Das Strafrecht und sein Prozessrecht sind komplex wie der Mensch, der sie geschaffen hat und dessen Verhalten sie ahnden sollen. Alle Kapriolen, die ein klarer oder verwirrter Geist zu schlagen imstande ist, werden von detaillierten Bestimmungen erfasst. Im modernen Rechtsstaat müssen die Konsequenzen des eigenen Handelns vorhersehbar sein: Es gibt keine Strafe ohne Gesetz. Und gerecht soll es nach dem Wunsch der Bevölkerung am Ende auch noch zugehen.
Kaum vorstellbar, wie man all diesen Ansprüchen und Erwartungshaltungen an ein Verfahren gerecht werden kann. Die Strafprozessordnung (StPO) versucht es dennoch. Eine Geschichte über Ermittlungen und Urteile.
Ein Skandal beginne, so schrieb Karl Kraus, wenn ihm die Polizei ein Ende mache. Für die Polizei selbst beginnt damit aber vor allem Arbeit. Egal ob Diebstahl oder Mord, Untreue oder Hochverrat: Am Beginn der Strafverfolgung steht das Ermittlungsverfahren und an dessen Anfang der Verdacht.
Um verdächtigen zu können, muss die Behörde aber zunächst einmal auf Verdächtiges aufmerksam werden. Der Weg dahin führt über die Anzeige oder die eigene Wahrnehmung. Fehlt vorerst der Verdächtige, ermittelt man gegen unbekannt. 515.406 Anzeigen langten 2016 bei den Staatsanwaltschaften und den ihnen untergeordneten Bezirksanwälten ein, allerdings war nur bei 218.614 der Tatverdächtige bekannt. Verdichtet sich der Verdacht gegen eine Person, wird diese zum Beschuldigten.
Hier fängt es mit der Komplexität schon an. In manchen Fällen kann nämlich gar nicht gegen jemanden ermittelt werden, auch wenn er eine strafbare Handlung begangen hat. (zum Kapitel „Wann kann man gegen jemanden nicht ermitteln?“) Kann jedoch gegen den Beschuldigten ermittelt werden, erhält er damit auch bestimmte Rechte, wie jenes auf Akteneinsicht.
Der Polizei stehen verschiedene Ermittlungsmaßnahmen zur Verfügung, von denen sie einige selbst setzen kann, manche von der Staatsanwaltschaft angeordnet und andere vom Gericht genehmigt werden müssen. In einigen Fällen muss davor noch die Zustimmung des Rechtsschutzbeauftragten eingeholt werden.
Geleitet werden die Ermittlungen von der zuständigen Staatsanwaltschaft, zumindest in der Theorie. Die Hauptarbeit liegt zunächst bei der Kriminalpolizei. Die soll, so will es das Gesetz, möglichst im Einvernehmen mit der Staatsanwaltschaft vorgehen.
Viele Ermittlungsschritte, wie Observationen, kürzere verdeckte Ermittlungen oder Scheingeschäfte mit Suchtgift und Falschgeld, kann die Polizei selbst setzen. Einige Maßnahmen, wie Obduktionen oder Observationen mit technischen Hilfsmitteln, im Ausland oder über 48 Stunden hinaus, müssen von der Staatsanwaltschaft angeordnet werden.
„Für das Ermittlungsverfahren ist die Staatsanwaltschaft zuständig, in deren Sprengel die Straftat ausgeführt wurde oder ausgeführt werden sollte.“ Ist das nicht ermittelbar, richtet sich die Zuständigkeit nach dem Wohnsitz des Beschuldigten oder nach dem Ort, an dem er gefasst wurde. Ist selbst das nicht möglich, entscheidet die Generalprokuratur, welche Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren leitet. Manchmal richtet sich die Zuständigkeit auch nach der Art des Delikts. Einige Tatbestände verfolgt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft im gesamten Bundesgebiet.
Die Kriminalpolizei ist keine Einheit der Exekutive, sondern eine Kompetenz: Sie „besteht in der Wahrnehmung von Aufgaben im Dienste der Strafrechtspflege“. Jeder Polizist erfüllt, wenn er nach den Bestimmungen der Strafprozessordnung ermittelt, die Funktion der Kriminalpolizei. Die konkrete Aufgabenverteilung in der Ermittlungsarbeit richtet sich nach der Organisation der Sicherheitsbehörden und der ihnen unterstellten Wachkörper. Die Ermittlungen können von speziellen Behörden, wie dem Bundes- oder den Landeskriminalämtern, dem Bundesamt für Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung oder dem Bundesamt sowie den Landesämtern für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung aber auch von der Bundespolizei oder einer Gemeindesicherheitswache übernommen werden.
Andere, wie das Abfangen von Postsendungen oder Durchsuchungen (zum Kapitel „Wann darf die Polizei ein Haus durchsuchen?“), bedürfen zusätzlich einer gerichtlichen Bewilligung. Bei einer vierten Gruppe, zu der sonstige Scheingeschäfte, Datenabgleiche, optische und akustische Überwachungen und längere verdeckte Ermittlungen zählen, muss vor dem Antrag des Staatsanwaltes an das Gericht noch der Rechtsschutzbeauftragte im Justizministerium zustimmen. Daneben bestehen weitere Rechtsschutzbestimmungen.
Die leitende Tätigkeit der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren sieht für gewöhnlich so aus, dass ihr die Kriminalpolizei am Ende der Ermittlungen einen Abschlussbericht schickt. Da es sich beim Gros der Fälle um Vergehen und keine Verbrechen handelt, ist meist auch nicht mehr als das nötig. Bei besonders aussichtslosen Fällen erstattet sie nur einen Kurzbericht.
Erfahrene Polizisten schreiben den Abschlussbericht so, dass die darin enthaltene Fallbeschreibung genau einen Tatbestand widerspiegelt – wenn ihrer Meinung nach angeklagt werden soll. Ist die Staatsanwaltschaft anderer Meinung, schickt sie den Bericht zurück und lässt weiter ermitteln oder stellt das Verfahren ein. In wichtigen Fällen oder bei langen Ermittlungen schickt die Polizei auch Zwischenberichte. Nur sehr selten ist ein Staatsanwalt bei Ermittlungen auch tatsächlich vor Ort.
Optische und akustische Überwachungsmaßnahmen dürfen nur bei dringendem Tatverdacht und bei Straftaten gesetzt werden, die mit mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind oder mit organisierter Kriminalität oder Terrorismus in Verbindung stehen. Mit Zustimmung eines Wohnungsinhabers können auch Delikte mit Strafandrohung über einem Jahr durch Überwachungsmaßnahmen aufgeklärt werden. Außerdem ist es zulässig, „Gegenstände oder Örtlichkeiten zu beobachten, um das Verhalten von Personen zu erfassen, die mit den Gegenständen in Kontakt treten oder die Örtlichkeiten betreten“. In jedem Fall muss die Überwachung verhältnismäßig sein.
Da Geistliche vom Gesetz besonders geschützt sind, ist die „Durchführung einer optischen oder akustischen Überwachung von Geistlichen unter Verwendung technischer Mittel in Beichtstühlen oder in Räumen, die zur geistlichen Aussprache bestimmt sind, … in jedem Fall unzulässig“. Es gibt allerdings doch eine Ausnahme: Wenn der Geistliche selbst dringend tatverdächtig ist. Auch in diesem Fall muss zuerst der Rechtsschutzbeauftragte im Justizministerium dem Antrag auf Stellung eines Antrages bei Gericht zustimmen. Für Geistliche besteht im Bezug auf das Beichtgeheimnis außerdem ein Vernehmungsverbot.
Erfasst die Kriminalpolizei personenbezogene Daten durch Observationen, Abhöraktionen, verdeckte Ermittlungen oder ähnliche Methoden, muss sie unabhängig von den erforderlichen Genehmigungen zusätzlich den Rechtsschutzbeauftragten im Innenministerium verständigen. Dieser hat das Recht, die Ermittlungen zu überwachen.
Vergehen sind vorsätzliche Handlungen mit einem Strafrahmen von unter drei Jahren sowie Fahrlässigkeitsdelikte. Für erstere sind primär die Bezirksgerichte oder Einzelrichter an den Landesgerichten zuständig.
Verbrechen sind „vorsätzliche Handlungen, die mit lebenslanger oder mit mehr als dreijähriger Freiheitsstrafe bedroht sind“.
„Die Kriminalpolizei hat der Staatsanwaltschaft auch zu berichten, wenn aus ihrer Sicht kein Anfangsverdacht vorliegt, oder sie Zweifel hat, ob ein Anfangsverdacht vorliegt, zu dessen Aufklärung sie berechtigt und verpflichtet wäre, Ermittlungen zu führen.“ Das ist beispielsweise der Fall, wenn ein Zeuge glaubt, vielleicht etwas Strafbares gesehen zu haben, sich aber weder Opfer oder Täter noch irgendwelche Beweise oder Indizien finden lassen.
Wie Richter und Staatsanwälte haben auch die kriminalpolizeilichen Organe „ihr Amt unparteilich und unvoreingenommen auszuüben und jeden Anschein der Befangenheit zu vermeiden“. Betroffene in Berichten mit Spitznamen zu führen, erfüllt diese Anforderungen beispielsweise kaum.
Je nach Umfang und Dauer der Tathandlung, der Anzahl der beteiligten Personen und Ermittlungsschritte oder wenn ein Auslandsbezug vorliegt, können Ermittlungen einen Tag oder viele Jahre dauern. So erstattete die damalige Grünen-Abgeordnete Gabriela Moser am 2. Oktober 2009 Anzeige im Zusammenhang mit der BUWOG-Privatisierung. Mehr als acht Jahre später begann am 12. Dezember 2017 das daraus resultierende Hauptverfahren am Landesgericht für Strafsachen Wien.
Zuvor muss aber das Ermittlungsverfahren mit einer Anklageschrift oder einem Strafantrag abgeschlossen werden. Das ist vielleicht bei öffentlichkeitswirksamen Fällen die Regel, insgesamt aber eher die Ausnahme. Am Ende landet nur etwa ein Viertel der Fälle vor Gericht, fast 64 Prozent der Verfahren werden von der Staatsanwaltschaft eingestellt, in knapp zwölf Prozent der Fälle wird von ihr eine Diversion (zum Kapitel „Was ist eine Diversion?“) durchgeführt, selten die Unterbringung in einer Anstalt (zum Kapitel „Maßnahmenvollzug“) beantragt.
Verfahren am Bezirksgericht oder vor dem Einzelrichter des Landesgerichtes werden nicht mit einer umfassenden Anklageschrift, sondern mit einem knapper bemessenen Strafantrag eingeleitet. Gegen ihn kann kein Einspruch eingelegt werden, das Gericht prüft die Rechtmäßigkeit der Anklage aber von sich aus. In der Anklageschrift muss die Staatsanwaltschaft nicht nur die Daten des Angeklagten, die ihm zur Last gelegte Tat und die Beweismittel anführen, sondern auch den „Sachverhalt nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens zusammenzufassen“ und beurteilen.
Die Staatsanwaltschaft stellt die Ermittlungen ein, wenn die Tat nicht strafbar war, „die weitere Verfolgung des Beschuldigten aus rechtlichen Gründen unzulässig wäre“ oder „kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung des Beschuldigten besteht“ – er die Tat zum Beispiel gar nicht begangen haben kann.
Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei unterziehen die untersuchten Taten einer intensiven Fallprüfung (zum Kapitel „Wie wird ein Fall geprüft?“). Dabei gibt es bei verschiedenen Deliktstypen verschiedene Fragen zu Tatbestandsmäßigkeit, Vorsatz, Fahrlässigkeit, Rechtswidrigkeit oder Schuld zu klären. Einige Tatbestände können nicht von Einzelnen verwirklicht werden (Raufhandel), privilegieren ein bestimmtes Geschlecht (Tötung eines Kindes bei der Geburt), treffen nur eine bestimmte Berufsgruppe (Missbrauch der Amtsgewalt) oder sind nicht nur beim Versuch, sondern schon in der Vorbereitung strafbar (Hochverrat).
Andere Bestimmungen schützen Kinder und Jugendliche (sexueller Missbrauch von Unmündigen) Berufsgruppen (Kurpfuscherei), die Umwelt (Vorsätzliche Beeinträchtigung der Umwelt), das Bundesheer (Wehrmittelsabotage) oder die Ehe (Ehetäuschung).
Sie alle haben gemeinsam, dass sie nichts verbieten, sondern nur unter Strafe stellen. Das Strafrecht moralisiert nicht, es macht aber die Folgen eines Handelns oder Unterlassens klar. Beispielhaft dafür ist die Bestimmung zum Mord:
Die wesentlichen Bestimmungen über gerichtlich strafbare Handlungen finden sich im Strafgesetzbuch. Außerdem gibt es Nebenstrafrecht wie das Verbots-, Finanzstraf- oder Militärstrafgesetz. Hinzu kommen noch Strafbestimmungen in einzelnen Gesetzen. Die prozessualen Bestimmungen finden sich im Wesentlichen in der Strafprozessordnung und im Jugendgerichtsgesetz.
Von den hier ausschließlich behandelten gerichtlich strafbaren Handlungen ist das Verwaltungsstrafrecht zu unterscheiden. Hier werden in verschiedensten Fällen (vom Verkehrsdelikt bis zum Verstoß gegen die Gewerbeordnung) Strafen von Verwaltungsbehörden verhängt, die bei den Verwaltungsgerichten anfechtbar sind.
Aufgabe der Staatsanwaltschaft ist es, eine Tat anzuklagen die ihrer Meinung nach eine strafbare Handlung darstellt. Sie darf sich aber nur für eine Anklage aussprechen, wenn „eine Verurteilung nahe liegt und kein Grund für die Einstellung des Verfahrens oder den Rücktritt von Verfolgung vorliegt“. Die Bestimmung wird so interpretiert, dass die Wahrscheinlichkeit für eine Verurteilung in den Augen der Staatsanwaltschaft überwiegen, also bei über 50 Prozent liegen muss und kein Grund für eine Diversion vorliegen darf.
Erstattet sie eine Anklageschrift, kann der Beschuldigte dagegen vorgehen. Sein Einspruch kann sich gegen inhaltliche und formale Fehler wenden. Ist die Anklage völlig an den Haaren herbeigezogen? Darf der Staatsanwalt dieses Delikt überhaupt verfolgen? Wurde die Anklage bei einem unzuständigen Gericht eingebracht? Darüber entscheidet das Oberlandesgericht. Lehnt es den Einspruch ab, ist die Anklage rechtskräftig, und aus dem Beschuldigten des Ermittlungsverfahrens wird endgültig der Angeklagte des Hauptverfahrens.
Der Angeklagte landet grundsätzlich vor dem Gericht, an dem die Staatsanwaltschaft sitzt, die ihn anklagt. Sind die Richter insgesamt befangen, kann der Prozess auch an ein anderes Gericht verlegt werden. Für Strafverfahren gegen Jugendliche und junge Erwachsene gelten besondere Bestimmungen. Für kleinere Delikte sind außerdem die Bezirksgerichte zuständig. Dort kann sich der Staatsanwalt vom Bezirksanwalt, einem rechtskundigen Beamten, oft auch einem Rechtspraktikanten, vertreten lassen. In den letzten Jahren landeten dort die weitaus meisten Fälle, im Schnitt etwa 30.000.
Die entsprechenden Regelungen trifft das Jugendgerichtsgesetz. Für Jugendliche wird die Strafandrohung grundsätzlich halbiert. An die Stelle einer lebenslangen Freiheitsstrafe treten bei über 16-Jährigen 15 Jahre, ansonsten zehn Jahre Höchststrafe. Außerdem kann unter bestimmten Umständen ein Schuldspruch ohne oder unter Vorbehalt der Strafe erfolgen. Für junge Erwachsene, das sind Personen unter 21 Jahren, gelten in den meisten Fällen die herabgesetzten Strafrahmen wie bei Jugendlichen.
Am Bezirksgericht werden Geldstrafen oder Haftstrafe von höchstens einem Jahr mit einigen Ausnahmen, wie Nötigung, Verhetzung oder beharrlicher Verfolgung (Stalking), von einem Einzelrichter verhandelt.
Alle übrigen Hauptverfahren – in den vergangenen Jahren bewegte sich die Zahl um die 23.000 bis 24.000 – finden am Landesgericht statt. Dort wird nochmals intern nach der Schwere der vorgeworfenen Tat differenziert: Verhandelt wird entweder vor einem Einzelrichter, einem Schöffengericht (zum Kapitel „Was ist ein Schöffengericht?“) oder einem Geschworenengericht (zum Kapitel „Was ist ein Geschworenengericht?“). Auch hier entfällt die größte Zahl auf geringfügigere Delikte, die von einem Einzelrichter abgeurteilt werden. Nur etwa 14 Prozent landen vor einem Schöffen und gar nur ein Prozent vor einem Geschworenengericht.
Für die Strafverfahren an den Bezirksgerichten wird allerdings weitaus weniger Personal eingesetzt. Österreichweit standen 2016 für Strafsachen an Bezirksgerichten 82,5 richterliche Planstellen zur Verfügung, während die Landesgerichte über 243,82 Planstellen verfügten. Das mag entweder am Umfang der Fälle liegen oder am Gewicht, das man den Verfahren in der Rechtspflege beimisst. Abschließend klären lässt sich das nicht. Die Justiz erfasst nur die Zahl der Verfahren, jedoch nicht die der Verhandlungstage.
Landet ein Fall vor dem falschen Gericht, weil dieses sachlich oder örtlich unzuständig ist, muss es ihn abtreten. Der Bezirksrichter und der Einzelrichter am Landesgericht können den Strafantrag schon vorab prüfen.
Kommt der Richter zur Überzeugung, „daß die dem Antrag zugrunde liegende Tat vom Gesetz nicht mit Strafe bedroht ist oder daß Umstände vorliegen, durch die die Strafbarkeit der Tat aufgehoben oder die Verfolgung wegen der Tat ausgeschlossen ist, so hat er das Verfahren mit Beschluß einzustellen.“
Der vorsitzende Richter setzt den Verhandlungstermin an und lädt Ankläger, Angeklagten, Schöffen oder Geschworene, Zeugen, Privatbeteiligte und weitere Beteiligte sowie deren Vertreter. Polizei und Opfer sind zu laden, wenn sie es verlangt haben. Die Verteidigung muss bei Verfahren vor dem Landesgericht mindestens acht bis 14 Tage zur Vorbereitung haben, am Bezirksgericht sind es hingegen nur drei.
Bereits vor Beginn der Verhandlung können weitere Beweismittel eingebracht werden. Der Verteidiger kann eine Gegenschrift zur Anklage erstatten.
Privatbeteiligte sind Opfer, die im Strafverfahren zivilrechtliche Ansprüche geltend machen. Dabei geht es beispielsweise um Schadenersatz bei Sachbeschädigungen oder Schmerzengeld bei Körperverletzungen. Über ihre Ansprüche kann vor Gericht auch ein Vergleich geschlossen werden. Auf diese Weise kommen Privatbeteiligte schneller und leichter zu ihren Ansprüchen. Gleichzeitig sparen sie sich etwaige zivilgerichtliche Verfahrenskosten. Das Gericht erkennt über diese Ansprüche, kann die Privatbeteiligten für weitere Ansprüche aber an die Zivilgerichte verweisen.
Verteidiger in Strafsachen können Rechtsanwälte oder in Straf- und Strafprozessrecht habilitierte Personen sein, letzteres trifft beispielsweise auf den ehemaligen Justizminister und nunmehrigen Verfassungsrichter Wolfgang Brandstetter zu. Am Bezirksgericht herrscht grundsätzlich keine Verteidigerpflicht, der Angeklagte kann sich hier selbst vertreten. Selbiges gilt beim Landesgericht, wenn nicht mehr als drei Jahre Freiheitsstrafe angedroht sind und es sich nicht um schwere Fälle von Einbruchdiebstahl oder Hehlerei handelt. Daneben gibt es weitere Umstände, wie Untersuchungshaft oder ein Antrag auf Unterbringung, die eine Verteidigung verpflichtend erfordern. Auch in Jugendstrafsachen muss am Landesgericht immer ein Verteidiger beigezogen werden, am Bezirksgericht, wenn es zweckmäßig ist oder kein gesetzlicher Vertreter erschienen ist. Kann der Angeklagte sich keinen Verteidiger leisten, erhält er Verfahrenshilfe.
Der öffentliche Strafprozess ist eine Abkehr von den Geheimverfahren in der Zeit des Absolutismus. Zwar kann die Öffentlichkeit unter bestimmten Voraussetzungen ausgeschlossen werden, die Urteilsverkündung ist jedoch immer öffentlich.
Der Prozess selbst ist öffentlich. „Fernseh- und Hörfunkaufnahmen und ‑übertragungen sowie Film- und Fotoaufnahmen von Verhandlungen der Gerichte sind unzulässig“. Die Öffentlichkeit kann nur in Ausnahmefällen von der Verhandlung ausgeschlossen werden. Die Urteilsverkündung ist jedoch immer öffentlich.
Der Angeklagte erscheint vor Gericht immer ohne Fesseln. Allerdings wird er von einer Wache begleitet, wenn er in Untersuchungshaft (zum Kapitel „Untersuchungshaft“) sitzt. Bei besonderer Gefahr kann der Gerichtssaal auch von Spezialeinheiten der Justizwache oder der Polizei gesichert werden.
Ist der höchstpersönliche Lebensbereich eines Menschen betroffen, kann die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden. Das ist meist bei Jugendlichen und bei Sexualstrafdelikten der Fall. Daneben ist eine Verhandlung ohne Öffentlichkeit nur zulässig, wenn die öffentliche Ordnung oder nationale Sicherheit gefährdet ist – das würde womöglich auf Proliferationsfälle zutreffen – oder die Identität eines Zeugen oder eines Dritten geschützt werden muss. Das kann beispielsweise in Verfahren gegen das organisierte Verbrechen vorkommen. Angeklagte, Opfer, Privatbeteiligte oder Privatankläger (siehe dazu: Wann kann man gegen jemanden nicht ermitteln?) dürfen drei Personen ihres Vertrauens hinzuziehen. Besonders schutzwürdige Opfer können auch abseits der Verhandlung kontradiktorisch einvernommen werden (siehe weiter unten).
Zu Beginn ruft der vorsitzende Richter zur Sache, erhebt die persönlichen Daten des Angeklagten und nimmt – sollte es sich um ein schöffengerichtliches Verfahren handeln und das in diesem Jahr noch nicht geschehen sein – die Schöffen unter Eid. Geschworene schwören im Wesentlichen dasselbe.
„Sie schwören und geloben vor Gott, die Beweise, die gegen und für den Angeklagten vorgebracht werden, mit der gewissenhaftesten Aufmerksamkeit zu prüfen, nichts unerwogen zu lassen, was zum Vorteil oder zum Nachteil des Angeklagten gereichen kann, das Gesetz, dem Sie Geltung verschaffen sollen, treu zu beobachten, vor Ihrem Ausspruch über den Gegenstand der Verhandlung mit niemand, außer mit den Mitgliedern des Schöffengerichts, Rücksprache zu nehmen, der Stimme der Zu- oder Abneigung, der Furcht oder der Schadenfreude kein Gehör zu geben, sondern sich mit Unparteilichkeit und Festigkeit nur nach den für und wider den Angeklagten vorgeführten Beweismitteln und Ihrer darauf gegründeten Überzeugung so zu entscheiden, wie Sie es vor Gott und Ihrem Gewissen verantworten können.“
Die Schöffen schwören mit den Worten „Ich schwöre, so wahr mir Gott helfe.“ Gehören sie keinem Religionsbekenntnis an oder verbietet ihr Glaube das Leisten von Eiden, bekräftigen sie nur mit Handschlag. Die Beeidigung gilt für ein Jahr und wird in einem besonderen Buch vermerkt. Unvereidigte Schöffen führen zur Nichtigkeit des Hauptverfahrens.
Erscheinen Angeklagter oder Zeugen nicht zur Verhandlung, können sie vorgeführt werden. Muss die Verhandlung vertagt werden, können die Kosten auf den Fernbleiber abgewälzt werden – wenn er sie tragen kann. Ansonsten sind Bußgelder bis zu 1.000 Euro möglich. Kann ein Zeuge nicht vorgeführt werden, hat aber Aussagen im Ermittlungsverfahren gemacht, können diese in der Hauptverhandlung ausnahmsweise verlesen werden.
Ziel der Hauptverhandlung ist es, die Wahrheit zu finden. Aufgabe des vorsitzenden Richters ist es, die Suche danach zu fördern. Er bestimmt, wann welche Zeugen und Sachverständigen gehört, welche Beweise aufgenommen und wie die einzelnen Anklagepunkte verhandelt werden. Ihm obliegt es auch, für „die Erhaltung der Ruhe und Ordnung und des der Würde des Gerichtes entsprechenden Anstandes“ zu sorgen. Dafür kann er Ordnungsstrafen bis zu 1.000 Euro oder Haftstrafen bis zu acht Tagen verhängen.
Die StPO kennt mehrere Beweismittel: Aussagen (des Angeklagten, von Sachverständigen und Zeugen), Lokalaugenschein und Sachbeweise wie Urkunden, DNS-Spuren oder Tatwerkzeuge. Ein Beweisverbot besteht beispielsweise für Aussagen die unter Folter erzwungen oder durch unzulässige Vernehmungsmethoden erlangt wurden. Gleiches gilt für Beweise die bei Durchsuchungen sichergestellt wurden, obwohl sie etwa dem anwaltlichen Recht auf Verschwiegenheit unterliegen. Solche Beweise dürfen in der Hauptverhandlung nicht verwertet werden.
Die Strafprozessordnung legt viel Wert darauf, dass Gerichtsverhandlungen nicht zu Theatervorführungen verkommen. Für „Beschimpfungen oder offenbar ungegründete oder zur Sache nicht gehörige Beschuldigungen“ ist daher ebenso wenig Platz wie für „ungeziemendes Benehmen“ allgemein.
Auf die Erledigung der Formalitäten folgt der Vortrag des Anklägers, auf diesen die Erwiderung der Verteidigung. Daraufhin wird der Angeklagte vernommen. Er muss sich, wie bereits im Ermittlungsverfahren, nicht selbst belasten. Während der Verhandlung darf er sich mit seinem Verteidiger beraten, allerdings nicht über die Beantwortung jeder einzelnen Frage. Suggestivfragen sind zulässig, Fangfragen nicht.
Im darauffolgenden Beweisverfahren werden die Zeugen und Sachverständigen ver- und Beweise aufgenommen. Der Vorsitzende entscheidet, ob Zeugen während der Verhandlung im Saal bleiben oder vor der Tür warten müssen. Manche Zeugen dürfen gar nicht vernommen werden, sind grundsätzlich von der Aussage befreit oder haben im Einzelfall ein Aussageverweigerungsrecht. Opfer und schutzwürdige Zeugen können kontradiktorisch einvernommen werden anstatt im Hauptverfahren aussagen zu müssen. Selbst der Angeklagte darf bei Zeugenvernehmungen ausnahmsweise hinausgeführt werden.
Suggestivfragen sind „Fragen, in denen dem Befragten Tatumstände vorgehalten werden, die erst durch seine Antwort festgestellt werden sollen oder wodurch dem Befragten die zu erforschenden Personen oder Sachen durch leicht erkennbare Merkmale bezeichnet werden“. Sie dürfen aber nur gestellt werden, „wenn dies zum Verständnis des Zusammenhangs erforderlich ist“ Der OGH hält dazu fest: „Grundsätzlich zeigt die Vernehmungsrealität, dass es fast unmöglich ist, ohne Suggestivfragen auszukommen, wenn man in einer allgemein verständlichen Weise fragen will.“
Die Abgrenzung von Suggestiv- und Fangfrage, der sogenannten Kaptativfrage, ist schwer. In gewisser Weise stellt die laut OGH unzulässige Fangfrage die verschärfte Form der Suggestivfrage dar. Sie stellt dem Befragten bewusst eine Falle, in die er tappen soll indem er sich verplappert.
Gar nicht erst vernommen werden dürfen Geistliche über Angelegenheiten, die dem Beichtgeheimnis unterliegen, Beamte über Dinge, die dem Amtsgeheimnis unterliegen – wenn sie davon nicht entbunden wurden –, Personen, die Zugang zu klassifizierten Informationen des Parlaments haben und Menschen, die aufgrund ihrer Behinderung oder ihres psychischen Zustandes nicht die Wahrheit sagen können.
Als Zeugen sind Angehörige des Angeklagten und besonders schutzwürdige Opfer, die bereits kontradiktorisch einvernommen wurden (siehe im Anschluss) von der Aussage befreit. Das Recht auf Aussageverweigerung haben Personen die ansonsten sich oder einen Angehörigen belasten würden. Verteidiger, Rechtsanwälte, Notare, Treuhänder, Psychiater, Psychologen, Psychotherapeuten Bewährungshelfer und weitere Berufsgruppen mit besonderem Vertrauensschutz dürfen die Aussage darüber verweigern, was sie im Rahmen ihrer Berufsausübung erfahren.
Medieninhaber und -mitarbeiter wiederum dürfen die Aussage über Informationen verweigern, die die „Person des Verfassers, Einsenders oder Gewährsmannes von Beiträgen und Unterlagen“ betreffen. Wahlberechtigte schließlich dürfen die Aussage über ihr Wahlverhalten verweigern.
Kann der Zeuge nicht erscheinen, kann er auch per Videoschaltung einvernommen werden. Im Ausland kann das auch über Rechtshilfe durch ein örtliches Gericht geschehen.
Das ist vor allem bei Sexualstraftaten die Regel, im Fall von Minderjährigen sogar vorgeschrieben. Die Einvernahme wird vom Gericht, bei besonders schutzwürdigen Opfern auch durch Sachverständige, zum Beispiel Psychologen, durchgeführt. Anklage, Beschuldigter und Verteidigung können Fragen über technische Hilfsmittel stellen.
Der Vorsitzende muss ihn aber, bei sonstiger Nichtigkeit, im Nachhinein über alles in seiner Abwesenheit Verhandelte informieren.
Die Fragen stellen der Vorsitzende und gegebenenfalls die übrigen Berufsrichter, Schöffen oder Geschworenen sowie Anklage, Verteidigung, Opfervertreter, Privatbeteiligte und weitere Beteiligte. Der Vorsitzende kann unzulässige und unangemessene Fragen zurückweisen.
Am Ende des Beweisverfahrens erhält zunächst der Ankläger das Wort, schließlich haben der Angeklagte und sein Verteidiger das Recht auf die sogenannte Schlussrede.
Normalerweise befassen sich die Schlussvorträge mit allen relevanten Rechtsfragen, das Gericht kann aber über einzelne Fragen – wie die Schuldfrage, Privatansprüche und die Frage der Prozesskosten – getrennt beraten und daher getrennte Schlussplädoyers anordnen.
Nach den Schlussreden zieht sich das Gericht zur Beratung zurück, zumindest wenn es etwas zu beraten gibt. Da die überwiegende Zahl der Strafsachen am Bezirks- oder Landesgericht von einem Einzelrichter verhandelt wird, berät er sich mit niemandem außer sich selbst – und das meist vorab.
Bei vielen Delikten wird mehr oder weniger das Ermittlungsverfahren vor Gericht aktenmäßig nachvollzogen. Wiederholen die Zeugen ihre Aussagen, die sie bereits bei der Polizei gemacht haben und taucht auch sonst in der Hauptverhandlung kein neuer Aspekt auf, entscheidet der Richter anhand des von ihm vorbereiteten Akts. Es gilt jedoch in jedem Fall das Unmittelbarkeitsprinzip. Das heißt, der Richter darf nur Beweise, die in der Hauptverhandlung vorgekommen sind, verwerten.
Bei Verfahren vor Schöffen- und Geschworenengerichten ist die Urteilsfindung komplexer. Schöffen und Berufsrichter entscheiden gemeinsam über Schuld und Strafe. Geschworene treffen die Entscheidung über die Schuldfrage alleine. Geschworenenprozesse sind bei „mit schweren Strafen bedrohten Verbrechen, die das Gesetz zu bezeichnen hat, sowie bei allen politischen Verbrechen und Vergehen“ verfassungsrechtlich vorgeschrieben.
Bei der Urteilsfindung wird dasselbe Fallprüfungsschema verwendet, das Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft verwendet und Letztere zur Anklage bewogen hat. Am Ende des Hauptverfahrens verkündet der Vorsitzende öffentlich das Urteil über Schuld und Strafe.
Dem folgt, außer beim Geschworenengericht, eine Begründung. Abschließend wird der Angeklagte über die ihm zustehenden Rechtsmittel belehrt. Das Urteil ist ab Verkündung wirksam. Innerhalb von drei Tagen können Rechtsmittel angemeldet werden. Innerhalb von vier Wochen ist das Urteil schriftlich auszufertigen.
Freiheitsstrafen sind die bekanntesten aber nicht die einzigen Sanktionsmöglichkeiten, die Gerichten zur Verfügung stehen. Wesentlich häufiger sind Geldstrafen und Diversionen, auch wenn letztere formal nicht zu den Strafen zählen.
Die Gerichte haben bei der Strafbemessung eine ganze Palette an Gründen abzuwägen und Maßnahmen zu erwägen, wenn sie Angeklagte nicht freisprechen oder ihnen während der Hauptverhandlung eine Diversion anbieten. Es gilt spezial- und generalpräventive Gesichtspunkte abzuwägen, Milderungs- und Erschwerungsgründe anzurechnen sowie bedingte, teilbedingte und unbedingte Geld- und Haftstrafen zu prüfen. Zusätzlich ist über einen etwaigen Ausschluss vom Wahlrecht oder über die Unzulässigkeit einer Fußfessel zu befinden.
Geldstrafen werden nach Tagessätzen bemessen, die die Einkommenssituation des Schuldigen berücksichtigen. Ein Tagsatz beträgt mindestens vier und höchstens 5.000 Euro. Können Geldstrafen nicht bezahlt werden, sind Ersatzfreiheitsstrafen zu verbüßen. Die Betroffenen können stattdessen aber auch gemeinnützige Arbeit leisten.
2016 nahm der Bund aus allgemeinen Geldstrafen und Geldstrafen aus Strafverfahren 19,8 Millionen Euro ein, aus Geldbußen 21,1 Millionen – worin diversionelle Bußgelder und ein einziges Kartellverfahren mit 10,2 Millionen Euro enthalten sind. Darüber hinaus werden Mittel, die aus kriminellen Machenschaften stammen, abgeschöpft. Abschöpfungen, Strafen und Bußen werden zum Bundesschatz eingezogen.
Die Spezialprävention zielt darauf ab, durch Strafe die weitere Straffälligkeit des Täters zu vermeiden. Die generalpräventive Wirkung einer Strafe soll hingegen die Allgemeinheit von der Begehung von Straftaten abhalten. „Generalpräventive Erwägungen sind im Jugendstrafrecht zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, aber auf besonders gelagerte Ausnahmefälle beschränkt, in denen eine Bedachtnahme auf Belange der Generalprävention aus besonderen Gründen unerlässlich erscheint.“
Zu den besonderen Milderungsgründen, die bei der Strafzumessung zu berücksichtigen sind, gehören die Jugendlichkeit des Täters, seine bisherige Unbescholtenheit, achtenswerte Beweggründe, eine Begehung unter Druck von Dritten, eine Tat aus Unbesonnenheit, es beim Versuch geblieben ist oder er aus einer Notlage oder einer verlockenden Gelegenheit gehandelt hat.
Besondere Erschwernisgründe sind unter anderem viele Straftaten derselben Art, wenn der Täter schon einmal aufgrund derselben Neigung verurteilt wurde, andere verführt hat, heimtückisch, grausam oder in einer für das Opfer qualvollen Weise gehandelt oder dessen Hilflosigkeit ausgenützt hat.
Die frühere österreichische Praxis, mit unbedingten Freiheitsstrafen auch den Ausschluss vom Wahlrecht zu erklären, war aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte nicht mehr länger haltbar.
Seitdem wird vom Wahlrecht ausgeschlossen, wer eine Straftat begeht, mit der er sich in besonderen Widerspruch zum Staat und zur demokratischen Ordnung setzt und deswegen zu mindestens einem Jahr unbedingter Haft verurteilt wird. Dazu gehören beispielsweise Verbrechen nach dem Verbotsgesetz, strafbare Handlungen gegen Wahlen oder Tatbestände des Landesverrats. Bei allen anderen Verurteilungen muss die unbedingte Freiheitsstrafe mindestens fünf Jahre betragen. Der Ausschluss vom Wahlrecht beginnt mit dem Ausspruch des Urteils und endet, sobald die Strafe vollstreckt ist.
Die Minderheit der Schuldsprüche endet mit unmittelbaren Konsequenzen für den Verurteilten. Von 20.637 Freiheitsstrafen, die 2016 verhängt wurden, wurden 10.876 bedingt nachgesehen. Das Gericht kann bei bedingten oder teilbedingten Schuldsprüchen Bewährungshilfe anordnen, was zuletzt in etwa 15 Prozent dieser Verurteilungen der Fall war.
Geht das Gericht davon aus, dass die bloße Androhung der Haft als abschreckendes Mittel genügt, verzichtet es unter Auflagen auf die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren. Zu solchen Auflagen zählen eine ein- bis dreijährige Probezeit und Bewährungshilfe.
Bei einer teilbedingten Strafnachsicht wird entweder eine Haft in eine Geldstrafe umgewandelt, eine Geldstrafe zu höchstens drei Vierteln erlassen oder der Teil einer Haftstrafe zwischen zwei und drei Jahren unter denselben Auflagen wie bei der bedingten Strafnachsicht ausgesetzt.
Es gehört zum guten Ton öffentlichkeitswirksamer Prozesse, dass die Verteidiger noch im Gerichtssaal Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung anmelden, während die Staatsanwälte oft keine Erklärung abgeben. Letztere vertreten im Hauptverfahren manchmal nur den Kollegen, der den Akt bearbeitet hat oder wollen mit ihren Vorgesetzten zunächst Rücksprache über die weitere Vorgehensweise halten.
In Ausnahmefällen ist es für die Staatsanwaltschaft angezeigt, noch im Gerichtssaal Nichtigkeitsbeschwerde anzumelden. Nämlich dann, wenn der Angeklagte enthaftet werden soll. Nur die sofortige Reaktion der Staatsanwaltschaft kann trotz Freispruch die Untersuchungshaft verlängern, aber auch nur, wenn Fluchtgefahr besteht. Enthaftet das Gericht den Angeklagten trotzdem, kann die Staatsanwaltschaft dagegen nichts tun.
Für den Angeklagten hat die Nichtigkeitsbeschwerde jedenfalls aufschiebende Wirkung. Spätestens vier Wochen nachdem die Abschrift des Urteils zugestellt wurde, muss sie begründet werden. Hatte das Verfahren einen extremen Umfang, muss das Landesgericht diese Frist verlängern.
Aber was bedeutet Nichtigkeit konkret? Ist ein Hauptverfahren nichtig, muss es zur Gänze neu aufgerollt werden. Über die Frage entscheidet der Oberste Gerichtshof nach Anhörung der Generalprokuratur.
Die StPO kennt verschiedene Nichtigkeitsgründe. Beispiele sind die falsche Besetzung des Gerichts, ein fehlender Verteidiger, die Befangenheit von Dolmetschern, Sachverständigen, Berufs- oder Laienrichtern, wenn im Prozess verwendete Beweismittel nicht rechtskonform beschafft wurden, die Amtsverschwiegenheit von Geistlichen umgangen wurde, Anträge nicht behandelt wurden oder ohne Hinweis Zeugen vernommen wurden, die sich hätten entschlagen können.
Die Generalprokuratur besteht aus dem Generalprokurator und mehreren Generalanwälten. Sie sind wie die Staatsanwälte dem Bundesminister für Justiz gegenüber weisungsgebunden, aber im Gegensatz zu diesen keine Ankläger. Die Generalprokuratur nimmt am Obersten Gerichtshof vielmehr eine Begutachtungs- und Beratungsfunktion, vergleichbar dem Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof, wahr.
Sie „vertritt die Interessen des Staates in der Rechtspflege“. Eine ihrer wichtigsten Aufgaben ist die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes (siehe dazu weiter unten). Daneben ist sie bei Zuständigkeitsfragen unter den Staatsanwaltschaften zur Letztentscheidung berufen. Von der Generalprokuratur ist die Finanzprokuratur, die Rechtsvertreterin der Republik in Zivilsachen, zu unterscheiden.
Während sich die Nichtigkeitsbeschwerde vorwiegend auf Formalfehler bezieht, die die Hauptverhandlung als Ganzes nichtig machen, zielt die Berufung grundsätzlich auf Bewertungs- und Erwägungsfehler des Gerichtes ab. Ist die Strafe im Licht der bisherigen Rechtsprechung unverhältnismäßig hoch oder niedrig? Hat der Richter einen wesentlichen Aspekt nicht beachtet oder in seiner Beweiswürdigung falsch gewichtet? Solche Fehler können in einer Berufung geltend gemacht werden.
Für Schöffen- und Geschworenengerichte gilt: „Die Berufung kann nur gegen den Ausspruch über die Strafe und gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche ergriffen werden.“ Sie zielt also nicht auf die Aufhebung und Wiederholung des ganzen Hauptverfahrens, sondern nur auf die Verbesserung des Urteils ab. Für die Anmeldung der Berufung gelten die Fristen der Nichtigkeitsbeschwerde.
Eine Ausnahme ist die Berufung gegen Urteile des Bezirksgerichtes oder des Einzelrichters am Landesgericht. Hier können gleichzeitig auch Nichtigkeitsgründe geltend gemacht werden. Berufungen wegen Nichtigkeit zugunsten des Angeklagten sind auch gleichzeitig Berufungen gegen Schuld und Strafe.
Über die Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichts entscheidet das Landesgericht. Hat das Landesgericht selbst das Urteil gefällt, entscheidet das Oberlandesgericht. Wird aber gleichzeitig Nichtigkeitsbeschwerde erhoben, entscheidet der Oberste Gerichtshof auch über die Berufung. Beruft nur einer von mehreren Schuldigen, profitieren trotzdem alle von einer etwaigen Herabsetzung der Strafe. Beruft nur der Schuldige, nicht aber die Anklage, kann das Rechtsmittelgericht keine höhere Strafe verhängen als die erste Instanz. Es besteht ein sogenanntes Verschlechterungsverbot.
Gegen Entscheidungen des Landesgerichtes sind in diesen Fällen weitere Rechtsmittel nicht zulässig.
Berufungen gegen Urteile von Geschworenengerichten werden immer wieder als schwierig kritisiert, weil die Geschworenen ihren Wahrspruch nur sehr eingeschränkt und nicht im schriftlichen Urteil begründen und die Urteilsbegründung aber einen wesentlichen Ausgangspunkt für die Berufung darstellt.
Zudem muss der OGH auch bei Vorliegen von Nichtigkeitsgründen das Urteil des Geschworenengerichts nicht in jedem Fall aufheben, sondern kann die Nachbesserung verlangen, wenn beispielsweise darauf vergessen wurde, die genaue Tathandlung zu beschreiben, die zum Schuldspruch geführt hat.
Es würde der Komplexität der Strafprozessordnung nicht gerecht, wenn ein Urteil, nachdem es rechtskräftig ist, auch tatsächlich unanfechtbar wäre. Wenn neue Fakten auftauchen, kann beispielsweise die Wiederaufnahme beantragt werden, über die der Oberste Gerichtshof entscheidet.
Zudem kann ein Betroffener „in den vorigen Stand“ wiedereingesetzt werden, also Rechtsmittel trotz bereits abgelaufener Fristen einlegen – zum Beispiel wenn er durch höhere Gewalt daran gehindert wurde oder ihm eine Kanzleimitarbeiterin erzählt hat, er könne auch per E-Mail Berufung anmelden.
Stellt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte aufgrund eines Urteils eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention fest, ist das Urteil auf Antrag hin zu erneuern.
Ist darüber hinaus etwas völlig schiefgelaufen, kann die Generalprokuratur eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes erheben. In dem Fall kann der OGH auf ihre Empfehlung hin auch schon rechtskräftige Entscheidungen, von der Anklage bis zum Urteil, kassieren.
Als Restbestand monarchischer Vollmachten liegt das Begnadigungsrecht beim Bundespräsidenten. Er kann auch laufende Verfahren niederschlagen, was jedoch selten vorkommt. Entsprechende Anträge sind in jedem Fall an den Justizminister zu richten, der über die Weiterleitung an den Bundespräsidenten entscheidet.
Haftentlassungen aufgrund von Begnadigungen wurden 2016 insgesamt 45-mal verfügt. Der Anteil der Gnadenakte an den Entlassungen machte 2016 gerade einmal 0,53 Prozent aus. In anderen Fällen hat das Staatsoberhaupt die Auskunft aus dem Strafregister gnadenhalber eingeschränkt. Amnestien, mit denen Strafen für mehrere Personen nachgesehen oder getilgt werden, müssen vom Nationalrat beschlossen werden.
Ist die Strafe verbüßt, scheint sie – je nach Schwere – drei bis 15 Jahre im Strafregister auf. Bei Sexualstraftätern kann die Tilgungsfrist um die Hälfte verlängert oder sogar verdoppelt werden. Wird er jedoch zu einer Freiheitsstrafe von über fünf Jahren verurteilt, wird die Vorstrafe nie getilgt. Gleiches gilt für lebenslange Freiheitsstrafen.
Mit der Haftentlassung endet ein aufwühlendes Kapitel im Leben des Verurteilten, das mit dem Ermittlungsverfahren begann. Allerdings kommt es nur bei wenigen überhaupt so weit. Von den eingangs erwähnten 515.406 Anzeigen bleiben am Ende 63.474 Anklagen, davon 30.996 Verurteilungen und davon letztlich 7.356 unbedingte Geld- und 6.014 unbedingte Freiheitsstrafen übrig, von denen etwa 43 Prozent voll abgesessen werden.
Das Ende des Kapitels ist aber nicht für alle Verurteilten das Ende ihrer Geschichte mit dem Strafrecht. Ein Drittel wird innerhalb von vier Jahren erneut rechtskräftig verurteilt.
Die Behörde darf niemanden verfolgen, der Immunität genießt. Dazu zählen neben dem Bundespräsidenten vor allem Abgeordnete zum Nationalrat und zu den Landtagen sowie ausländische Diplomaten. Die Strafverfolgung immunisierter Politiker bedarf der Zustimmung des Nationalrates, der Landtage oder – im Fall des Bundespräsidenten – der Bundesversammlung. Nationalratsabgeordnete können Ermittlungen gegen sie selbst aber auch von sich aus zustimmen, was den Vorteil hat, dass das Verfahren dadurch zunächst nicht öffentlich wird. Muss die Immunität hingegen aufgehoben werden, stimmt der zuständige Vertretungskörper in der Regel zu, wobei es auch Ausnahmen gibt.
Bei Privatanklage- und Ermächtigungsdelikten kann nur das Opfer selbst als Ankläger auftreten oder muss seine Zustimmung zur Strafverfolgung geben. Das gängigste Privatanklagedelikt ist die üble Nachrede, Beispiele für Ermächtigungsdelikte sind die Beleidigung des Bundespräsidenten und bestimmte Fälle der sexuellen Belästigung.
Bei unmündigen Verdächtigen wird zwar seit einigen Jahren formal ermittelt, um die Taten statistisch zu erfassen und aufzuklären, die Verfahren werden jedoch eingestellt. Wer zur Tatzeit das 14. Lebensjahr nicht vollendet hat, wird strafrechtlich nicht verfolgt.
Bei Diversionen verzichtet die Staatsanwaltschaft auf die weitere Strafverfolgung, obwohl sie eine Verurteilung für wahrscheinlich hält. Der Beschuldigte muss im Gegenzug für die Folgen der Tat einstehen, indem er entweder eine Geldzahlung, einen Tatausgleich oder gemeinnützige Arbeit leistet oder eine Probezeit besteht, ohne sich erneut etwas zuschulden kommen zu lassen. In einigen Fällen kann ein Pauschalkostenbeitrag von bis zu 250 Euro hinzukommen. Dafür wird er formal nicht verurteilt und ist nicht vorbestraft.
Ursprünglich aus dem Jugendstrafrecht stammend, wurde die Diversion später auf Erwachsene ausgedehnt. Sie kann bei kleineren Delikten angeboten werden. Der Beschuldigte vermeidet so einen öffentlichen Prozess, eine Vorstrafe und die damit einhergehende soziale Stigmatisierung. Er ist allerdings nicht verpflichtet, das Angebot der Staatsanwaltschaft anzunehmen.
Im Hauptverfahren kann auch noch das Gericht dem Angeklagten eine diversionelle Erledigung anbieten. Ihre Zahl hat in den vergangenen Jahren insgesamt immer weiter zugenommen. Der Staat hat durch diversionelle Geldzahlungen in den vergangenen Jahren im Schnitt knapp acht bis neun Millionen Euro eingenommen.
Die umgangssprachlich sogenannte Hausdurchsuchung kennt die Strafprozessordnung als „Durchsuchung von Orten und Gegenständen“. Einige davon sind durch das verfassungsmäßig gewährleistete Hausrecht geschützt. Dazu gehören Wohnungen, Betriebsstätten, Kellerabteile und Nebengebäude. Hier ist, außer bei Gefahr im Verzug, nur eine richterlich genehmigte und von der Staatsanwaltschaft angeordnete Durchsuchung zulässig. Bei Hausdurchsuchungen darf der Betroffene anwesend sein. Bei Unternehmen muss ein Vertreter der Wirtschafts- oder einer anderen zuständigen Kammer beigezogen werden.
Fahrzeuge sind grundsätzlich vom Hausrecht nicht erfasst und können von der Kriminalpolizei selbstständig durchsucht werden. Gleiches gilt für die Perlustrierung von Personen, wobei die Untersuchung des Körpers an sich gerichtlich genehmigt werden muss und das Opfer einer Straftat niemals zu einer solchen Untersuchung gezwungen werden darf. „Aufsehen, Belästigungen und Störungen“ sind dabei „auf das unvermeidbare Maß zu beschränken“. Das ist beispielsweise nicht der Fall, wenn vorab die Presse informiert wird.
Wenn „die von der Sicherstellung betroffene oder anwesende Person, auch wenn sie selbst der Tat beschuldigt ist, der Sicherstellung von schriftlichen Aufzeichnungen oder Datenträgern unter Berufung auf ein gesetzlich anerkanntes Recht auf Verschwiegenheit“ widerspricht, müssen die Akten bis zur gerichtlichen Klärung versiegelt werden. Von diesem Recht auf Vertraulichkeit sind meist Anwälte betroffen. Die Staatsanwaltschaft soll eine Versiegelung der beim Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung beschlagnahmten Akten jedoch abgelehnt haben.
Beim Schöffengericht entscheiden im Strafverfahren Berufsrichter und Laienrichter (Schöffen) gemeinsam über Schuld und Strafausmaß. Es ist für Straftaten zuständig, „die mit einer fünf Jahre übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind“. Hinzu kommen einige weitere Delikte wie Tötung auf Verlangen, räuberischer Diebstahl und sexuelle Nötigung.
In den meisten Fällen setzt es sich aus einem Berufsrichter, der als Vorsitzender fungiert, und zwei Schöffen zusammen. Bei schwereren Delikten wie Totschlag, schwerem Raub oder Vergewaltigung kommt ein zweiter Berufsrichter hinzu. Die Staatsanwaltschaft kann aber auch unabhängig davon beantragen, das Schöffengericht verstärkt zu besetzen. Bei längeren Prozessen sind zusätzlich Ersatzschöffen zu laden, die aber nur mitstimmen, wenn einer der Schöffen ausfällt. Bei Sexualstrafsachen muss mindestens ein Berufs- oder Laienrichter dem Geschlecht des Opfers und einer dem des Angeklagten angehören. Bei Jugendstrafsachen muss zumindest ein Schöffe Lehrer, Erzieher oder Jugendbetreuer gewesen sein und ebenso ein Richter dem Geschlecht des Angeklagten angehören.
Schöffe zu sein ist, wie bei Geschworenen, ein Ehrenamt und allgemeine Bürgerpflicht. Der Auswahlprozess ist komplex. Die Laienrichter sind zwischen 25 und 65 Jahre alt. Vom Amt ausgeschlossen sind Personen, die geistig oder körperlich dazu nicht in der Lage oder laut Strafregisterauszug vorbestraft sind oder gegen die ein Verfahren anhängig ist. Daneben können gewisse Amts- und Mandatsträger vom Bundespräsidenten abwärts, Geistliche, Richter, Staatsanwälte, Rechtsanwälte, Verteidiger, Notare und Anwärter auf diese Berufe, Bewährungshelfer, Polizisten und andere Mitarbeiter des Innen- oder Justizministeriums sowie österreichische Staatsbürger ohne Wohnsitz im Inland nicht Schöffen oder Geschworene sein.
Bei der Abstimmung über das Urteil stimmt der Vorsitzende zuletzt. Das Gericht entscheidet mit Stimmenmehrheit. Bei Stimmengleichheit gilt das für den Angeklagten günstigere Ergebnis. Besteht das Schöffengericht aus nur drei Richtern, können die Schöffen den Berufsrichter nicht überstimmen, wenn es um einen Schuldspruch oder eine strengere Strafe geht. Die beiden Laienrichter können den Angeklagten aber gegen den Willen des Vorsitzenden freisprechen oder eine mildere Strafe beschließen, als er vorgeschlagen hat.
Alle zwei Jahre müssen in Wien ein Prozent, in jeder andere Gemeinde 0,5 Prozent, der in der Wählerevidenz enthaltenen Personen, die nicht nach den genannten Kriterien vom Schöffen- und Geschworenenamt ausgeschlossen sind, nach dem Zufallsprinzip ermittelt werden. Das Auswahlverfahren ist öffentlich und von der Gemeinde bekanntzugeben. „Der Bürgermeister hat ein fortlaufend numeriertes (sic!), alphabetisch geordnetes Verzeichnis der ausgelosten Personen in einem allgemein zugänglichen Raum der Gemeinde mindestens acht Tage lang zur öffentlichen Einsicht aufzulegen.“
Jeder kann gegen Eintragungen in das Verzeichnis Einspruch erheben. Darin aufscheinende Personen werden aber nicht automatisch verständigt. Das Verzeichnis ist dann der Bezirkshauptmannschaft zu übermitteln, die die Listen überprüft und etwaig Vorbestrafte streicht. In Statutarstädten obliegt das dem Bürgermeister. Der Präsident des Landesgerichtes lost dann grob gesagt nochmals Personen aus den Listen aus und bildet daraus Haupt- und Ergänzungslisten. Daraus werden schließlich der Reihe nach Personen für den Dienst als Schöffen oder Geschworene geladen. Der ganze Vorgang wird durch ein eigenes Bundesgesetz und eine Verordnung des Justizministers geregelt.
Das Geschworenengericht besteht aus drei Berufsrichtern, dem sogenannten Schwurgerichtshof, und der Geschworenenbank mit acht Geschworenen. Üblicherweise werden Ersatzgeschworene geladen, die einspringen können, falls einer der acht ausfällt. Bei Jugendstrafsachen müssen mindestens zwei Geschworene dem Geschlecht des Angeklagten angehören und vier Geschworene „im Lehrberuf, als Erzieher oder in der öffentlichen oder privaten Kinder- und Jugendhilfe oder Jugendbetreuung tätige oder tätig gewesene Personen“ sein. Bei Sexualstrafsachen müssen mindestens zwei Geschworene dem Geschlecht des Opfers und des Angeklagten angehören. Die Auswahl erfolgt wie bei den Schöffen.
Das Geschworenengericht ist für Delikte zuständig, die mit Freiheitsstrafen bedroht sind, „deren Untergrenze mehr als fünf Jahre und deren Obergrenze mehr als zehn Jahre beträgt“.
Früher machten Raubüberfälle den Großteil der Geschworenenprozesse aus, nachdem das Delikt per Budgetbegleitgesetz in die Zuständigkeit der Schöffengerichte übertragen wurde, sank die Zahl der geschworenengerichtlichen Verfahren deutlich. Mittlerweile werden nur noch ein Prozent der Fälle, für die das Landesgericht zuständig ist, vor Geschworenengerichten verhandelt. Da es sich aber häufig um aufsehenerregende Prozesse handelt, ist das geschworenengerichtliche Verfahren in der Öffentlichkeit unverhältnismäßig präsent.
Die Geschworenen entscheiden über Schuld und Unschuld des Angeklagten und zwar alleine, ohne inhaltliche Beratung durch die Berufsrichter. Den Geschworenen wird dafür ein Fragenkatalog vorgelegt, den sie abarbeiten. Das Ergebnis ist der sogenannte Wahrspruch. Ist dieser „undeutlich, unvollständig oder in sich widersprechend“, tragen die Berufsrichter den Geschorenen dessen Verbesserung auf.
Finden die Berufsrichter einstimmig, dass „sich die Geschworenen bei ihrem Ausspruch in der Hauptsache geirrt haben“, können sie deren Urteil aussetzen. Dann entscheidet der Oberste Gerichtshof, ob die Geschworenen Recht behalten oder – was die Regel ist – das Hauptverfahren vor einem neuen Geschworenengericht wiederholt werden muss. Eine erneute Aussetzung des Wahrspruchs ist dann jedoch nicht mehr möglich, wenn die Geschworenen im zweiten Anlauf zum selben Schluss kommen wie beim ersten Mal.
Der Wahrspruch der Geschworenen ist die Grundlage für das Urteil des Schwurgerichtshofes. Berufs- und Laienrichter beraten gemeinsam über die Strafhöhe, wobei dieselben Regeln wie beim Schöffengericht gelten. Gegen die Stimme des Vorsitzenden kann also keine strengere Strafe verhängt werden.
Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte gehen bei der Prüfung von Taten nach einem bestimmten Fallprüfungsschema vor.
Tatbestand
Ist die Tat überhaupt strafbar? Als Erstes wird überprüft, ob die Handlung des Beschuldigten oder Angeklagten überhaupt einen gesetzlich festgeschriebenen Tatbestand erfüllt. Liegt ein Versuch vor, oder wurde die Tat vollendet? Ist der Versuch strafbar, oder musste der Erfolg eintreten? Ist er noch rechtzeitig vom Versuch zurückgetreten, oder hat er tätige Reue geleistet? Gibt es einen oder mehrere Täter? Gibt es Beitragstäter – wie zum Beispiel jemanden, der bei der Tat selbst nicht dabei war, aber darüber Bescheid wusste und Waffen besorgt hat?
Ist diese äußere Tatseite geklärt, wird die innere Tatseite überprüft: Hatte der Täter einen Vorsatz oder hat er fahrlässig gehandelt? Ist die Fahrlässigkeit strafbar? Ist ihm diese Fahrlässigkeit vorzuwerfen? Manche Tatbestände, wie der Missbrauch der Amtsgewalt, erfordern außerdem nicht nur Vorsatz, sondern auch Absichtlichkeit oder Wissentlichkeit. Der Täter muss also, anders als sonst, um die Strafbarkeit seiner Handlung wissen, um strafbar zu handeln oder absichtlich gegen das Gesetz verstoßen.
War die Tathandlung überhaupt tauglich? Hier ist zu prüfen, ob die Tat überhaupt möglich war. Hat der Täter beispielsweise geglaubt, er könne sein Opfer „totbeten“ oder mit kosmischen Strahlen vergiften?
Vorsätzlich handelt, wer eine gesetzlich strafbare Handlung verwirklichen will. Ob der Täter vorsätzlich gehandelt hat, weiß im Grunde niemand außer er selbst. Ermittlungsbehörden und Gerichte sind auf Beweise, Zeugenaussagen und Tatumstände angewiesen, um das Tatmotiv zu klären.
„Fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt außer acht läßt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten ist, und deshalb nicht erkennt, daß er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht.“
Nicht alle Rechtsgüter, deren vorsätzliche Beeinträchtigung strafbar ist, sind auch durch Fahrlässigkeitsdelikte geschützt: Es gibt die Tatbestände der fahrlässigen Tötung und Körperverletzung, aber nicht den der fahrlässigen Sachbeschädigung.
An der Grenze zwischen Fahrlässigkeit und Vorsatz liegt der Eventualvorsatz. Dahinter steht eine Geisteshaltung nach dem Motto „Wenn jetzt einer stirbt, ist es mir auch recht“. Wenn jemand also eine Tat zwar nicht unbedingt verwirklichen will, aber ihre „Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet“, handelt er trotzdem aus Vorsatz.
Beim Fahrlässigkeitsdelikt muss der Risikozusammenhang – wurde gegen die gesetzlich gebotene Sorgfalt verstoßen? – sowie der sogenannte Adäquanzzusammenhang überprüft werden: War die Folge der Tat nach allgemeiner Lebenserfahrung irgendwie erwartbar?
Wenn jemand betrunken (Risikozusammenhang) mit dem Auto fährt, ist es nicht undenkbar (Adäquanzzusammenhang), dass er dabei jemanden überfährt und tötet. Liest jemand im Garten die Zeitung, und der Wind weht einen Teil davon auf eine entfernte Autobahn, wo sie die Windschutzscheibe eines Vorbeifahrenden verdeckt, der daraufhin einen tödlichen Unfall verursacht, ist das Verhalten zwar kausal für den Tod, kann dem Zeitungsleser aber nicht vorgeworfen werden. Weder ist er ein gefährliches Risiko eingegangen noch war die Folge seines Handelns irgendwie absehbar.
Rechtswidrigkeit
Jemand kann tatbestandsmäßig handeln ohne rechtswidrig zu handeln. Das ist dann der Fall, wenn Rechtfertigungsgründe vorliegen. Wer einen anderen verletzt, um ihn von einem Mord abzuhalten, verwirklicht zwar den Tatbestand der Körperverletzung, handelt aber aus Nothilfe – wenn es ihn selbst betrifft, aus Notwehr. Seine Handlung war daher nicht rechtswidrig.
Beispiele für weitere Rechtfertigungsgründe sind die Fristenlösung beim an sich strafbaren Schwangerschaftsabbruch, die Einwilligung zur Operation durch einen Arzt oder der rechtfertigende Notstand – wenn beispielsweise jemand ein Auto stiehlt, um sein schwerverletztes Kind ins Spital zu bringen.
Schuld
Zuletzt muss geklärt werden, ob der Beschuldigte oder Angeklagte schuldhaft gehandelt hat. War er zur Tatzeit zurechnungsfähig? Hat er überhaupt ein Unrechtsbewusstsein? „Wer das Unrecht der Tat wegen eines Rechtsirrtums nicht erkennt, handelt nicht schuldhaft, wenn ihm der Irrtum nicht vorzuwerfen ist.“ Lag ein entschuldigender Notstand vor? War bei einer fahrlässigen Tat ein anderes Handeln zumutbar?
Hat der Beschuldigte tatbestandsmäßig, rechtswidrig und schuldhaft gehandelt, erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage. Kommt das Gericht zum selben Schluss, spricht es ihn schuldig.
Ein entschuldigender Notstand liegt beispielsweise vor, wenn zwei Personen von einer Schlange gebissen werden, aber nur Gegengift für eine da ist und diese sich dessen bemächtigt, um ihr Leben zu retten. Der Nachteil für den anderen darf aber nicht unverhältnismäßig schwerer wiegen als für den Täter.
„Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um einen unmittelbar drohenden bedeutenden Nachteil von sich oder einem anderen abzuwenden, ist entschuldigt, wenn der aus der Tat drohende Schaden nicht unverhältnismäßig schwerer wiegt als der Nachteil, den sie abwenden soll, und in der Lage des Täters von einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen kein anderes Verhalten zu erwarten war.“
Wer „ohne zurechnungsunfähig zu sein, unter dem Einfluß seiner geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad eine Tat begeht, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist“, kann in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher untergebracht werden. Voraussetzung ist, dass zu befürchten steht, dass er ansonsten „eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen begehen werde“. 2015 waren 375 Personen aus diesen Gründen im sogenannten Maßnahmenvollzug untergebracht.
Auch zurechnungsfähige Täter können im Anschluss an ihre Strafe untergebracht werden, wenn sie die Tat unter Einfluss ihrer „geistigen oder seelischen Abartigkeit“ begangen haben. Die Zahl dieser Unterbringungen belief sich 2015 auf 404.
Im Jahr 2016 hat die Staatsanwaltschaft 238 Anträge auf Unterbringungen in Anstalten für geistig abnorme Rechtsbrecher gestellt. Das Unterbringungsverfahren läuft grundsätzlich wie ein Strafverfahren ab, nur dass am Ende vom zuständigen Gericht nicht die Schuld festgestellt, sondern die Unterbringung beschlossen wird. Eine Unterbringung kann länger dauern als die Höchststrafe für die Tat, die für die Unterbringung ursächlich war. Sie wird regelmäßig überprüft. Die Qualität der Überprüfungen steht aber in der Kritik.
Die ebenfalls mögliche Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher ist durch die Möglichkeit zur Therapie statt Strafe fast bedeutungslos geworden. 2015 gab es nur noch zwölf nach dieser Bestimmung Untergebrachte. Die Unterbringung in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter ist rechtlich noch möglich, wird mittlerweile aber nicht mehr angeordnet.
Die Untersuchungshaft ist keine Strafhaft. Sie wird nicht verhängt, um jemanden für ein bestimmtes Handeln oder Unterlassen zu tadeln, sondern um ihn davon abzuhalten, das Ermittlungsverfahren zu gefährden, indem er entweder flieht, „Zeugen, Sachverständige oder Mitbeschuldigte zu beeinflussen, Spuren der Tat zu beseitigen oder sonst die Ermittlung der Wahrheit zu erschweren“ versucht oder um ihn daran zu hindern, erneut straffällig zu werden.
Bei einer Strafandrohung von unter fünf Jahren und einem ordentlichen Wohnsitz im Inland kann von keiner Fluchtgefahr ausgegangen werden. Auch bei befürchteten weiteren Taten sind die Möglichkeiten für die Verhängung der Untersuchungshaft eingeschränkt. Es muss beispielsweise die Gefahr bestehen, dass der Beschuldigte schwere Straftaten gegen dasselbe Rechtsgut (zum Beispiel Leib und Leben oder Vermögen) richten könnte oder, wenn er bereits einmal wegen derselben Tat verurteilt wurde, nicht nur leichte Folgen haben.
Anstelle der Untersuchungshaft kann die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten Anordnungen erteilen. Zu diesen gelinderen Mitteln gehören unter anderem das Gelöbnis, nicht zu fliehen, die Ermittlungen nicht zu erschweren oder jeden Kontakt zum Opfer zu unterlassen, die Weisung, an einem bestimmten Ort zu wohnen oder einen Umzug zu melden, die Abnahme des Führerscheins, die Anordnung vorläufiger Bewährungshilfe, eine Entwöhnungstherapie oder eine Sicherstellung (Kaution). Alternativ kann die Untersuchungshaft auch als Hausarrest fortgesetzt werden.
Wird der Beschuldigte verhaftet, muss er unverzüglich dem Gericht vorgeführt werden. Dieses hat innerhalb von 48 Stunden über die Verhängung der Untersuchungshaft, gelindere Mittel oder die Freilassung zu entscheiden. Gegen einen Haftbeschluss kann der Beschuldigte Beschwerde beim Oberlandesgericht einlegen.
Die Gründe für die Untersuchungshaft sind nach 14 Tagen, dann wieder nach einem Monat und dann alle zwei Monate zu überprüfen, wenn der Häftling nicht darauf verzichtet. Wenn die Anklage eingebracht wurde, finden Haftprüfungen nur noch auf Antrag des Angeklagten statt.
Bei Verdunkelungsgefahr darf die Untersuchungshaft höchstens zwei Monate betragen. Ansonsten beträgt die Höchstdauer sechs Monate bei Vergehen und ein Jahr bei Verbrechen. Bei Verbrechen, die mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind, kann die Untersuchungshaft maximal zwei Jahre dauern. „Muss ein wegen Fristablaufs freigelassener Angeklagter zum Zweck der Durchführung der Hauptverhandlung neuerlich in Haft genommen werden, so darf dies jeweils höchstens für die Dauer von sechs weiteren Wochen geschehen.“
Der Untersuchungshäftling darf in Haft, anders als Strafgefangene, nicht zur Arbeit angehalten werden, kann sie jedoch freiwillig leisten.