Betreten verboten“, „Privatgrund“, „Baden verboten“ oder „Hier baden nur Gäste des Hauses“ sind nur einige von vielen Verbotsschildern, denen wir beim Vermessen von Österreichs größten Seen begegnet sind. Sie stehen stellvertretend für eine Debatte über einen vermeintlichen Ausverkauf unserer Seen, die seit Jahren die Gemüter erregt. Auf welcher Grundlage diese Diskussion geführt wird, ist unklar. Außer vereinzelten Erhebungen gibt es keine Datengrundlage, die bei der Beantwortung der Frage, welche Uferflächen überhaupt in privater oder öffentlicher Hand sind, herangezogen werden kann. Eine Ausnahme bildet das Land Kärnten, das 2016 umfassend die Zugänglichkeit der Seen erheben ließ. Publiziert wurden davon allerdings nur Auszüge.
Die Studie wurde vom Land Kärnten in Kooperation mit mehreren Partnern wie dem Tourismusverband oder der Kärnten Werbung in Auftrag gegeben. Veröffentlichen wollte man die gesamten Ergebnisse der Erhebung nicht. Unsere Anfragen wurden mehrfach abgelehnt. Man teilte uns lediglich mit, dass man diese Studie ohne Zustimmung aller Teilnehmer nicht weitergeben könne.
In anderen Bundesländern gibt es von einzelnen Seen Angaben zum Grad der Verbauung der Seeufer, oftmals aber ohne Quellenangaben. Die Medienberichte über die Situation an den Seen sind teilweise fehlerhaft.
Addendum hat diese Grundlage nun in einer aufwendigen systematischen Vermessung von zwölf Seen geschaffen.
Wir haben uns bei jedem See Meter für Meter angesehen: Gibt es einen freien Zugang? Ist hier ein Badeplatz? Liegt ein Wald am Ufer? Oder ist es aufgrund eines Naturschutzgebiets nicht möglich, zum Wasser zu kommen?
Darüber, wie zugänglich ein See ist, entscheiden nicht nur die jeweiligen Landesgesetze , sondern natürlich auch die lokalen Gegebenheiten. So hat der Wörthersee beispielsweise sehr flache Uferstrecken, die früher landwirtschaftlich genutzt wurden und die sich dadurch schon sehr lange in Privatbesitz von Landwirten befinden. Heute gehört ein Großteil der Uferstrecken zu Hotels und ist als Privatstrand für Urlauber reserviert, oder gehört zu Wohnhäusern. Insgesamt sind 81,5 Prozent der Uferstrecke nicht öffentlich zugänglich – das macht den Wörthersee zu jenem See, dessen Ufer für die Allgemeinheit am unzugänglichsten sind.
Für den Attersee beispielsweise gibt es Angaben, dass es lediglich fünfzehn frei zugängliche Stellen gibt. Wir fanden allerdings mehr Zugänge.
Weniger als 10 Prozent sind für die Öffentlichkeit zugänglich. Neue Seezugänge werden von Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) persönlich eröffnet. Sieben Zugänge verzeichnet das Land Kärnten auf Basis der Initiative „Freier Seezugang Kärnten“. Der Großteil davon sind nur schmale Uferstreifen, an denen man lediglich ins Wasser kommt. Liegeflächen gibt es dort nicht, Garderoben und Sanitäranlagen fehlen ebenso. Zusätzlich verläuft die Straße am Südufer sehr nahe am See entlang. Damit wird ein Seezugang grundsätzlich schwieriger. Aber: Der fehlende Seezugang führt am Wörthersee dazu, dass manche Uferböschungen als Einstiegsstellen verwendet werden.
Besonders intensiv wird die Diskussion am Attersee geführt. Unseren Recherchen zufolge sind 76 Prozent der Uferstrecken in Privatbesitz. Für Kritik sorgen vor allem die vielen Zweitwohnsitze
Als Reaktion auf die Situation haben sich mehrere Initiativen zur Bewahrung freier Uferflächen formiert. Besonders deutlich wird das in der Gemeinde Weyregg: Die Österreichischen Bundesforste stellen dort einen öffentlichen Seezugang mit großer Liegefläche (45.000 m2) zur Verfügung. Nun soll ein altes Jagdhaus in der Mitte der Fläche abgerissen werden, neue Toiletten gebaut und der Seezugang umgestaltet werden. Am Nachbargrundstück besitzen die Bundesforste zwei Häuser, auch zu diesem Grundstück gehört ein Seezugang. Diese Wohnhäuser sollen im Zuge der Umgestaltung neu gebaut werden, 17 Meter Uferlinie würden dafür vom Bad an dieses Grundstück abgegeben werden. Trotz der einstimmigen Genehmigung des Gemeinderats und der Vergrößerung der Liegefläche gibt es am Attersee Protest einer Bürgerinitiative, die den freien Seezugang beim Bundesforstebad durch die Umbaupläne und den Wegfall der 17 Meter Ufer gefährdet sieht und für die Zukunft weitere Einschränkungen des Zugangs befürchtet.
Insgesamt sind die Chancen, den Anteil an privater Uferstrecke zu reduzieren , gering. In Unterach am Attersee wurde beispielsweise ein Grundstück vom Land Oberösterreich und der Gemeinde angekauft, um einen freien Seezugang inklusive Spielplatz und Liegewiesen zu schaffen. Doch dieser Kauf dürfte eine Ausnahme bleiben: Einerseits stehen Seegrundstücke nur selten zum Verkauf, andererseits sind die Preise für die Gemeinden oft zu hoch. Je nach See variiert der Quadratmeterpreis zwischen 500 und 2.000 Euro. Ein 1.000 Quadratmeter großes Grundstück mit zehn Metern Uferstrecke in Seewalchen am Nordufer des Attersees wird aktuell für zwei Millionen Euro angeboten.
Kaum einer der vermessenen Seen hat mehr als 15 Prozent öffentlich zugänglicher Uferstrecke. Das liegt zum Teil auch an den natürlichen Gegebenheiten. Am Traunsee fällt gut ein Drittel des Ufers durch den Traunstein weg, am Hallstätter See sind es der Wehrkogel und die natürlich bewachsene Uferfläche entlang des Spazierwegs am Ostufer, die das Ufer unzugänglich machen. Der Hallstätter See ist allerdings auch ein gutes Beispiel dafür, wie der Mensch den Wettkampf mit der Natur gewinnen kann: mit Brachialgewalt. Denn einige der Häuser in Hallstatt sind am Ortsrand praktisch in den Stein hineingeschlagen oder auf Pfählen in den See gebaut.
Gleichzeitig ist Oberösterreich aber auch ein Bundesland, in dem verhältnismäßig viele Seebäder von der öffentlichen Hand betrieben werden.
Die Gründe dafür, dass sich viele Ufergrundstücke in privater Hand befinden, sind oft unklar. Viele Gemeinden konnten sich bei einem Rundruf nicht daran erinnern, je eigene Grundstücke gehabt oder welche verkauft zu haben. Falls doch, gab es jeweils ein Bekenntnis zu einem Erhalt dieser Flächen als öffentliche Grundstücke. Lediglich in Ebensee am Traunsee gab es zwei Verkäufe in den vergangenen 15 Jahren: Ein Grundstücksverkauf an einen Investor war an eine touristische Nutzung gekoppelt und sollte so Einnahmen für die Region schaffen. Das zweite Gebäude konnte aus finanziellen Gründen nicht erhalten werden und ist mittlerweile in Privatbesitz.
2008 fand in der Villa Schrötter in Ebensee die Landesausstellung Oberösterreich statt. Die Gemeinde wollte die Villa und das Grundstück danach behalten, konnte sich die nötigen Sanierungsarbeiten an dem Gebäude allerdings nicht leisten und musste es deshalb verkaufen.
Am Ossiacher See in Kärnten sind nur 6 Prozent der Uferfläche der Allgemeinheit zugänglich. 18 Prozent sind aufgrund natürlicher Begebenheiten nicht nutzbar. Fast das gesamte Ostufer ist Naturschutzgebiet. 76 Prozent sind in privater Hand. Rund um Villach liegen viele Hotels direkt am Ufer. Die Bevölkerung scheint das nicht zu stören, zumindest gibt es medial kaum Debatten über die schlechte Zugänglichkeit.
Im Zuge dieses Textes werden Naturschutzgebiete, Flora-Fauna-Habitate oder Vogelschutzgebiete zusammengefasst – schließlich ist allen auf die eine oder andere Art gemein, dass in ihnen ein natürlicher Zustand mehr Priorität erhält als die Erschließung eines Gebiets für den Menschen.
Auch am Millstätter See wird nicht öffentlich darüber diskutiert, wie noch nicht verbaute Uferflächen genutzt werden könnten. Um den See zugänglicher zu machen, könnte der Wald im Besitz der Bundesforste am Südufer erschlossen werden – dieser liegt allerdings in einem Naturschutzgebiet. Selbst entlang des steileren Ufers an der Straße gibt es private Gärten mit Seezugang. Auffällig ist: In Kärnten sind nur sehr wenige Uferstrecken öffentlich zugänglich. Neben dem Weißensee ist der Neusiedler See der einzige, bei dem mehr als die Hälfte des Ufers wegen der natürlichen Gegebenheiten nicht zugänglich ist – weder für die Allgemeinheit noch für Privatgrundbesitzer.
Naturschutz bedeutet aber nicht automatisch, dass diese Ufer nicht genutzt werden können. An manchen Seen gibt es auch in Schutzzonen Bäder, Privathäuser und Campingplätze. So ist beispielsweise das Salzburger Ufer des Wolfgangsees öffentlich zugänglich, obwohl es seit 1957 zur Gänze ein Landschaftsschutzgebiet ist.
Anders dagegen wird Naturschutz am Neusiedler See gelebt, der zu den Besitztümern der Stiftung Esterházy gehört. Ein Drittel des Ufers ist eindeutig als Naturschutzgebiet deklariert, der Großteil davon ist naturbelassen. Viele Flächen sind von Schilf bedeckt. Der Neusiedler See ist damit jener See in Österreich, dessen Ufer naturbedingt am schlechtesten zugänglich sind. Öffentliche Zugänge gibt es nur über Freibäder und die kleineren Plätze, die von den angrenzenden Gemeinden gepachtet werden oder in deren Besitz stehen.
Ähnlich verhält es sich am Wallersee im Salzburg. Dort führt der Weg durch das Wenger Moor teilweise weit weg vom Ufer entlang des Sees, auf manchen Strecken des Rundwanderwegs sieht man den See nicht mehr. Das Naturschutzgebiet stellt eine Barriere zwischen Mensch und Wasser dar. Rund um den See, der sich im Besitz des Landes Salzburg befindet, gibt es zahlreiche an Privatpersonen verpachtete Uferzugänge. Einige Gemeinden besitzen Ufergrundstücke, die nur für die heimische Bevölkerung zur Verfügung stehen. Touristen müssen auf die Freibäder ausweichen.
Hier geht es zum Text der Salzburger Nachrichten, der in Kooperation entstanden ist.
Am zugänglichsten in Österreich ist der Achensee in Tirol. Dort sind 62 Prozent der Uferfläche öffentlich erreichbar – obwohl wegen des Naturparks um das Karwendelgebirge fast ein Drittel des Ufers geografisch gar nicht zugänglich ist. Der Grund: Teilweise hat die öffentliche Hand Wege neu geschaffen, teilweise wurde die alte Uferstraße für den Straßenverkehr gesperrt und ist nun ein Rundwanderweg. Die Stadt Innsbruck und die Ufergemeinden vertreten eine rigorose Politik in Sachen Seezugang.
An fast jedem See in Österreich gibt es ein Bekenntnis zum Erhalt freier Zugänge. In Oberösterreich wurde der freie Seezugang sogar als Staatsziel in der Landesverfassung verankert. Auch in den anderen Bundesländern gibt es Initiativen. In Salzburg werden teilweise Grundstücke an Gemeinden abgegeben, um Zugänge zu schaffen. Auch der ehemalige Landeshauptmann des Burgenlands, Hans Niessl, wollte den freien Seezugang gesetzlich verankern lassen. Auch die Bundesforste sind per Gesetz an den Erhalt gebunden und eröffnen jedes Jahr neue Zugänge – oft nur kleinere Einstiegsstellen, immer wieder größere Erholungsflächen. Möglicherweise ist eine rigorose Politik wie in Tirol aber der einzig wirksame Weg, um öffentliche Zugänge zu bewahren. Schließlich wird in allen anderen Bundesländern mit vielen Privatgrundstücken an den Ufern stets auf die Sünden der Vergangenheit als Ursache verwiesen und heute ist es nicht mehr einfach, Privatgrundstücke zurückzukaufen.
Wie habt ihr die Daten erfasst?
Wir sind alle Ufer dieser Seen zu Fuß abgegangen oder mit dem Auto entlanggefahren und haben Kategorien zur Zugänglichkeit erstellt. In einigen Karten sieht man daher aufgrund der unterschiedlichen Gegebenheiten an gewissen Strecken eine Distanz zum Ufer – in der Berechnung der Uferstrecke pro See kommen wir dennoch sehr nahe an die bekannten Angaben.
Was bedeuten diese Kategorien genau?
Privat sind unter anderem: Wohnhäuser, private Gärten, Seeufer in Hotelbesitz, Flächen von Vereinen, Häfen und Campingplätze inklusive aller Grundstücke mit Zaun und/oder „Betreten verboten“- oder „Privat“-Schildern. Grundstücke, die von der öffentlichen Hand verpachtet werden, zählen ebenso als privat, da die Erhebung sich auf die Zugänglichkeit und nicht auf den Grundbesitz bezieht.
Als natürliche Zugänge zählen in unserer Liste Uferböschungen, Waldstücke ohne Zaun, Ufer, die an Berghänge anschließen, diverse Formen von (Natur-)Schutzgebieten und verschilfte Ufer, die nicht offensichtlich in Privatbesitz stehen.
Öffentliche Strecken sind freie Zugänge, öffentliche Badeplätze, Promenaden oder auch Freibadanlagen. Nicht alle öffentlichen Strecken sind als Badeplätze geeignet, bei einigen ist es geografisch nicht möglich, in einen See hineinzugehen – dennoch werden diese als öffentlich gezählt, weil diese Flächen zumindest als Erholungsflächen der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen.
Warum gerade diese Seen?
13 Seen in Österreich sind größer als fünf Quadratkilometer, lediglich am Bodensee steht jedermann der Zugang zum See frei. Damit bleiben zwölf Seen übrig, zwei davon sind in Privatbesitz.