Von den 62 Mandaten, die die ÖVP bei der Wahl vor zwei Jahren errang, gingen nur 20 an Frauen. Hätte Hans Jörg Schelling nicht vor der konstituierenden Sitzung zugunsten von Michaela Steinacker auf seinen Nationalratssitz verzichtet, wären es sogar nur 19 gewesen.
Die Mandatsverteilung erfolgt bei Nationalratswahlen dreistufig. Auf Bundes-, Landes- und Regionallisten der ÖVP werden Frauen und Männer abwechselnd gereiht. Allein von den acht Mandaten, die die Volkspartei im letzten Ermittlungsverfahren über die Bundesliste machte, gingen aber nur zwei an Frauen. Mehrere Kandidatinnen nahmen Mandate von Landes- und Regionallisten an, auf denen sie ebenfalls angetreten waren.
Gleichzeitig mit dem Reißverschlusssystem führte die Volkspartei 2017 ein internes Vorzugsstimmensystem ein, durch das die Bewerber nach der Zahl der Stimmen neu gereiht werden sollten. Das Gesetz sieht nur dann eine Umreihung vor, wenn ein Bewerber im Regionalwahlkreis 14 Prozent, im Landeswahlkreis zehn Prozent oder bundesweit sieben Prozent der Parteistimmen als Vorzugsstimmen erhält. Damit die ÖVP ihr System umsetzen konnte, mussten daher gewählte Kandidaten auf ihre Mandate verzichten.
Die radikale Vorzugstimmenreihung der ÖVP nutzte vor allem einem Geschlecht: Von den sechs Mandaten, die aufgrund der internen Regelung wanderten, gingen fünf an Männer. Aufgrund des Reißverschlussprinzips zogen alle fünf anstatt einer vorgereihten Frau ein.
Die Mühlviertlerin Johanna Jachs war die einzige Kandidatin, der es im Vorzugsstimmenwahlkampf gelangt, ein Mandat zu erreichen, das sie ansonsten nicht bekommen hätte. Aber auch sie verdrängte letztendlich mit Gertraud Scheiblberger nur eine andere Frau – der männliche Kandidat dazwischen nahm ein anderes Mandat an. Jachs wurde heuer mit dem ersten Listenplatz in ihrem Regionalwahlkreis belohnt, 2017 hatte sie sich von vierter Stelle aus nach vorne gekämpft.
Aber auch ohne das Vorzugsstimmensystem, von dem im aktuellen Wahlkampf viele Landesorganisationen nichts mehr wissen wollen, wären 2017 nur 25 ÖVP-Frauen in den Nationalrat eingezogen. Die Hauptursache für die mangelnde Geschlechterparität war die häufige Erstreihung von Männern auf den Regional- und Landeswahllisten.
So zogen aus den insgesamt vier Regionalwahlkreisen im Burgenland und in Vorarlberg die Listenersten, jeweils Männer, ein. Dadurch blieben zu wenige Reststimmen für ein Mandat auf Landesebene über. Die Spitzenkandidatin auf der burgenländischen Landesliste, Gabriela Schwarz, musste ihr Bundeslistenmandat annehmen, um in den Nationalrat einzuziehen. Die Vorarlberger Listenerste Martina Ess verpasste den Einzug und ging später in den Bundesrat.
Sieht man von der Bundesliste mit Sebastian Kurz an der Spitze ab, gingen nur 18 von 48 Erstplatzierungen der ÖVP an Frauen. In kleineren Regionalwahlkreisen schaffte die Partei aber häufig nur ein Mandat, das dann dementsprechend häufig ein Mann erhielt. Im heurigen Wahlkampf entfallen zwar 20 erste Plätze an Frauen, allerdings führt Juliane Bogner-Strauß sowohl die steirische Landesliste als auch die Regionalwahlliste für Graz und Umgebung an. Bei den Männern gibt es mit August Wöginger in Oberösterreich und Peter Haubner in Salzburg zwei Doppelspitzenkandidaten.
Bei immerhin 15 von 48 Landes- und Regionalwahllisten haben die Listenersten von 2017 auf 2019 gewechselt. So wurde Kira Grünberg in Tirol von der ehemaligen Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck abgelöst. Die Wiener Landesliste führt nunmehr Gernot Blümel an, der vor zwei Jahren erstgereihte ehemalige Polizeipräsident Karl Mahrer musste auf den dritten Listenplatz ausweichen. Reinhold Lopatka rutschte im Wahlkreis 6B auf den dritten Platz ab, steht aber dafür auf der steirischen Landesliste an zweiter Stelle.
Obwohl die Volkspartei nach der FPÖ noch immer den niedrigsten Frauenanteil unter allen Nationalratsklubs verzeichnet, glich sie die Geschlechterparität im Lauf der Gesetzgebungsperiode leicht aus. Bei vielen Nachbesetzungen von ausgeschiedenen Männern rückten die Nächstgereihten auf, wodurch der Frauenanteil im ÖVP-Klub zum Schluss auf 21 stieg, während der Männeranteil, auch durch den Ausschluss von Efgani Dönmez, auf 40 sank.
Ein Ziel der Parteispitze dürfte diese Entwicklung allerdings nicht gewesen sein: Bei fünf nachrückenden Abgeordneten mussten ihnen eigentlich vorgereihte Kandidaten verzichten. In vier Fällen kamen hier Männer zum Zug. Ohne das Vorzugsstimmensystem und bei gleichberechtigter Nachbesetzung könnte der Frauenanteil unter den Abgeordneten der ÖVP nach der Wahl steigen. Durch die überwiegend männlichen Spitzenkandidaturen dürfte er aber weiterhin unter der Hälfte bleiben.