterreichs allein in ihrem Wirkungsbereich errichtet haben – wo Gemeindestraßen nur Gemeindestraßen kreuzen – nicht mitgezählt sind.
Ein relativ neues Beispiel für diese Situation findet sich etwa in der Landeshauptstadt St. Pölten:
Der Name „Bundesstraßen“ täuscht; mit dem Bundesstraßen-Übertragungsgesetz 2002 hat der Bund die allermeisten Bundesstraßen den jeweiligen Ländern überlassen; er selbst ist seither nur noch für Schnellstraßen und Autobahnen zuständig.
Der Kreisverkehr unten im Bild, an der Kreuzung der Bundesstraße 1 mit der Liese-Prokop-Allee, scheint in der Liste des Landes auf. Jener 500 Meter nördlich, wo die Liese-Prokop-Allee bei der „NV-Arena“ die Bimbo-Binder-Promenade schneidet – beides Gemeindestraßen –, wird vom Land nicht gezählt.
Wie viele solcher Gemeindekreisverkehre es gibt? Keiner weiß es. Da die Zuständigkeit für Bau, Erhaltung und Verwaltung von Gemeindestraßen alleine bei diesen liegt, gibt es keine zentrale Erfassung. In Wohnhaussiedlungen, auf Hauptplätzen und Feldwegen könnten theoretisch tausende Kreisverkehre stehen, von denen nicht einmal das Land weiß.
Fix ist nur: Es sind mehr als 400.