der Befragten fühlten sich 2016 in Österreich auf ihrem Heimweg unsicher.
Es gibt ein „kleines Problem“, wenn es um das „subjektive Sicherheitsempfinden der Bevölkerung“ geht. Mit diesen Worten hat Innenminister Herbert Kickl das neue „Sicherheitspaket“ der Regierung gerechtfertigt. „Die Maßnahmen seien nötig gewesen, um einerseits das subjektive Sicherheitsgefühl zu stärken, andererseits den Methoden Krimineller eine Antwort zu liefern“, zitiert die APA Kickl am 21. Februar 2018. Zusätzlich soll auch noch die Exekutive – etwa mit mehr Dienstposten für Polizisten – ausgebaut werden . Mit all diesen Maßnahmen will die Regierung den Spagat zwischen Sicherheitsempfinden (mit dem es ein „kleines Problem“ gibt) und Kriminalität (die ja tendenziell zurückgeht) verringern.
Das sogenannte „subjektive Sicherheitsgefühl“ wird also von der Regierung als wichtiger Grund für ihre aktuelle Sicherheitspolitik genannt. Aber stimmt der angenommene Unsicherheitstrend wirklich? Fühlt sich die Bevölkerung heute wirklich unsicherer als noch vor rund 20 Jahren?
der Befragten fühlten sich 2016 in Österreich auf ihrem Heimweg unsicher.
Laut den Zahlen des European Social Survey (ESS) und des Eurobarometers hat sich das Sicherheitsgefühl der Österreicher seit 1996 nicht wirklich verschlechtert. Auf die Frage „Wie sicher fühlen Sie sich, wenn Sie nachts alleine in Ihrer Wohngegend zu Fuß unterwegs sind?“ haben 1996 rund 20 Prozent mit „unsicher“ oder „sehr unsicher“ geantwortet. 2016 waren es ähnlich viele, 22 Prozent. Was jedoch schon erkennbar ist: eine kurzfristige Verschlechterung des Sicherheitsempfindens während der letzten Jahre.
Der European Social Survey ist eine europäische sozialwissenschaftliche Studie. Seit 2002 werden darin Einstellungen zu sozialpolitischen Themen in mehr als 30 Ländern abgefragt. Auch Österreich ist Teil dieser Studie. Hierzulande wird sie vom Institut für Höhere Studien, kurz IHS, durchgeführt. Alle zwei Jahre werden darin rund 2.000 Personen in Österreich befragt – es ist also eine repräsentative Umfrage. Einzig im Jahr 2014 gab es hierzulande keine Befragung.
Auch das Eurobarometer hat die sogenannte „Kriminalitätsfurcht“ 1996 und 2000 abgefragt. Die öffentliche Meinungsumfrage wird im Gegensatz zum ESS von der Europäischen Kommission in Auftrag gegeben. Dabei werden sowohl immer die gleichen Standardfragen als auch wechselnde Fragen zu unterschiedlichen Themen gestellt.
Auch die Statistik Austria erhebt Daten zum Sicherheitsempfinden der Österreicher. Es ist – wenn auch etwas abgeschwächt – der gleiche Trend erkennbar. Seit Beginn der Erhebung hat sich das Sicherheitsempfinden minimal verschlechtert. Trotzdem sind die Daten im ESS-Vergleich etwas widersprüchlich. Denn: Bei Letzterem ist zwischen 2014 und 2016 ein deutlicher Anstieg der Unsicherheit zu erkennen, während bei den Zahlen der Statistik Austria das Gegenteil der Fall ist. Auch wenn hier unterschiedliche Fragen behandelt werden: Was man aus den verschiedenen Trends dieser Periode herausliest, sagt wohl mehr über den Interpretierenden aus als über das tatsächliche Sicherheitsgefühl der Bevölkerung.
Beim „Physischen Unsicherheitsempfinden“ wird abgefragt: „Haben Sie in Ihrer Wohngegend Probleme mit Kriminalität, Gewalt oder Vandalismus?“ Ein geringes physisches Sicherheitsempfinden wird angenommen, wenn eine befragte Person darauf mit „Ja“ antwortet.
Der Vorteil an den Daten des ESS ist aber: Gleichzeitig mit der gefühlten Sicherheit werden dort auch demografische Variablen, wie Geschlecht, Alter, Wohnort und Parteipräferenz, abgefragt. Das macht einen Vergleich möglich.
Zwischen Frauen und Männern ergibt sich dabei ein deutlicher Unterschied. So fühlen sich Frauen in Österreich weit unsicherer als Männer. Während 2016 jeder zehnte Mann seine Wohngegend als „unsicher“ einstufte, war es bei den Frauen mehr als jede vierte. Und dieser doch beträchtliche Unterschied ist über den gesamten abgefragten Zeitraum (also seit 2002) relativ konstant. Wenn die Regierung also das subjektive Sicherheitsempfinden verbessern will, müsste sie vor allem bei den Frauen ansetzen.
Im gesamten Untersuchungszeitraum haben sich ältere Menschen (66 Jahre oder älter) auf ihrem Nachhauseweg unsicherer gefühlt als alle anderen Altersgruppen. Das scheint also ein langfristiger Trend zu sein. Die These, die diese Zahlen verstärkt: Wenn die Menschen in Österreich alt werden, also etwa ihre Pension antreten, dann sinkt im Laufe der Zeit auch ihr Sicherheitsempfinden. Besonders hier merkt man, wie weit die offiziellen Kriminalitätszahlen vom Gefühl der Sicherheit abweichen können. Denn: Ältere Menschen werden laut den offiziellen Zahlen des Innenministeriums viel seltener Opfer von Kriminalität.
Außerdem fühlen sich Menschen in den Städten unsicherer als im ländlichen Raum. So haben sich seit 2002 in der Stadt immer rund sechs Prozentpunkte mehr Menschen unsicher gefühlt als auf dem Land oder im ländlichen Raum. Wie man sieht, hat sich vor gut zwei Jahren rund jeder vierte Städter unsicher gefühlt. Wie wir Stadt und Land definiert haben.
Und auch bei der Parteipräferenz ergibt sich ein klares Bild. Es sind vermehrt FPÖ-Wähler (BZÖ-Wähler wurden inkludiert), die angegeben haben, sich unsicher zu fühlen. So fühlte sich im Jahr 2016 jeder dritte Wähler der Freiheitlichen auf dem Nachhauseweg unsicher. Das „kleine Problem des subjektiven Sicherheitsempfindens“, von dem Innenminister Herbert Kickl gesprochen hat, betrifft also hauptsächlich die Wähler seiner Partei. Bei keiner anderen Partei ist der Grad der Unsicherheit der Wähler so hoch.
Es ist also tatsächlich so, dass sich das Sicherheitsgefühl der Österreicher seit 1996 nicht wirklich verschlechtert hat. Trotzdem schneidet Österreich 2016 im europäischen Vergleich eher schlecht ab. Während sich in Tschechien, Deutschland und Frankreich rund jeder Vierte auf dem Nachhauseweg nicht sicher fühlte, ist es in Finnland, Norwegen, Island und Slowenien nur etwas weniger als jeder Zehnte. Und: Länder wie Schweden, die Niederlande und Belgien finden sich hier im Mittelfeld wieder.
Im European Social Survey wird abgefragt, ob man in einer Großstadt, im Vorort einer Großstadt, in einer Kleinstadt, in einem Dorf oder auf dem Bauernhof lebt. Für unsere Analyse haben wir Großstadt, Vorort einer Großstadt und Kleinstadt als Stadt zusammengefasst und Dorf und Bauernhof als ländlichen Raum kategorisiert.
Zurück nach Österreich: Wenn hier also die Kriminalitätszahlen tendenziell zurückgehen, aber gleichzeitig das Sicherheitsempfinden kurzfristig (nicht) sinkt, stellt sich die Frage, wovon Letzteres eigentlich abhängt. Kriminalsoziologe Walter Fuchs erklärt das folgendermaßen.
Die gefühlte Sicherheit ist also nicht nur von den veröffentlichten Kriminalitätszahlen abhängig, sondern unter anderem auch von subjektiven Erfahrungen und persönlichen Abstiegsängsten. So hat schon der Politikwissenschaftler Laurenz Ennser-Jedenastik im Standard beschrieben, dass das Sicherheitsgefühl auch von der Einstellung zur Zuwanderung abhängt.
Ob Innenminister Herbert Kickl also recht hat, wenn er sagt, dass es ein „kleines Problem“ mit dem subjektiven Sicherheitsempfinden in Österreich gibt, hängt davon ab, welchen verfügbaren Zahlen man mehr Glauben schenkt. Abgesehen davon ist es, laut den Aussagen des Kriminalsoziologen Fuchs, eher fraglich, ob die geplante Aufstockung der Exekutive und die verstärkten Überwachungsmaßnahmen das Sicherheitsempfinden hierzulande wirklich verbessern werden.