Jetzt muss alles getan werden, um das Vertrauen in die Amtsträger, in die Vertreter des Volkes wiederherzustellen. Jetzt geht es ausschließlich um das Wohl unseres Landes und das Ansehen Österreichs in der Europäischen Union und der ganzen Welt.“ Das sagte der Bundespräsident in seiner ersten Rede am Samstag nach dem Rücktritt von Heinz-Christian Strache. Der inzwischen ehemalige FPÖ-Vizekanzler legte sein Amt nach Veröffentlichung eines Videos zurück, in dem er mit der vermeintlichen Nichte eines tatsächlich existierenden russischen Oligarchen über dubiose Geschäfte sprach.
Gegen Investitionen stellte Strache der Frau Gegenleistungen in Aussicht. Unter anderem Staatsaufträge mit „Überpreis“ im Baugeschäft, das Ende des Glücksspielmonopols und: Geschäfte mit österreichischen Wasservorkommen. Nach dieser Affäre über – zumindest angekündigte – Korruption sollen nun Neuwahlen im September stattfinden, weil „der Neuaufbau des Vertrauens rasch erfolgen“ solle, so der Bundespräsident weiter. Doch ist dieses Vertrauen, insbesondere unter Wählern der Freiheitlichen, tatsächlich nachhaltig zerstört? Zumindest gibt es eine Reihe von Indizien, die der Theorie des völligen Zerfalls der Anhängerschaft widersprechen.
Aus der Datenanalyse einer umfangreichen Nachwahlumfrage aus dem Jahr 2017 geht hervor, dass FPÖ-Wähler Politiker schon damals für nicht vertrauenswürdig hielten. Am deutlichsten sind die Unterschiede zu Wählern der Volkspartei, die das meiste Vertrauen in Politiker hatten.
Aus heutiger Sicht auffällig war auch die Einschätzung der freiheitlichen Wähler beim Thema Korruptionsbekämpfung. Jeder Zweite sagte, dass die FPÖ dafür die kompetenteste Partei sei.
Die Sozialdemokraten (Ergebnis 2017: 26 Prozent) und die ÖVP (31) bekamen nach ihrer jahrelangen Zusammenarbeit in diesem Bereich nicht annähernd so viel Zuspruch von ihren eigenen Wählern. Eine Lesart dieses Ergebnisses wäre, dass die Freiheitlichen also besonders hohe Ansprüche bei ihren Wählern geweckt hätten, die nach dem Auftauchen des Videos nun enttäuscht wurden und diese nun womöglich eine andere Wahlentscheidung treffen würden. Dagegen spricht allerdings eine Studie, die sich mit dem Einfluss von Korruptionsskandalen auf das Wahlverhalten auseinandergesetzt hat. Mit folgendem Ergebnis:
Demokratische Wahlen können Politiker aus dem Amt bringen, wenn diese vorher ihre Macht zum eigenen Vorteil missbraucht haben. So weit die Theorie. In der jüngeren Forschung zeigt sich jedoch, dass sich dieses Bild selbst überholt haben könnte. Manche Wähler werden selbst nach dem Bekanntwerden von Korruptionsskandalen bei ihrer Entscheidung bleiben. Je weniger Alternativen es gibt und je weiter links bzw. rechts im ideologischen Spektrum die Wähler stehen, desto wahrscheinlicher ist es, dass Wähler ihrer Partei treu bleiben. In einer Umfrage vor der Nationalratswahl 2017 gab rund ein Drittel künftiger FPÖ-Wähler an, dass sie wahrscheinlich auch die Volkspartei wählen könnten. Die SPÖ dürfte sich demnach weniger Hoffnung machen, dass Wähler in ihr Lager wechseln.
Parteien der Mitte wären von Korruptionsskandalen stärker betroffen. Ihre Wähler würden rascher das Lager wechseln. In Österreich gibt es für Wähler rechts der Mitte mit der Volkspartei nur eine Alternative zur FPÖ – das spricht dafür, dass der FPÖ trotz Korruptionsaffäre kein totaler Absturz droht. Immerhin gab in Österreich ein Viertel der Befragten an, dass sie ihre Partei trotzdem wählen würden. Bei Parteien am äußeren ideologischen Spektrum wie der FPÖ sind diese Anteile aber tendenziell noch höher.
Im Unterschied zu 2002 haben heute sehr viele FPÖ-Wähler eine stabile Parteiidentifikation und könnten daher auch der Partei treu bleiben. Allerdings gibt es auch einen Teil an Wählern, der zwischen BZÖ, FPÖ, Team Stronach und Volkspartei wechselt.
Insgesamt vertrauen die Österreicher ihrer Regierung mehr als das im EU-Schnitt der Fall ist. Dieses Bild zeigt sich seit dem Jahr 2001 durchgehend. Seit Antritt der türkis-blauen Koalition stiegen die Vertrauenswerte zuletzt wieder an. Das höchste Vertrauen hatte die Bevölkerung während der Bundesregierung Faymann I im Jahr 2011.
Heinz-Christian Strache erhält auf seiner Facebook-Seite seit Freitagabend (neben Kritik und Häme) auch viel Zuspruch. Seine Rede sei „ehrenhaft“ gewesen, er möge „bald zurückkehren“, schreiben etwa manche User. Seine Nachricht „Jetzt erst recht“ lässt darauf schließen, dass er auf genau jene Wählertreue hofft.