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Wie gefährlich ist Ihr Heimatbezirk?
19. März 2018 Sicherheit Lesezeit 7 min
Kfz-Diebstähle, Einbrüche, Gewalttaten, Internet- und Wirtschaftsdelikte: Wir haben die aktuelle Kriminalstatistik für Ihre Region für die vergangenen zehn Jahre interaktiv aufbereitet und nach Trends gesucht.
Dieser Artikel gehört zum Projekt Sicherheit und ist Teil 1 einer 11-teiligen Recherche.
Bild: Addendum

Ein 23-Jähriger attackiert in Wien-Leopoldstadt vier Personen mit einem Messer.
Vor der Residenz des iranischen Botschafters in Hietzing sticht ein Angreifer auf einen Wachsoldaten ein.
Ein weiterer Täter greift in der Inneren Stadt einen Polizisten vor dem Parlament an.

Meldungen wie diese zeichnen das düstere Bild einer Situation, die nach und nach unaufhaltsam zu entgleisen scheint; einer Sicherheitslage, in der die Rate angezeigter Gewaltdelikte steigt und steigt. Für bestimmte Regionen stimmt das auch. Für die Leopoldstadt zum Beispiel, wo ein in den Untergrund abgetauchter Afghane zuletzt mehrere Personen angriff. Oder für Hietzing, wo das Attentat gegen den Wachsoldaten stattfand. Die Regel ist das jedoch nicht.

In drei von vier österreichischen Bezirken ist die Gewaltdeliktrate zwischen 2008 und 2017 nämlich gesunken. Das ergab unsere Auswertung der Detaildaten für diesen Zeitraum. Oder anders formuliert: „Schlimmer“ wurde es in dieser Kategorie tatsächlich nur in 34 von 127 analysierten Bezirken.

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Die großen fünf Kriminalitätsfelder

Das Ergebnis basiert auf einer Spezialauswertung der Polizeilichen Kriminalstatistik des Bundeskriminalamts. Insgesamt sind darin die fünf großen Kriminalitätsfelder („Big Five“) seit 2008 aufgeschlüsselt. Es ist die erste langfristige Aufbereitung des Anzeigengeschehens auf Bezirksebene. Darin zu sehen: die absolute und relative Entwicklung der Anzeigen wegen Kfz-Diebstählen, Einbrüchen, Gewalttaten, Internet- und Wirtschaftsdelikten sowie die Entwicklung im jeweiligen Bundesland als Vergleichswert. Wählen Sie im Folgenden Ihren Bezirk und die gewünschte Deliktgruppe für ein personalisiertes Ergebnis aus.

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Über die Daten

Üblicherweise werden die Daten der Polizeilichen Kriminalstatistik auf Basis absoluter Zahlen diskutiert. Erst im Sicherheitsbericht, der Monate später folgt, geschieht die Einordnung der Anzeigen mit Bezug auf die Einwohnerzahl der jeweiligen Region. Dann spricht man von der sogenannten Häufigkeitszahl. Diese Lücke werden wir schließen und die Grafiken dieses Artikels jährlich aktualisieren. Das soll unmittelbar nach der jeweiligen Präsentation der neuen Zahlen erfolgen.2

Insgesamt gab es einen Rückgang bei Gewaltdelikten aus – auf Bundesebene. Auf Ebene der Bezirke ist das Bild differenzierter: Wir haben die Trends für alle 127 Bezirke der Polizeilichen Kriminalstatistik berechnet. Und zwar für die sogenannten „Big Five“ des Geschehens (Gewaltkriminalität, Wohnraumeinbrüche, Wirtschaftskriminalität, Kfz-Diebstähle und Cyberkriminalität). Diesen fünf Feldern wird besondere Bedeutung für das subjektive Sicherheitsempfinden der Bevölkerung beigemessen. Zudem haben wir den Fokus auf den langfristigen Trend gelegt. Dieser ist, sagt das Bundeskriminalamt, aussagekräftiger als Vergleiche von Jahr zu Jahr.Die Bilanz zeigt, dass die Kriminalitätsraten in den meisten Bezirken rückläufig sind, sich also positiv entwickeln – bis auf den Bereich Cyber- und Wirtschaftskriminalität.

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Einen Vergleich der Kfz-Diebstähle, Einbrüche, Gewalttaten sowie Internet- und Wirtschaftsdelikte in Ihrem Bezirk mit allen anderen ermöglicht diese Grafik. Darin enthalten ist auch die absolute Zahl der Anzeigen je Deliktgruppe. Naturgemäß stechen Großstädte hervor.

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Aber selbst bei Berücksichtigung der Einwohnerzahl sind Städte das Zentrum der Kriminalität auf Basis von Anzeigen. Für die erhöhte Rate gibt es unter Experten verschiedene Begründungsversuche. Dazu zählen folgende:

  • Mehr soziale Randgruppen versammelt auf kleinem Raum
  • Mehr Aggression wegen größerer Bevölkerungsdichte
  • Kriminelles Handeln, weil Alternativen für einen sozialen Aufstieg fehlen
  • Enthemmung und fehlende soziale Kontrolle: Gibt es in einem Grätzel bereits ein kriminelles Umfeld, das geduldet wird, dann verschlimmert sich die Situation. Niemand fühlt sich verantwortlich, die Bewohner ziehen sich in den persönlichen Bereich zurück
  • Höhere Anzeigebereitschaft als auf dem Land
  • Mehr Tatgelegenheiten
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Die Macht der Zahlen

Die Aufschlüsselung des Kriminalitätsgeschehens auf einzelne Bezirke erleichtert jedenfalls die Einordnung der Daten für das persönliche Sicherheitsempfinden. Zum Beispiel lag im Vorjahr der Fokus der Präsentation der Kriminalstatistik auf dem kurzfristigen Zuwachs bei Gewaltdelikten. Das heißt aber nicht, dass das unmittelbare persönliche Umfeld damit gefährlicher wurde. Genauso gut könnte es sein, dass das Plus der Anzeigen nur in einer bestimmten Region besonders groß war. Zudem wird bei der medialen Darstellung häufig die langfristige Entwicklung außer Acht gelassen. Mit den Zahlen der Kriminalstatistik lassen sich sich gut Schlagzeilen und Politik machen. Etwa für das Verkünden neuer Sicherheitspakete oder neuer Planstellen für Polizisten. 

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Methodik

Was sind die Schwächen der Statistik und die Tücken bei der Interpretation?

  • Wenn es mehr Anzeigen gibt, heißt das nicht automatisch, dass ein Bezirk unsicherer geworden ist. Genauso gut könnte es sein, dass das Vertrauen in die Polizei gestiegen ist und deshalb mehr Anzeigen gemacht werden.
  • Die Datenerfassung und -auswertung liegt beim Innenministerium. Externe Stellen wie die Statistik Austria sind nicht beteiligt. Darum wurden im Vorfeld der Präsentation der vergangenen Statistik Informatiker der Uni Wien zur Qualitätssicherung eingebunden. Manche Experten kritisieren den fehlenden sozialwissenschaftlichen oder juristischen Hintergrund der Datenaufbereitung.
  • Jede Analyse von Tatverdächtigen nach Nationalität muss mit Vorsicht gelesen werden. Tatverdächtige gibt es nämlich nur dort, wo eine Tat als polizeilich geklärt gilt. Tatsächlich wird jedoch nur etwas mehr als jede zweite angezeigte Straftat polizeilich aufgeklärt.
  • Die Kriminalstatistik bildet auch die Arbeit der Polizei ab. Demnach kann es mehr Anzeigen geben, wenn mehr Polizisten auf Streife geschickt werden oder die vorhandenen fleißiger arbeiten.
  • Genauso sind naturgemäß Delikte nicht enthalten, die nicht angezeigt werden. Wenn in der Bevölkerung das Gefühl vorherrscht, dass eine Anzeige zu nichts führen würde und deshalb keine gemacht wird, schlägt sich das negativ auf das Sicherheitsempfinden nieder, aber nicht auf die Statistik.
  • Die Deliktgruppe Cybercrime wird oft als zu umfassend kritisiert, weil darin Online-Betrügereien ebenso enthalten sind wie Hacker-Angriffe auf Krankenhäuser.
  • Die Polizeiliche Kriminalstatistik sagt nichts darüber aus, ob der Tatverdächtige tatsächlich schuldig ist. Schuld- und Freisprüche sind nicht in der Datenbank enthalten, weil es keine Verbindung zwischen der Verurteilungsstatistik und der Kriminalstatistik gibt.

Welcher Logik folgt die Visualisierung der Bezirke?

Wir haben Kartogramme erstellt, die jedem Bezirk in etwa gleich viel Raum geben. Demnach werden Städte größer dargestellt, als sie eigentlich sind, und große Bezirke eben kleiner. Wir wollten Städte mehr hervorheben, weil dort mehr Personen leben. Wenn wir die Bezirksgrenzen gleich nach Einwohnern verzerrt hätten, würde die Karte im Wesentlichen nur aus den Landeshauptstädten bestehen. Deshalb dieser Kompromiss.

Warum stimmt der Name meines Bezirks nicht?

Es gibt ein paar Unterschiede zwischen den politischen Bezirken und jenen der Polizeilichen Kriminalstatistik: Eisenstadt-Stadt beinhaltet Rust. Die Freistadt ist deshalb nicht in Eisenstadt-Land enthalten. Bruck an der Leitha ist exklusive Schwechat – es wird eigens angeführt. Leoben-Stadt und Leoben-Land werden separat geführt. Für die Berechnung der Raten wurden die Einwohnerzahlen der Bezirke gemäß dieser Unterschiede angepasst.

Dieses Liniendiagramm ist euch bestimmt nicht selbst eingefallen!

Ja, das stimmt. Die Kollegen von „The Marshall Project“ haben Gewalttaten in großen US-Städten auf diese Weise aufbereitet und dienten als Vorbild für diese Visualisierung.

Warum ist die Innere Stadt in Wien im Liniendiagramm nicht enthalten?

Aufgrund der geringen Zahl der Einwohner wäre eine Berechnung der Kriminalitätsrate im ersten Wiener Gemeindebezirk nicht sinnvoll. Die berechneten Raten wären um ein Vielfaches höher als in allen anderen Bezirken Österreichs – die Innere Stadt wäre demnach der gefährlichste Bezirk Österreichs. Diese Zahlen würden die Skala der Grafik so verändern, dass ein Vergleich der anderen Bezirke nicht möglich wäre.

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