Dieser Artikel wurde am 4.10.2019 mit aktuelleren Umfragedaten aktualisiert.
Man muss die Sorgen der Bürger ernst nehmen.“ Dieser Satz zählt zum Standardvokabular jedes Politikers. Demnach sollte sich auch die Themensetzung der Parteien im digitalen Wahlkampf für die Nationalratswahl daran orientieren. Dass dem nicht so ist, zeigt ein Vergleich der auf Facebook und Instagram beworbenen Botschaften mit einer Meinungsumfrage.
Gesundheit, Umwelt und Inflation zählen aktuell zu den größten Sorgen der Österreicher. Auf der digitalen Wahlkampfagenda der Parteien spielen sie dagegen eine sehr viel kleinere Rolle. Seit dem Stichtag am 9. Juli gaben die Parteien 785.000 Euro für Facebook- und Instagram-Werbung aus, um ihre politischen Botschaften zu verbreiten. Überschneidungen mit den Sorgen der Bürger gibt es nur teilweise.
Das zeigt eine Auswertung der Wahlkampfausgaben. Addendum hat die Inhalte eines Großteils der Werbesujets analysiert, die Parteien über ihre offiziellenSeiten und den Seiten ihrer Kandidaten schalteten. Dadurch lässt sich ungefähr zeigen, wie hoch der Anteil der Facebook-Werbeausgaben für welches Thema war.
Viele Werbebotschaften werden mit sehr niedrigem Budget geschaltet. Die kategorisierten Inserate erreichen etwa 85 Prozent des Maximal-Budgets für jede Seite.
vor der Aktualisierung stand hier: Gesundheit, Zuwanderung und Inflation. Details siehe Methodik
Das laut Umfrage für die meisten Österreicher wichtige Gesundheitsthema erreicht bei zwei Kandidaten-Seiten die Top 3: bei Sebastian Kurz (mit etwa 15 Prozent des analysierten Budgets und bei Pamela Rendi-Wagner (etwa 10 Prozent). Das Immigrationsthema erreicht auf der Seite von Herbert Kickl (FPÖ) ein Viertel des verwendeten Budgets. Auch Beate Meinl-Reisinger wirbt mit 10 bis 15 Prozent ihres Budgets mit dem Thema.
Das Umweltthema ist parteiübergreifend ein wichtiger Ausgabeposten: die Grünen stecken über 70 Prozent des Werbebudgets ihrer Seite in das Thema, auch auf der Seite von Sebastian Kurz (ÖVP) erreicht es etwa 20 Prozent, die SPÖ wirbt auf ihrer Partei-Seite mit etwa 15 Prozent des Budgets mit dem Thema und auch die NEOS werben auf der Partei-Seite mit etwa 10 Prozent und auf Beate Meinl-Reisingers Seite mit bis zu 5 Prozent mit dem Thema.
Auf der Seite von Herbert Kickl dominieren die Themen Immigration (25 Prozent), Kriminalität (10 Prozent) und Heimat (10 Prozent), während auf der stärker beworbenen Seite von Norbert Hofer hauptsächlich für eine Fortsetzung der Koalition (25 Prozent), für die FPÖ (20 Prozent) und mit dem Heimatthema (10 Prozent) geworben wird. Auch auf der FPÖ-Seite wird hauptsächlich gegen andere Parteien bzw. Koalitionen (50 Prozent, hauptsächlich gegen Türkis bzw. Türkis-Grün) geworben.
Bei den Eurobarometer-Umfragen nicht abgefragt, aber bei Parteiwerbung auffallend sind Begriffe wie Gerechtigkeit, die von SPÖ (etwa 20 Prozent des Budgets auf Rendi-Wagners Seite) und Grünen (etwa 20 Prozent des Budgets von Werner Koglers Seite) verwendet werden. Investiert wird auch für Botschaften für bzw. gegen bestimmte Koalitionen. Diese dominieren die Werbeausgaben der FPÖ (für Türkis-Blau auf Norbert Hofers Seite, gegen Türkis-Grün auf der FPÖ-Seite) und von JETZT (gegen Türkis-Blau bzw. die Skandale).
Um die wichtigsten Themen für die Österreicher zu bestimmen, wurden alle Eurobarometer-Umfragen seit 2002, die vergleichbare Fragen zu den wichtigsten Themen im Land beinhalteten, ausgewertet. Antwortmöglichkeiten, die nur einem Teil der Befragten angeboten wurden, wurden außer Acht gelassen – mit Ausnahme des Klimawandelthemas, das in das Umweltthema eingefügt wurde. Waren mehrere Eurobarometer-Umfragen in einem Jahr, wurde der Durchschnitt der erreichten Werte verwendet. Die Visualisierung der wichtigsten Themen betrachtet nur solche, die im Betrachtungszeitraum in einem Jahr die Top-5 erreicht haben.
Korrektur 4.10.: In der ursprünglichen Fassung des Artikels wurde behauptet, dass die die einzige Befragung, bei der die Frage im Jahr 2019 gestellt wurde, im März 2019 stattfand. Es gab eine weitere Befragung im Juni 2019, deren Resultate im August/September veröffentlicht wurden. Wir bedauern den Fehler. Die Rohdaten der neueren Umfrage waren zum Publikationszeitraum noch nicht öffentlich, außerdem wurde sie in der verwendeten Umfrageliste nicht erwähnt. Aktualisiert wurde der Artikel, indem zusätzlich zu den Umfragen, für die Rohdaten verfügbar sind, auch der im August/September 2019 veröffentlichte Eurobarometer 91 berücksichtigt wurde. Der Befragungszeitraum für diesen Eurobarometer war der Juni 2019.
* Betrachtet man nur die neueste Umfrage, erreicht das Umweltthema mit 26 Prozent den ersten Platz als wichtigstes Thema.
Für die Themenanalyse der Seiten der Parteien und Spitzenkandidaten wurden die Werbungen, die zwischen 9. Juli 2019 und 23. September geschalten wurden, aus der Facebook-Transparenzdatenbank – die auch Inserate, die auf Instagram geschaltet wurden, beinhaltet – abgefragt und ihre Budgets hinterlegt. Gab es mehrere Inserate mit den gleichen Texten, wurden sie zusammengerechnet. Die Budgets der Inserate werden von Facebook nur in Preisbereichen (0–100 Euro, 100–500 Euro, und so weiter) angegeben. Diese wurden auch summiert. Die zu kategorisierenden Inserate wurden so ausgewählt, dass die Summe ihrer Maximalbudgets 85 Prozent der Gesamt-Maximalsumme erreicht. Es wurde weiters sichergestellt, dass die Summe der Mindestbudgets (die teilweise auch 0 sein konnten) mindestens 70 Prozent der Gesamt-Mindestbudgetsumme ergibt.
Jedem Inserat wurden bis zu zwei der Kategorien aus dem Eurobarometer-Fragebogen zugewiesen, zusätzlich konnte eine eigene Kategorie (wie „Heimat” oder „Gerechtigkeit”) festgelegt werden.
Die Partei-Seite der ÖVP („Volkspartei”) wurde außer Acht gelassen, da für sie nur 6 Inserate mit etwa 400 Euro investiert wurden.
Über die in diesem Artikel betrachteten Seiten wurden etwa 75 Prozent der Wahlkampfausgaben der Parteien und Vorfeldorganisationen ausgegeben.
Vorbild für die Darstellung der Themen, die die Bürger beschäftigen, war ein Artikel von SRF Data: „Die grössten Sorgen der Schweiz – und womit sie zusammenhängen”.