„Ein Kubikmeter gesunder Boden kann etwa 200 bis 400 Liter Wasser speichern. Wenn jetzt jeden Tag sieben Hektar versiegelt werden, sind das 14 Millionen Liter Wasser, die täglich nicht versickern können. Die können so natürlich auch Hochwasser begünstigen.“ Karl Kienzl ist stellvertretender Leiter des Umweltbundesamts – und bringt auf den Punkt, warum der schleichende Austausch von Wiesen und Feldern gegen Einfamilienhäuser und Einkaufszentren auch mit Hinblick auf Katastrophenschäden eine Herausforderung darstellen kann.
„Kann“ ist dabei das Schlüsselwort: Einfach davon auszugehen, dass mehr Versiegelung gleichzeitig auch höhere Katastrophenschäden zur Folge hätte, würde jedenfalls zu kurz greifen – wenn man es geschickt macht und großräumig plant, lassen sich auch Wasserströme in stark versiegelten Gebieten sicher managen, wie etwa das großangelegte Forschungsprojekt Urbwater zeigt, in dem ein Team der Universität Klagenfurt die Wasser- und Bachläufe unter den Wiener Stadtzügen dokumentiert hat. Mit dem richtigen Einsatz von Technologie – etwa dem Überlaufkanal unter dem Wienfluss, der selbst bei Starkregen verhindert, dass dieser über die Ufer tritt – und Ressourcen lassen sich auch die Wasserströme durch Versiegelung handhaben.
Aber gehen wir einen Schritt zurück: Die Statistik der letzten drei Jahrzehnte im Hydrografischen Jahrbuch zeigt jedenfalls eine Zunahme an Hochwasserereignissen in der letzten Dekade.
Die entsprechenden Daten zu den Pegelständen und Durchflussmengen stellt das Lebensministerium online zur Verfügung.
Aber geht das auf den stetig steigenden Platzbedarf unserer Siedlungen zurück? Die Antwort ist sinngemäß ein eindeutiges „So einfach ist es nicht“. Das Landwirtschaftsministerium hat dazu die größeren Hochwasserereignisse seit dem Jahr 2002 analysiert und kommt zu dem Schluss, dass die Zunahme von Katastrophen und Schäden mehrere Ursachen hat – von denen die Versiegelung nur eine ist.
Das Umweltbundesamt weist in seiner Auswertung zwar darauf hin, dass auch die Bodenversiegelung das Hochwasserrisiko erhöht. Durch die Versiegelungsdichte – vor allem in hochwassergefährdeten Siedlungen – wird die Gefahr von Überschwemmungen erhöht. Allerdings nähmen durch die Klimaveränderung Überschwemmungen und Starkregenereignisse zu. Diese Oberflächenwasser müssen im versiegelten Gebiet erst wieder über Kanalsysteme oder kleine Bäche abgeleitet werden – von denen viele auf die zunehmende Intensität von Regenereignissen nicht ausgelegt sind, was das Hochwasserrisiko erhöht.
„Je mehr Fläche versiegelt ist, desto mehr wirkt sich das aus, aber die Kombination mit anderen Faktoren ist entscheidend“, sagt Johannes Hübl vom Institut für alpine Naturgefahren an der Universität für Bodenkultur in Wien. In einem komplexen System mit unterschiedlichen Einflussfaktoren, Abhängigkeiten und Zusammenhängen gibt es viele Faktoren, die bei Hochwassern zusammenspielen. Darunter fallen etwa:
Hübl verweist aber auch auf die regionale Betrachtung: „Je kleiner das Einzugsgebiet, desto relevanter ist die Versiegelung.“ In einem kleinen Tal ist eine Skipiste ohne Ausgleichsfläche somit relevanter für das kurzfristige Anschwellen des Gemeindebachs nach einem Starkregen, als wenn ein Fluss ein Einzugsgebiet von über 100 Quadratkilometern hat.
Auf den Punkt bringt es schließlich Helga Kromp-Kolb, Professorin für Meteorologie an der Boku:
In Anbetracht von klimatischen Veränderungen, regional zunehmenden Starkregenereignissen und damit einhergehend überlasteten Kanalsystemen wären bereits jetzt mehr Versickerungsflächen nötig. Tatsächlich werden aber mehr Flächen versiegelt als etwa rückgebaut – und dies kann vor allem auf regionaler Ebene die Probleme bei Hochwasserereignissen verstärken.
Über das Risiko durch Hochwässer hinaus hat die zunehmende Bodenversiegelung jedoch auch noch weitere Folgen, wie das Umweltbundesamt zusammenfasst:
Das war der dritte Artikel unseres einwöchigen Projekts zu der Frage „Verbrauchen wir zu viel Platz?“. Als Nächstes werden wir uns anschauen, wie sehr sich die Verwendung der österreichischen Fläche verändert hat – wie Wald und Siedlungen den landwirtschaftlichen Raum zurückdrängen .