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Der Tote vom Prater
1. Mai 2018 Prater 8 min
Robert Pichler hat sein halbes Leben im ältesten Vergnügungspark Europas verbracht. Der ehemalige Schausteller lüftet ein lang gehütetes Geheimnis um einen Unfall im Karussell. Ihn treiben sein schlechtes Gewissen und die Sorge um die Sicherheit der Fahrbetriebe.
Dieser Artikel gehört zum Projekt Prater und ist Teil 1 einer 3-teiligen Recherche.

Der Tote vom Prater

Es geschieht am Karsamstag des Jahres 2010, gegen 23 Uhr. Plötzlich schlägt ein Mann vor dem Kassahäuschen des Wiener Praterbetriebs Extasy auf. Der 34-Jährige ist schwer verletzt, Augenblicke später tritt der Tod ein. Die Betreiberin des Fahrgeschäfts will mit dem Unfall nichts zu tun haben. Der Kassawart, der das Karussell bedient, fühlt sich unter Druck gesetzt und erzählt die Geschichte, wonach der Tote schwer alkoholisiert in das Fahrgeschäft gelaufen, von den Gondeln erfasst und dabei tödlich verletzt worden sei. Der Amtsarzt schenkt ihm Glauben, die Polizei stellt keine vertiefenden Ermittlungen an. In den Morgenstunden kommt der Leichenwagen, am Vormittag geht der Betrieb wieder weiter. Als wäre nichts geschehen.

Heute berichtet Robert Pichler, der 18 Jahre lang, bis ins Jahr 2015, den Startknopf des Überkopfkarussells gedrückt hat, von schweren Sicherheitsmängeln, die es viele Jahre gegeben haben soll. Die Vertuschung dieser Sicherheitsmängel habe – laut dem ehemaligen Pratermitarbeiter – den jungen Mann, der in einem Wiener Männerwohnheim Obdach hatte, das Leben gekostet.

Der Ex-Schausteller Pichler bereut seine damalige Aussage gegenüber Polizei und Medien. Der Unfall lasse ihm noch immer keine Ruhe. Die öffentliche Richtigstellung hat keine juristischen Folgen für ihn, der Vorfall ist verjährt.

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Die heutige Betreiberin, die den Betrieb Jahre nach dem Unfall von ihrer Mutter übernommen hat, widerspricht der Darstellung ihres ehemaligen Mitarbeiters und weist alle Vorwürfe zurück. Wenn überhaupt, dann sei Kassawart Pichler an allem schuld: „Wenn er nunmehr behauptet, der Mann sei nicht über den Zaun gesprungen, sondern aus der Gondel gefallen, so behauptet er damit eigentlich Unglaubliches und dass er gegenüber der Polizei zum Unfallhergang gelogen hat, sich vor Fahrtantritt nicht versichert hat, dass die Fahrgäste ordnungsgemäß sitzen und sich niemand auf der Fahrbahn befindet.“

Addendum wollte von der Wiener Landespolizei wissen, wie sich der Unfall aus ihrer Sicht darstellt und ob es Unterlagen dazu gebe. Ein Sprecher verwies an die Staatsanwaltschaft, nach so langer Zeit sei diese zuständig. Die Staatsanwaltschaft konnte keine Akten zu dem Praterunfall finden. Nur bei einem Anfangsverdacht der Polizei würde diese überhaupt Meldung an die Behörde machen. Anscheinend hat es einen solchen nie gegeben. Das deckt sich mit damaligen Medienberichten, nach denen die Polizei schon kurz nach dem Unfall Fremdverschulden und ein technisches Gebrechen ausgeschlossen habe.  

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