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Postenschacher an der Schnittstelle zwischen Politik und Verwaltung
10. Dezember 2019 Postenschacher Lesezeit 7 min
Sektionschefs haben zentralen Anteil an der Steuerung der Verwaltung und der Umsetzung politischer Vorgaben. Entsprechend anfällig für parteipolitische Begehrlichkeiten sind ihre Posten.
Dieser Artikel gehört zum Projekt Postenschacher und ist Teil 6 einer 8-teiligen Recherche.
Bild: Addendum

Eigentlich werden für Stellen in der Verwaltung nur die Bestqualifizierten ausgewählt, aber gerade bei Führungspositionen überwiegen oft andere Überlegungen. Ausschreibungen können manipuliert, Kommissionen beeinflusst, Bewerbungen verhindert werden. Der Postenschacher umgeht konsequent gesetzliche Vorgaben, unabhängig von den jeweils regierenden Parteien. Die Sektionschefs sind in den meisten Ministerien die höchsten Beamten. Derzeit gibt es insgesamt 67 Sektionen, neun davon sind unbesetzt oder werden von provisorischen Leitern geführt. Die hohe Zahl an Vakanzen lässt sich auch dadurch erklären, dass einige Sektionschefs in der Beamtenregierung von Brigitte Bierlein dienen.

Neun der zwölf gegenwärtigen Regierungsmitglieder waren schon einmal Sektionschefs, die meisten unmittelbar vor dem Wechsel in das Expertenkabinett. Sechs der Beamtenminister haben etwas weiteres gemeinsam: Sie waren früher in einem Ministerbüro tätig.

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Vom Kabinett in die Verwaltung

Seit Jahren besteht die Tendenz, dass Mitarbeiter aus Ministerbüros, auch Kabinette genannt, nach dem Ende ihrer Tätigkeit in die Verwaltung wechseln. Mittlerweile werden sogar aktive Kabinettsmitarbeiter mit leitenden Funktionen in der Ministerialbürokratie betraut. Von den 56 derzeit amtierenden Sektionschefs haben 29 eine Kabinettsvergangenheit. Damit ist die Quote von 48 Prozent im Jahr 2015 auf mittlerweile 52 Prozent gestiegen. Insgesamt 18 Sektionschefs, und damit fast ein Drittel, waren in Kabinetten von ÖVP-Ministern tätig.

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Wer in einem Kabinett gearbeitet hat, ist deshalb nicht automatisch für die Verwaltung ungeeignet. Etliche Sektionschefs, die zuvor als politische Referenten für Minister tätig waren, gelten als angesehene Experten. Vor allem im Justiz- und im Außenministerium arbeiten traditionell Fachbeamte eine Zeit lang in den Kabinetten.

Das Problematische an der Bestellung ehemaliger Kabinettsmitarbeiter ist, dass die politische Qualifikation eine außergesetzliche Rolle spielt. Kabinettsmitarbeiter mögen mitunter sogar die qualifiziertesten Kandidaten sein, allerdings kommen bei Neubestellungen fast ausschließlich Kandidaten zum Zug, die der Parteicouleur des jeweiligen Ministers entsprechen. Es lässt sich statistisch ausschließen, dass die Parteiaffinität keine Rolle spielt. Ein Kabinettsmitarbeiter, der Sektionschef wird, kann in der Regel auch nicht beweisen, dass er der qualifizierteste Kandidat war. Dafür ist der Ausschreibungsprozess zu korrumpiert.

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Innere Widersprüche

Für Mitarbeiter in der Verwaltung wird es dadurch auch schwieriger, ohne Zwischenstation in einem Kabinett in eine Leitungsposition zu kommen. Mit dem Dienst im Ministerbüro ist gleichzeitig eine parteipolitische Punzierung verbunden. Wer dort arbeitet, genießt in der Regel das persönliche Vertrauen des Ressortchefs. Dieser entscheidet auch allein, wer Mitarbeiter in seinem Kabinett wird.

Das Verhältnis zwischen Politik und Verwaltung ist zunehmend von Widersprüchlichkeiten geprägt: Kein Gesetz schreibt fachliche Qualifikationen für Kabinettsmitarbeiter vor, allerdings gilt der Dienst im Kabinett bei der Übernahme in die Verwaltung sehr wohl als Qualifikation. Einerseits argumentiert man die zunehmende Größe der Kabinette mit einem gewissen Misstrauen gegenüber der Spitzenverwaltung, andererseits wird diese laufend mit eigenen Parteigängern besetzt.

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Bunte Präsidialsektionen

Der Grad der politischen Einfärbung variiert nach den Aufgabenbereichen der Sektionen. Klassische Fachsektionen wie jene für Steuerrecht werden häufiger mit neutralen Experten besetzt, wenn auch manchmal erst nach längerem Hin und Her. An der Spitze von Sektionen mit allgemeineren Zuständigkeiten landen hingegen regelmäßig Parteigänger mit eingeschränkter Vorqualifikation. Von den derzeit acht besetzten Präsidialsektionen – diese kümmern sich in der Regel um Infrastruktur und Personal – werden sechs von ehemaligen Kabinettsmitarbeitern geführt, ein weiterer ist ÖVP-Gemeinderat.

Die Eignung von Bewerbern um Sektionsleitungen und andere Spitzenpositionen wird von formal unabhängigen Bestellungskommissionen bewertet. Der Minister kann sich über deren Entscheidung aber auch hinwegsetzen, wenn er sie nicht vorab zu beeinflussen vermag. Gleich zwei Sektionsleiterbesetzungen durch die ehemalige Verkehrsministerin Doris Bures wurden von Gleichbehandlungskommission und Verwaltungsgerichtshof bemängelt. Bures hatte jeweils weniger qualifizierte Kandidatinnen vorgezogen.

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Anforderungen für die „Leitung der Generaldirektion für den Strafvollzug und den Vollzug freiheitsentziehender Maßnahmen“ im Jahr 2018 (blau) im Vergleich mit jenen aus dem Jahr 2015 (pink).

Suchen, wen man schon gefunden hat

Um sicherzustellen, dass der gewünschte Kandidat an erster Stelle landet, kann aber auch die Ausschreibung entsprechend schlagseitig formuliert werden. Dass das augenscheinlich regelmäßig geschieht, zeigt ein Vergleich von zeitlich versetzten Ausschreibungstexten für dieselben Posten: So wurde 2018 die Sektion II im Justizministerium, zuständig für den Straf- und Maßnahmenvollzug, neu besetzt. Der Aufgabenbereich des gesuchten Sektionsleiters hatte sich im Vergleich zur Ausschreibung für seinen Vorgänger 2015 nicht verändert, die Anforderungen allerdings schon.

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War im Bereich Fach- und Managementwissen 2015 noch „langjährige Praxis im Justizdienst“ gefragt, wollte man drei Jahre später einen Kandidaten mit „Erfahrungen in der Leitung einer Organisationseinheit einer Zentralstelle“. Aus den ursprünglich gefragten ausgeprägten Kenntnissen des Straf- und Maßnahmenvollzugs wurden ausgeprägte rechtliche Kenntnisse dieses Themenbereiches. Tatsächlich wurde 2018 der Generalanwalt und vormaliger Abteilungsleiter Friedrich Koenig bestellt, während sein Vorgänger, Staatsanwalt Erich Mayer, bereits vor seiner Bestellung 2015 Projektverantwortlicher für die Reformmaßnahmen im Strafvollzug gewesen war.

Ähnliches spielte sich bei der Neubestellung an der Spitze der Budgetsektion im Finanzministerium 2015 ab: Die Stelle war erst ein Jahr vorher neu besetzt worden, die Ausschreibung von 2014 sah dennoch völlig anders aus. So reichten damals noch bloße „Kenntnisse der wirkungsorientierten Verwaltungsführung“, während dieses Wissen ein Jahr später bereits „fundiert“ sein mussten. Dafür entfiel die Anforderung von juristischem Wissen „insbesondere in Bezug auf den Bundeshaushalt (einschließlich der Haushaltsrechtsreform)“. Und während der Budgetsektionschef 2014 neben Deutsch nur Englisch können musste, waren ein Jahr darauf schon „weitere Sprachkenntnisse von Vorteil“.

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Finanzexperte für andere Aufgaben gesucht

Für die Präsidialsektion im Sozialministerium wiederum war 2010 noch ein rechtswissenschaftliches Studium gefordert, 2015 genügte ein abgeschlossenes Hochschulstudium. Letztlich wurde die Naturwissenschaftlerin Brigitte Zarfl bestellt, die derzeitige Sozialministerin. Die noch 2010 geforderten fundierten „Kenntnisse des Dienst- Besoldungs- und Organisationsrechts des Bundes“ und praktischen „Erfahrungen im Bereich der Personalentwicklung“ musste Zarfl nicht mehr vorweisen. Überhaupt wurden vier Absätze mit Qualifikationsanforderungen gestrichen. Die Ausschreibung von 2015 verlangte nur mehr lapidar „besondere Kenntnisse in den angeführten Aufgabengebieten und besondere Fähigkeiten zu deren Leitung“.

Das System der höchst unterschiedlichen Ausschreibungen für höchst ähnliche Aufgabengebiete zieht sich durch die gesamte Bundesverwaltung. So waren für die Leitung der für Koordination zuständigen Sektion IV im Bundeskanzleramt 2012 EDV-Kenntnisse und Kenntnisse „im europäischen und österreichischen Finanz- und Bankwesen“ erforderlich, 2018 nicht mehr. Das Bankwesen zählte nie zum Aufgabenbereich der Sektion, allerdings wurde 2012 mit Stefan Imhof ein Finanzfachmann aus dem Büro des damaligen Staatssekretärs Andreas Schieder zum Sektionsleiter bestellt.

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Schnittstellenbeförderung

Immer wieder finden sich in Ausschreibungen Signalsätze, die auf eine bevorstehende Besetzung mit Kabinettsmitarbeitern hindeuten können: So wurden über Jahre hinweg in mehreren Stellenausschreibungen des Bildungsministeriums Erfahrungen „an der Schnittstelle von Politik und Verwaltung“ gefordert. Andrea Weilguny, früher im Kabinett von Claudia Schmied, war 2015 mit dieser Anforderung Sektionschefin geworden. Schon vier Jahre zuvor hatte Schmied sie – ebenfalls mit einer Ausschreibung, die Erfahrungen „an der Schnittstelle von Politik und Verwaltung“ einforderte – zur stellvertretenden Sektionschefin bestellt.

Für die Leitung der Abteilung für Informationslogistik und Verwaltungsvereinfachung im Finanzministerium war 2012 „besondere Vertrautheit mit den Kommunikationsprozessen zwischen Politik und Verwaltung“ gefordert. Der Posten ging schließlich an Heidrun Zanetta, die ehemalige Pressesprecherin von Staatssekretär Alfred Finz. Die Abteilung wurde mittlerweile wieder aufgelöst.

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Für die Richtigen ausschreiben

Zuletzt wurde eine Woche nach Bekanntwerden des Ibiza-Videos die Gruppenleitung für Elementarpädagogik, Allgemeinbildende Schulen, Kunst und Sport im Bildungsministerium ausgeschrieben. Mit der provisorischen Leitung wurde Markus Benesch, der Kabinettschef des damaligen Bundesministers Faßmann und vormals im Kabinett von Sebastian Kurz, betraut. Die Ausschreibung verlangte wiederum Erfahrungen „an der Schnittstelle von Politik und Verwaltung“. Die Bestellungskommission hat mittlerweile einen namentlich nicht genannten Mann für im höchsten Maß geeignet befunden, die Stelle dauerhaft zu befüllen. Eine formelle Entscheidung von Ministerin Iris Rauskala, zuvor Sektionschefin und ebenfalls im Kabinett von drei ÖVP-Ministern tätig, wurde noch nicht bekannt gegeben.

In den letzten Jahren gingen im Bildungsressort nur in zwei Fällen Posten mit der erwähnten Schnittstellenerfahrung an Personen ohne Kabinettshintergrund. Fünf von sechs derzeit amtierenden Sektionschefs stammen dort aus Ministerbüros.

Die Auslese der Bewerber lässt sich auf noch eine weitere Art steuern: Vielfach werden Besetzungswünsche in den Ressorts vorab bekannt. Der Andrang hält sich daher selbst bei gut dotierten Verwaltungsjobs oft in Grenzen. So gab es bei 20 Leitungsfunktionen, die innerhalb von zwei Jahren im Bildungsministerium unter Elisabeth Gehrer ausgeschrieben worden waren, in 16 Fällen nur eine einzige Bewerbung. 

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