Während andere Staaten konsequent den Weg Richtung rauchfreie Räumlichkeiten ebnen, wird in Österreich der entgegengesetzte Weg eingeschlagen. Das für Mai 2018 geplante Rauchverbot in der Gastronomie kommt nun nicht, die Regierung argumentiert mit „Wahlfreiheit der Bevölkerung“ und gibt an, gleichzeitig den Jugendschutz verbessern zu wollen.
Wir haben uns die Situation von Österreichs Rauchern und Nichtrauchern im internationalen Vergleich angesehen.
In der derzeitigen Diskussion über das Rauchverbot in Lokalen steht ein Argument im Mittelpunkt: die gesundheitlichen Gefährdungen, denen Nichtraucher im Zusammenhang mit Tabakkonsum ausgesetzt sind. Der European Health Survey liefert einen Anhaltspunkt, wie stark die Bevölkerung durch Passivrauch belastet ist.
14,9 Prozent der Befragten in Österreich gaben an, täglich eine Stunde oder länger Passivrauch in Innenräumen ausgesetzt zu sein. Weitere 13,6 Prozent sind weniger als eine Stunde täglich damit konfrontiert. Im europäischen Vergleich schneidet Österreich, gemeinsam mit Belgien, Griechenland und einigen osteuropäischen Nationen, schlecht ab.
Dabei könnte die Problematik von den Befragten noch deutlich unterschätzt werden. Denn nicht nur unmittelbar sichtbarer Rauch stellt eine gesundheitliche Belastung dar. Addendum hat gemeinsam mit Professor Hans-Peter Hutter von der Medizinischen Universität Wien die Schadstoffbelastung in Wiener Lokalen im Raucher- und Nichtraucherbereich gemessen.
„Im Kontext“-Reporter Christian May hat mit Professor Hans-Peter Hutter Schadstoffmessungen in Nichtraucherbereichen durchgeführt.
Das Ergebnis: Auch in Nichtraucherbereichen ist die Schadstoffbelastung eklatant erhöht und beträgt etwa 150.000 bis 200.000 Partikel pro Kubikzentimeter. Zum Vergleich: In einem Nichtraucherlokal liegt die gemessene Belastung durch Rauchpartikel dagegen bei Werten um 3.000 bis 5.000 Partikel. Und das, obwohl alle untersuchten Lokale – bis auf eines – die Bestimmungen des Nichtraucherschutzes in Österreich formal erfüllen. Das zeigt, wie schwierig eine tatsächliche technische Trennung zwischen Raucher- und Nichtraucherbereichen ist – und wie trügerisch eine Politik sein kann, die auf diese setzt.
Ein Vergleich der Nichtraucherschutzmaßnahmen kann sich dabei durchaus schwierig gestalten. Nicht nur die Unterschiedlichkeit der Gesetzesbestimmungen, sondern auch deren tatsächliche Umsetzung divergieren innerhalb Europas. In Griechenland gelten etwa formal strengere Bestimmungen als in Österreich: In Restaurants und am Arbeitsplatz gilt ein komplettes Rauchverbot. Allerdings wird das laut EU-Kommission kaum eingehalten. Trotz des Verbots wird in etwa 72 Prozent der Restaurants und an 58 Prozent der Arbeitsplätze geraucht. Das erklärt die hohe Belastung durch Passivrauch, wie sie in der vorherigen Grafik ersichtlich war. Den Kontrast dazu bildet Italien: Gesonderte und belüftete Raucherräume sind dort in Lokalen gestattet. Allerdings sind die technischen Anforderungen für die Einrichtung sehr hoch, und de facto ist ein großer Teil der Bars und Restaurants gänzlich rauchfrei.
Die beiden Beispiele verdeutlichen, dass die Gesetzeslage nicht ausschlaggebend ist: Viel relevanter ist die Einhaltung der gesetzlichen Regelungen und die damit verbundene tatsächliche Belastung durch Passivrauch. Nach der Einschätzung der Europäischen Kommission befindet sich Österreich im unteren Mittelfeld. Einer der relevantesten Aspekte ist dabei die als schwach bewertete Einhaltung der Bestimmungen in Verbindung mit vielen Schlupflöchern, die Österreichs Lokale de facto zu Raucherlokalen macht. Eine komfortable Situation für Österreichs viele Raucher.
Denn tatsächlich ist Österreich bei der Verbreitung des Rauchens oft nicht nur weit vorne zu finden, sondern führt die europäischen Nationen an. Der Anteil der täglich rauchenden Personen betrug 2014 in Österreich 24,3 Prozent. Dazu kommen 5,7 Prozent der Bevölkerung, die sich als gelegentliche Raucher deklarierten. Damit liegt Österreich bei beiden Indikatoren zunächst nur im oberen Mittelfeld. Höhere Werte werden dabei – neben Griechenland – in vielen osteuropäischen Ländern verzeichnet. Ganz vorne ist Österreich aber in einer anderen Reihung: Der Anteil der täglichen Raucherinnen ist in keinem der Vergleichsländer höher.
Dabei zeigt sich, dass der Unterschied zwischen den Geschlechtern vor allem bei den Staaten der Osterweiterung hoch ist. In den westeuropäischen Staaten haben sich die Anteile – möglicherweise als Folge emanzipatorischer Bewegungen – stark angenähert.
Noch eine weitere Besonderheit zeichnet sich für Österreich ab: Nirgendwo sonst in der EU ist der Anteil der täglichen Raucher unter den 15- bis 19-Jährigen höher. 20 Prozent der Jugendlichen konsumieren täglich Tabak. Während in den meisten Ländern in Europa nun eine Generation fernab von Zigaretten aufwächst, ist der Andrang hierzulande kaum gebrochen.
Überraschend ist dabei die Tatsache, dass auch bei anderen Staaten mit hohem Raucheranteil die Verbreitung unter Jugendlichen relativ gering ist. So könnte Griechenland durch einen Generationenwechsel bald einen wesentlich geringeren Raucheranteil haben. Auch in Deutschland, das so oft als Vergleichswert herangezogen wird, liegt der Anteil bei nur etwa 7 Prozent. Ein Indiz für den tendenziell früheren Einstieg in Österreich liefern auch Daten über das Einstiegsalter der jetzigen Raucher.
Neben der weiten Akzeptanz des Rauchens in Lokalen wird oft die leichte Verfügbarkeit von Zigaretten als mögliche Erklärung dafür herangezogen, dass Jugendliche in Österreich so früh zu rauchen beginnen. Zum einen spielt dabei die weite Verbreitung von Zigarettenautomaten und Trafiken eine Rolle, zum anderen der Preis.
Ein Blick auf die Kosten im internationalen Vergleich zeigt, dass in Österreich Zigaretten vergleichsweise billig sind. 4,59 Euro zahlten Konsumenten hierzulande durchschnittlich für eine Packung Zigaretten im Jahr 2017. Setzt man die Preise in Relation zur Kaufkraft des Landes, findet man heraus, dass nur in Dänemark und Luxemburg der Kauf von Zigaretten für eine Durchschnittsperson leistbarer ist als in Österreich. Der Großteil des Verkaufspreises entfällt darüber hinaus in allen Ländern der EU auf Steuern. Neben der Umsatzsteuer müssen noch ein fixer Betrag für die Menge an produzierten Zigaretten und eine wertmäßige Tabaksteuer eingehoben werden. Durch Besteuerung ergeben sich auch die größten Unterschiede im Vergleich zu teuren Raucherdomizilen: In Irland gehen von rund zehn Euro des Verkaufspreises neun Euro an den Fiskus. Der Preis vor Steuern liegt bei allen Staaten bei nur etwa einem Euro oder darunter.
Österreich ist damit tatsächlich ein Spezifikum. Mit allen dargestellten Aspekten zeigt es sich als Raucherparadies innerhalb Europas. Zigaretten sind flächendeckend verfügbar, kostengünstig, und das Rauchen wird an vergleichsweise vielen Orten toleriert. Ein großer Teil der Bevölkerung nützt diese Möglichkeiten. Betrachtet man den hohen Anteil der rauchenden Jugendlichen, so darf man skeptisch sein, ob sich daran in den nächsten Jahren etwas ändern wird. Zuungunsten der Nichtraucher: Sie sind hierzulande überdurchschnittlich durch Passivrauch belastet – vermutlich stärker, als sie selbst annehmen.