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Österreicher fühlen sich wieder sicherer
12. November 2019 Sicherheit Lesezeit 7 min
Im Vergleich zu 2016 hat sich das Sicherheitsgefühl unter Türkis-Blau verbessert. Österreich liegt damit wieder im EU-Durchschnitt. Aber: Vor allem Frauen und ältere Menschen fühlen sich am Nachhauseweg nach wie vor unsicher.
Dieser Artikel gehört zum Projekt Sicherheit und ist Teil 11 einer 11-teiligen Recherche.
Bild: Addendum

Rund 30 Seiten umfasste der Bereich „Ordnung und Sicherheit“ im Regierungsprogramm der türkis-blauen Regierung. Gleich zu Beginn ihrer Amtszeit verabschiedete die Regierung Kurz-Strache ein „Sicherheitspaket“ (mit einer Ausweitung der staatlichen Überwachungsmöglichkeiten). Begründet wurde dieses auch mit dem „kleinen Problem“ rund um das subjektive Sicherheitsempfinden der Bevölkerung. „Die Maßnahmen seien nötig gewesen, um einerseits das subjektive Sicherheitsgefühl zu stärken, andererseits den Methoden Krimineller eine Antwort zu liefern“, so der damalige FPÖ-Innenminister Herbert Kickl.

Stellt sich die Frage: Hat sich das subjektive Sicherheitsgefühl unter Türkis-Blau verbessert? Die kurze Antwort: Ja. Es gibt aber weiterhin deutliche Unterschiede zwischen einzelnen Bevölkerungsgruppen.

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Die Österreicher fühlen sich wieder sicherer

Laut Zahlen des European Social Survey (ESS) fühlten sich 2018 17 Prozent der rund 2.500 Befragten alleine auf ihrem Heimweg unsicher. Das sind um 5 Prozent weniger als noch 2016. Abgefragt wurde dabei die „Standardfrage“ zum subjektiven Sicherheitsgefühl: „Wie sicher fühlen Sie sich, wenn Sie nachts alleine in Ihrer Wohngegend zu Fuß unterwegs sind?“

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Walter Fuchs
Kriminalsoziologe
Walter Fuchs ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie (IRKS). Er forscht zu Rechtssoziologie, Soziologie abweichenden Verhaltens und sozialer Kontrolle, Recht und Alter, Wirtschafts- und Staatskriminalität. Seit 2011 lehrt er auch am Institut für Soziologie der Universität Wien und ist aktuell Stipendiat der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

Die Österreicher fühlten sich 2018 also wieder sicherer. Eine Regierung, deren Kernanliegen „Ordnung und Sicherheit“ war, dürfte diese Zahlen also durchaus erfreuen. Was jedoch auch erkennbar ist: Das Sicherheitsempfinden entspricht 2018 wieder dem langjährigen Durchschnitt und ähnelt den Werten aus den Jahren 2014 und 2010. Es ist demnach vor allem das Jahr 2016, in dem sich das Sicherheitsempfinden deutlich verschlechtert hat.

Der Kriminalsoziologe Walter Fuchs erklärt diese Verbesserung vor allem damit, dass 2018 das Migrationsthema in der öffentlichen Wahrnehmung keine so große Rolle mehr spielte wie noch 2016. Das ist insofern relevant, als es einen starken Zusammenhang zwischen dem subjektiven Sicherheitsgefühl und der Einstellung gegenüber Zuwanderung gibt.

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Das Sicherheitsgefühl der FPÖ-Wähler hat sich verbessert

Wie schon in früheren Untersuchungen ist das Sicherheitsempfinden von den Erfahrungen und der Lebenssituation der befragten Personen abhängig. Deutlich wird dies, wenn man das Sicherheitsempfinden von einzelnen Wählergruppen betrachtet. Besonders auffällig sind hierbei Personen, die bei der Nationalratswahl 2017 die FPÖ gewählt haben. Das Sicherheitsgefühl dieser Gruppe hat sich nämlich klar verbessert. Fühlte sich im Jahr 2016 noch jeder dritte FPÖ-Wähler auf dem Nachhauseweg unsicher, lag dieser Wert 2018 bei 26 Prozent. Bei keiner anderen Wählergruppe hat sich das subjektive Sicherheitsempfinden so stark verbessert.

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Trotz dieser Veränderung darf nicht übersehen werden, dass sich Wähler der FPÖ weiterhin deutlich unsicherer fühlen als die der anderen Parteien.

Auch bei anderen sozialen Gruppen lassen sich zwischen 2016 und 2018 ähnliche Trends feststellen: Frauen fühlen sich auf dem Heimweg weiterhin deutlich unsicherer als Männer, wenngleich sich auch hier eine Rückkehr zu den Werten vor 2016 feststellen lässt.

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Menschen, die in einer größeren Stadt leben, fühlen sich 2018 wieder sicherer, aber auch hier besteht ein statistisch signifikanter Unterschied gegenüber Menschen, die auf dem Land leben.

Im European Social Survey wird abgefragt, ob man in einer Großstadt, im Vorort einer Großstadt, in einer Kleinstadt, in einem Dorf oder auf dem Bauernhof lebt. Für unsere Analyse haben wir Großstadt, Vorort einer Großstadt und Kleinstadt als Stadt zusammengefasst und Dorf und Bauernhof als ländlichen Raum kategorisiert.

Eine weitere Auffälligkeit stellen ältere Menschen dar: Personen über 66 Jahren fühlten sich 2016 deutlich unsicherer auf dem Heimweg als jüngere Österreicher. Zwischen 2016 und 2018 hat sich diese Differenz aber ebenfalls wieder verringert. Einzig die Gruppe der unter 25-Jährigen fühlt sich weiterhin am sichersten auf dem Weg nach Hause.

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Norweger fühlen sich am sichersten

Im europäischen Vergleich liegt Österreich aufgrund dieser Veränderungen wieder im Mittelfeld – ein höheres Sicherheitsgefühl gibt es beispielsweise in Norwegen, Slowenien und Finnland. Aber es gibt auch Länder, in denen sich die Einwohner deutlich weniger sicher fühlen: Dazu gehört als Spitzenreiter Bulgarien, wo sich jeder zweite Einwohner unsicher fühlt. Aber auch in Deutschland oder Italien liegt das Unsicherheitsempfinden höher als in Österreich.

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Die wahrgenommene Sicherheit bleibt demnach weiterhin subjektiv. So betont auch der Kriminalsoziologe Fuchs, dass die gefühlte Sicherheit nicht nur von den tatsächlichen Kriminalitätszahlen abhängig ist, sondern eben auch vom Lebensumfeld oder den persönlichen Erfahrungen. Ob die Veränderung im Sicherheitsgefühl zwischen 2016 und 2018 daher auf die Politik der türkis-blauen Regierung, auf Änderungen in der öffentlichen Wahrnehmung von Migration oder auf tatsächliche Änderungen in der Sicherheit der Österreich zurückzuführen ist, lässt sich nur schwer beantworten. Was sich jedoch klar sagen lässt: Das Sicherheitsgefühl der Österreich hat sich 2018 wieder „normalisiert“. 

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Methodik

Die Daten für die vorliegende Untersuchung beruhen auf Modul 9 des European Social Survey, der zwischen September 2018 und Jänner 2019 2.499 Personen in einer repräsentativ ausgewählten Stichprobe befragt hat. Alle Ergebnisse sind mit dem Design- und Poststratifikationsgewicht des EVS kalibriert und, sofern nicht anders im Text berichtet, statistisch signifikant (p-value<=0,05). Für die Frage nach dem Sicherheitsgefühl wurden jeweils Respondenten, die angaben, sich auf dem Heimweg unsicher bzw. sehr unsicher zu fühlen, sowie Respondenten, die sich sicher bzw. sehr sicher fühlen, zusammengefasst.

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