Der designierte FPÖ-Chef Norbert Hofer schloss bei einer Pressekonferenz am Montag aus, dass seine Partei hohe Spenden erhalten habe. Die höchste sei die einer Bäuerin und belaufe sich auf 10.000 Euro. Die Spendenliste werde man den Medien anonymisiert zur Verfügung stellen, was allerdings einen geringen Erkenntnisgewinn verspricht. Die von Heinz-Christian Strache im Ibiza-Video aufgeworfenen Vereinskonstruktionen sind eben gerade dazu da, in den offiziellen Spendenlisten keine Spuren zu hinterlassen. Solche Vereine spenden nicht an Parteien, sie nehmen ihnen vielmehr Aufgaben ab.
Vereine zu politische Zwecken einzusetzen, ist grundsätzlich nicht illegal und auch nichts Ungewöhnliches. Bundesminister Gernot Blümel lässt beispielsweise seine Homepage von einem betreiben. Und auch der Vorzugsstimmenwahlkampf des ÖVP-Europaabgeordneten Lukas Mandl wird beispielsweise vom Verein VSM – Vorzugsstimmen für Mandl unterstützt, wie Florian Boschek auf Twitter anmerkte. Dieser bezahlte etwa Facebook-Werbung des Kandidaten. Vereinsvorsitzender ist der Unternehmer Mathias Dietrich, Schriftführer der Anwalt Hubertus Bruzek. Wer den Verein finanziert und in welchem Umfang der Verein den Wahlkampf unterstützt, ist unklar. Eine Anfrage von Addendum an die genannten Personen und das Büro von Lukas Mandl blieb vorerst unbeantwortet. Gegenüber der ZIB 2 gab Mandl an, Spenden in der Höhe von 40.000 Euro erhalten zu haben.
Das Sponsoring von Parteien und deren Kandidaten durch Vereine, dazu gehören neben Geld- auch Sachleistungen, muss aber an den Rechnungshof gemeldet werden. Es gibt allerdings eine Ausnahme: „Veröffentlichungen in Medien gelten nicht als Sponsoring.“ Dazu zählen auch Berichte in parteinahen Medien, wie sie beispielsweise von FPÖ und SPÖ in den vergangenen Jahren mit unzensuriert.at und kontrast.at unterstützt wurden. Die Grenze zwischen Medienbericht und Inserat kann dabei fließend sein.
Von den Transparenzvorschriften des Parteiengesetzes sind außerdem nur Vorfeldorganisationen der Parteien erfasst. Das hat beispielsweise dazu geführt, dass rote Bastionen wie der Pensionistenverband oder die Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter (FSG) formal nichts mehr mit der SPÖ zu tun haben. Sie haben ihren Status als Vorfeldorganisation aufgegeben. So müssen Spender und Geschäfte mit der öffentlichen Hand nicht mehr an den Rechnungshof gemeldet werden. Diese Umgehungskonstruktion hat auch der Unabhängige Parteien-Transparenz-Senat als rechtmäßig akzeptiert.
Was einzelne Vereine für Parteien und Kandidaten tun, ist für den Rechnungshof nicht kontrollierbar. Wer ihr Engagement verschweigt, muss auch nur dann mit Sanktionen rechnen, wenn er erwischt wird.
Selbst bei den Abgeordneten entsprechen die österreichischen Regeln kaum europäischen Standards: Nebeneinkünfte werden gesammelt und in Kategorien gestaffelt angegeben, was ein Abgeordneter mit welcher Stellung verdient, bleibt geheim. In der höchsten Kategorie erfährt der Bürger nur noch, dass ein Abgeordneter monatlich mehr als 10.000 Euro zusätzlich verdient. Offiziell wird nicht einmal bekannt gegeben, welche Abgeordneten öffentlich Bedienstete sind, wie viel sie in ihren Funktionen arbeiten und welches Gehalt sie dafür beziehen. Das Parlament gibt lediglich jährlich einen anonymisierten Bericht heraus.
Darüber hinaus fehlen dem Rechnungshof die Möglichkeiten, die Angaben der Parteien zu überprüfen. Ob eine Veranstaltung nun von einem Verein oder einer Partei bezahlt wurde, ist nach der derzeitigen Rechtslage nicht nachvollziehbar. Spenden, die von den Parteien einfach nicht gemeldet werden, können auch nicht geahndet werden. Es gibt derzeit nicht einmal Sanktionen, wenn eine Partei keinen Rechenschaftsbericht einreicht.
Heinz-Christian Strache hat der vermeintlichen Spenderin im Ibiza-Video öffentliche Aufträge im Austausch für Parteispenden angeboten. Wie kann das sein, wenn die Bundesregierung doch bei jeder Gelegenheit betont, dass alle Ausschreibungen gesetzmäßig erfolgen?
Die Möglichkeit zur Manipulation beginnt bei der Ausschreibung selbst. Nach der Zusammenlegung von Gendarmarie und Polizei geriet das Innenministerium etwa in die Kritik, weil Polizeiautos so ausgeschrieben wurden, dass das Produkt eines Bewerbers um wenige Zentimeter zu kurz war. Bei der Vergabe einer Kampagne durch das damals von Doris Bures (SPÖ) geführte Verkehrsministerium stellte das Handelsgericht 2018 fest, dass jenes Projekt, das schließlich unerwartet den Zuschlag erhielt, ein Plagiat des Vorschlags darstellte, der nach der ersten Ausschreibungsrunde noch erstgereiht worden war.
Eine Ausschreibung kann sowohl bei Personen als auch bei Sach- und Dienstleistungen gezielt auf den Anbieter angepasst werden, der den Zuschlag erhalten soll. Nach der Umfrage einer Wirtschaftsanwaltskanzlei aus dem Jahr 2011 hielten 29 Prozent der befragten Unternehmer Ausschreibungen für manipuliert. Die Kontrollmöglichkeiten des Parlaments sind im Vergabewesen eingeschränkt. So konnte nach geltender Rechtslage etwa der Name der Firma, die den Grenzzaun in Spielberg gebaut hatte, verschwiegen werden. Die Abschaffung des Amtsgeheimnisses machte unter ÖVP und FPÖ so wenig Fortschritte wie unter den Vorgängerregierungen. Das von Sebastian Kurz schon 2013 geforderte Informationsfreiheitsgesetz gibt es bis heute nicht.
Ein weiterer Manipulationsvorwurf betrifft die gezielte Umgehung der Ausschreibungsgrenzen durch Stückelung eines Auftrags oder von Vergaben knapp unterhalb der Grenze von 100.000 Euro. Addendum hat versucht die Vergaben der Bundesministerien zu überprüfen und diese gebeten, alle Direktvergaben anonymisiert zu übermitteln, um etwaige Unregelmäßigkeiten – beispielsweise eine hohe Zahl an Aufträgen knapp unterhalb der Ausschreibungsgrenze – statistisch auswerten zu können. Alle Ministerien außer dem Innenministerium haben die Auskunft verweigert.
Als Begründung wurde genannt, dass die Ministerien über kein ressortweites Controlling verfügen, also gar nicht wissen, wie viele Direktvergaben es in ihrem Verantwortungsbereich gibt. Ein Rechnungshofbericht und ein Follow-up-Bericht bestätigen dieses Bild weitgehend.
Straches Bundesministerium für Öffentlichen Dienst und Sport teilte in seinem ablehnenden Bescheid mit, es könne die Direktvergaben des Ressorts nicht zur Verfügung stellen, „da eine entsprechende Erfassung und Auflistung ohne Beeinträchtigung der übrigen Verwaltungstätigkeiten nicht möglich wäre“. An den „technischen und organisatorischen Voraussetzungen für die Einrichtung einer zentralen Abfragemöglichkeit und eines optimierten Beschaffungscontrollings“ werde noch gearbeitet.
Andere Staaten haben längst transparente Ausschreibungsprozeduren entwickelt. Ein Vorbild für Österreich könnte in dieser Hinsicht Georgien sein, wo alle Bieter einer Ausschreibung öffentlich gelistet werden, um Korruption zu verhindern.
Strache kündigte gegenüber seiner Gastgeberin auf Ibiza auch an, nach einer Regierungsbeteiligung der FPÖ keine Aufträge mehr an die Strabag zu vergeben. Die Aussage scheint unabhängig von der Zusage einer Spende durch die vermeintliche Oligarchennichte getroffen worden zu sein. Allerdings hielten sich Strache und seine Regierungskollegen nicht konsequent daran.
So erhielt die Strabag 2018 von der im Einflussbereich Norbert Hofers (FPÖ) stehenden ASFINAG einen Auftrag für Instandsetzungsarbeiten an der Inntal Autobahn im Wert von 9,9 Millionen Euro. Daneben leistete sie beispielsweise Baumeisterarbeiten für die Alpen-Adria-Universität in Klagenfurt für 17,5 Millionen, wenn auch für die im ÖVP-Einfluss befindlichen BIG. Vielleicht waren Straches Aussagen zur Strabag nur Aufschneiderei, womöglich ging es aber ohnehin nur um die wirklich großen Aufträge im dreistelligen Millionenbereich und darüber.
In einer früheren Version des Textes wurde Mathias Dietrich als Unternehmensberater bezeichnet. Tatsächlich handelt es sich um eine Namensgleichheit mit einer Person ohne Bezug zum genannten Verein.