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Der „Schweigekanzler“ kehrt zurück
15. Mai 2019 Politometer Lesezeit 4 min
Unsere Redezeit-Analyse im Nationalrat zeigt: Regierungschef Sebastian Kurz spricht seltener als eine Reihe seiner Minister. Aber auch unter den Abgeordneten gibt es bemerkenswerte Unterschiede.
Bild: Roland Schlager | APA

Wolfgang Schüssel wurde während seiner Kanzlerschaft häufig vorgeworfen, zu aktuellen Problemen nicht ausreichend Stellung zu beziehen. Opposition und Medien prägten in diesem Zusammenhang die Bezeichnung „Schweigekanzler“. Unsere aktuelle Auswertung der Redezeiten im Nationalrat zeigt nun: Während Schüssel den Begriff vor allem wegen seiner Zurückhaltung zu aktuellen Themen gegenüber Journalisten prägte, äußert sich Sebastian Kurz eher selten im Parlament. Er hat als Regierungschef bisher gleich viele Reden gehalten wie Finanzstaatssekretär Hubert Fuchs und insgesamt weniger lang gesprochen als Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger.

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Strache schlägt Kurz

Was die Redezeit und Redeanzahl betrifft, halten sich die Minister und Staatssekretäre der beiden Regierungsparteien ÖVP und FPÖ insgesamt die Waage. Angesichts der vielen Debatten über das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) verwundert es auch nicht, dass Innenminister Herbert Kickl die Regierungsriege in der Kategorie Gesamtdauer mit 311 Minuten, das entspricht über fünf Stunden am Rednerpult, überlegen anführt (siehe Grafik). Beate Hartinger-Klein, die die geplante Zusammenlegung einiger Sozialversicherungsträger verantwortet, hat wiederum mit 45 Reden häufiger gesprochen als die vier letztgereihten Minister zusammen.

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Trotz seiner relativ bescheidenen Ressortzuständigkeit hat aber auch Vizekanzler Heinz-Christian Strache immerhin 20 Reden gehalten und insgesamt mehr als vier Stunden vor dem Hohen Haus gesprochen – das sind sechs Reden und eineinhalb Stunden mehr als der verhältnismäßig schweigsame Bundeskanzler.

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Frauen reden nun gleich viel

Aber nicht nur auf der Regierungsbank, auch unter den Abgeordneten variierten die Sprechzeiten teilweise erheblich. Das ergaben bereits frühere Auswertungen. Die aktuelle Redezeitstatistik zeigt, dass Frauen erstmals im Verhältnis zu ihrer Anzahl unter den Abgeordneten mehr Redezeit erhalten. Bei einem Frauenanteil von etwa 34 Prozent – über die ganze aktuelle Gesetzgebungsperiode gerechnet – erhielten weibliche Abgeordnete bisher einen Redezeitanteil von 35 Prozent. Dieser leichte Anstieg lässt sich unter anderem darauf zurückführen, dass mit Pamela Rendi-Wagner und Beate Meinl-Reisinger nun zwei Klubobleute weiblich sind. Die weiblichen Abgeordneten sprechen auch nach wie vor eher zu sogenannten klassischen Frauenthemen wie Gleichbehandlung oder Familie und Jugend.

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Unter den Vielrednern finden sich naturgemäß die Klubobleute und Bereichssprecher, also jene Abgeordnete, die in ihrem Klub einen bestimmten Politikbereich verantworten. Insgesamt gehören zwei Drittel aller Abgeordneten zu dieser Gruppe – jedoch entfallen mehr als 77 Prozent der Redezeit auf sie. Außerdem halten Akademiker überproportional mehr Reden als Nichtakademiker und sind auch häufiger als Bereichssprecher in ihren Parteien tätig. Von den Abgeordneten, die weder Klubobleute noch Bereichssprecher waren, sprachen wiederum diejenigen mehr, die erst seit dieser Legislaturperiode im Nationalrat sitzen.

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Der Wahlkreis entscheidet

Bei Nationalratswahlen werden die Mandate in einem dreistufigen Verfahren vergeben. Neben Landes- und Bundeslisten können die Parteien auch Kandidaten für Regionalwahlkreise aufstellen. Bei der letzten Wahl wurden 99 von 183 Mandaten an diese vergeben. In der Riege der Vielredner stehen die Abgeordneten mit Regionalwahlkreismandaten aber hinter denjenigen zurück, die über die Bundes- oder Landeslisten in den Nationalrat eingezogen sind.

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Als sogenannte Hinterbänkler gelangen sie schlichtweg seltener in Positionen, die ihnen mehr Redezeit im Plenum verschaffen würden. Zum Ausgleich überziehen sie ihre Redezeit dafür häufiger als andere Abgeordnete. 

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