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Migrationstheater an Wiens Schulen: Rassistisch oder doch nur entlarvend?
6. April 2018 Brennpunkt Schule Lesezeit 2 min
Kritiker und Medien werfen einem Schulstück des Innenministeriums eine fragwürdige Inszenierung vor. Unsere Recherchen zeigen, dass die Reaktion einiger Schüler auf eine islamistische Bühnenfigur noch viel fragwürdiger ist: Es gibt Szenenapplaus für den Dschihadisten.
Dieser Artikel gehört zum Projekt Brennpunkt Schule und ist Teil 7 einer 19-teiligen Recherche.
Szene, in der Islamist Shahin (r.) dem Künstler Nadim das Malen verbieten will. || Bild: Jan Thies | Addendum

Welt in Bewegung“ ist ein Theaterstück für Schüler, das im Auftrag des Innenministeriums in Schulen in ganz Österreich gezeigt wird. Am vergangenen Osterwochenende wurde das Stück von Kritikern verrissen, die es persönlich gar nicht gesehen hatten. Die Vorwürfe waren derart massiv („rassistischer Schund“), dass eine geplante öffentliche Aufführung im Weltmuseum, einer Einrichtung der Bundesmuseen, kurzfristig abgesagt wurde.

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Was ist „Welt in Bewegung“?

Der Wunsch, Wissen zum Thema Migration in Form von Schultheater zu vermitteln, geht auf den ehemaligen ÖVP-Innenminister Wolfgang Sobotka zurück. Im Auftrag des Innenministeriums suchte das International Centre for Migration Policy Development (ICMPD) nach Autoren und Regisseuren. Neben Edmund Emge legten die „Biondekbühne Baden“ sowie „Spielfläche“ Angebote und Konzepte vor. Emge erhielt den Zuschlag.

Er selbst sagt, dass die einzige inhaltliche Vorgabe der 136 Seiten starke Bericht des Österreichischen Migrationsrats (Vorsitz: Paul Lendvai) war. Das Innenministerium korrigierte ihn demnach nur bei der korrekten Verwendung von Fachbegriffen aus dem behördlichen Migrationswesen. Künstlerische Einflussnahme durch das Innenressort bestreitet er genauso wie das Ministerium selbst. Begleitet wird das Stück durch Mitarbeiter der Pädagogischen Hochschule Niederösterreich.

Das Stück ist für Schulen kostenlos. Zum Programm gehören inhaltliche Vor- und Nachbereitung und ein 33-seitiges Informationspapier für Lehrer. Nach jeder Aufführung gibt es die Gelegenheit, den Inhalt mit Darstellern, Lehrern und einem Vertreter des Ministeriums zu diskutieren.

Bis 5. April 2018 wurde das Stück 77-mal vor über 10.000 Schülern aufgeführt. Für die Konzeptentwicklung zahlte das Innenressort 17.000 Euro. Jede Aufführung wird den Darstellern und dem Regisseur pauschal mit 1.350 Euro abgegolten, eine Folgeaufführung am selben Ort mit 945 Euro.

Wir sahen uns das Stück nun in voller Länge an einer Wiener Schule an. Und stießen bei unseren tieferen Recherchen auf ein Problem, das nicht von der Inszenierung verursacht, sondern offenbar erst entlarvt wurde: An mehreren Schulen in Wien gab es Szenenapplaus für eine Bühnenfigur, die einen islamistischen Extremisten darstellt (Anmerkung: nicht in jener Schule, in der wir mit der Kamera vor Ort waren). Die Figur namens Shahin, im Titelfoto in einer Bühnenszene mit  Kapuzenpullover zu sehen, will auf der Bühne einem Künstler das Malen von Lebewesen verbieten. Gott wolle das nicht, es sei „haram“. Das Innenministerium und Regisseur Edmund Emge bestätigten uns die Vorfälle: „Wir als Schauspieler, als Bürger dieses Landes, sind da schon etwas erschrocken, weil wir sehen, es ist schon eine Gefahr da.“

Die ganze Geschichte erzählt der beigefügte Kurzfilm. 

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