Dies ist eine Geschichte aus dem Innenleben einer politischen Partei, die anders sein wollte als die anderen. Frischer, bürgernäher, unabhängiger, vor allem aber: transparenter. Bereits seit Beginn der Bewegung nennen die NEOS ihre Spender zumeist öffentlich, noch am 15. August des Vorjahres, zwei Monate vor der Nationalratswahl 2017, stellte Generalsekretär Nikola Donig der Presse einen „Neuneinhalb-Punkte-Plan“ vor. Titel: „Transparenz bei Parteienfinanzierung 365 Tage im Jahr.“
Im August 2017 ringen die NEOS intern um eine Position zur geplanten Olympia-Bewerbung. Tirols Bürger befinden am 15. Oktober nämlich nicht nur darüber, wer ins Parlament einzieht, sondern auch, ob sich ihr Bundesland für die Winterspiele 2026 bewerben soll. Die Bevölkerung ist bei so einer Frage ziemlich gespalten. Ist auch keine leichte Frage: Die olympische Bewegung zählt nicht unbedingt zu den gläsernen Sportverbänden, sie wurde in den letzten Jahren von so vielen Korruptionsaffären heimgesucht, dass selbst Wohlmeinende meinen, in Sachen Transparenz gebe es beim Internationalen Olympischen Komitee noch Luft nach oben.
Wie spielte sich nun der interne Ringe-Kampf um die Olympia-Position bei den NEOS ab?
Am 29. August 2017 ist NEOS-Chef Matthias Strolz noch unentschlossen. Er gibt der Tiroler Tageszeitung ein Interview. Eine Frage lautet:
Am 15. Oktober sollen die Tiroler wählen und auch über Olympia abstimmen. Sind Sie für oder gegen die Bewerbung Tirols?
Strolz: „Wir sind noch im Meinungsfindungsprozess. Ich persönlich meine, dass es eine Chance ist für Tirol und eine Chance für Olympia zur Redimensionierung. Ich finde es keck, dass es keine Bewerbung ist, sondern ein Angebot, das Tirol an das IOC macht.“
Der Meinungsfindungsprozess ging offensichtlich rasch vonstatten. Denn bereits am 4. September 2017, nur sechs Tage nach dem Strolz-Interview in der Tiroler Tageszeitung, laden NEOS in Innsbruck zu einer Pressekonferenz („Präsentation der Position von NEOS zur Olympiabewerbung 2026“) und sagen „Ja zu Olympia“.
Eineinhalb Wochen später, am 15. September 2017, geht bei „NEOS Bund“ eine Spende der Feratel AG in Höhe von 20.000 Euro ein. Vorstandsvorsitzender der Feratel ist Markus Schröcksnadel, erfolgreicher Wintersport-Unternehmer und Sohn des ÖSV-Präsidenten Peter Schröcksnadel. Er ist pro Olympia.
Am 18. September 2017, drei Tage nach dem Eingang der 20.000 Euro, veranstaltet „NEOS Lab“ im Austria Trend Hotel Congress Innsbruck ein Gespräch mit dem Titel „Olympia 2026: pro & contra“. Als Gast ist Markus Schröcksnadel, der Chef der Feratel AG, geladen. Markus Schröcksnadel bekleidet im Österreichischen Skiverband (ÖSV) eine Funktion. Was auffällt: Ein ausgewiesener Olympia-Gegner fehlt bei dem pinken Event.
Hat die Feratel-Spende den „Meinungsfindungsprozess“ bei den NEOS beeinflusst? Nehmen die NEOS auf die Wünsche spendabler Gönner mehr Rücksicht, als sie glauben machen wollen?
Die Feratel AG steht mehrheitlich im Eigentum von ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel. Vorstandsvorsitzender ist Miteigentümer Markus Schröcksnadel, der NEOS bereits 2013, vor dem erstmaligen Einzug in den Nationalrat, mit einer Privatspende von 4.500 Euro unterstützte.
Am 15. Oktober 2017 scheiterte die von Land, Stadt Innsbruck und ÖOC forcierte Bewerbung Tirols für die Olympischen Winterspiele 2026 knapp: 53,6 Prozent der Bevölkerung sprachen sich gegen die Pläne aus. Das Österreichische Olympische Komitee hofft nun auf Schladming und Graz. Die beiden Städte gaben Ende Jänner 2018 bekannt, sich als Initiative „Austria 2026“ für das Großereignis bewerben zu wollen.
NEOS-Generalsekretär Nikola Donig erklärte in einer ersten Stellungnahme dazu: „NEOS sind wohl absolut unverdächtig, Kandidat für den Kauf von Meinungen, Kampagnen oder zeitnahen Entscheidungen zu sein.“ Und seitens Feratel bzw. Markus Schröcksnadel seien „nach Herbst 2017 keine Mittel geflossen – diese wären auf unserer Transparenz-Seite auch ausgewiesen“.
Anruf bei Dominik Oberhofer, Landesparteichef der NEOS Tirol, der am 4. September 2017 das NEOS-Ja zu Olympia mitverkündet hatte. Der Spitzenkandidat für die Landtagswahl am 25. Februar gesteht zwar ein, „mit Markus Schröcksnadel seit 16 Jahren politisch verbunden“ zu sein – „er ist ein enger Freund und Förderer von mir“ –, erklärt jedoch, er habe mit der 20.000-Euro-Spende „persönlich nichts zu tun“. Im Gegenteil, er habe erst kurz vor oder nach der Nationalratswahl 2017 erfahren, dass es diese Zuwendung gegeben habe. Oberhofer: „Wir haben mit Markus Schröcksnadel natürlich mit Blickrichtung Landtagswahl gesprochen, ob er uns finanziell unterstützt. Dann kam das Argument, er habe schon etwas gegeben.“ Vor wenigen Wochen habe es dann aber doch erneut eine 20.000-Euro-Spende von Schröcksnadel für die Landtagswahl gegeben, sagt Oberhofer, „das lief über mich“.
Das steht im Widerspruch zur Aussage des Generalsekretärs, der behauptet hatte, es seien „nach Herbst 2017 keine Mittel“ seitens Feratel an die NEOS „geflossen“. NEOS-Generalsekretär Donig erklärte auf weitere Nachfrage dazu: „Ich darf daher nochmals festhalten: Seit der Ihnen bekannten Spende aus dem Herbst 2017 sind bis heute keine weiteren Mittel, weder Spenden noch Darlehen, eingegangen – in keiner NEOS Entität. Da wir eine Rechtspersönlichkeit sind, hat der Bundesgeschäftsführer immer Blick auf alle Konten.“
Das ist interessant. Denn Feratel-Chef Markus Schröcksnadel bestätigt auf Anfrage, den NEOS für den Landtagswahlkampf 2018 erneut 20.000 Euro gespendet zu haben. Er habe dafür „auch eine Buchhaltungsbestätigung bekommen“.
Doch zurück zur ersten Spende. Gibt es einen Zusammenhang zwischen der finanziellen Zuwendung, die am 15. September 2017 bei den NEOS einging, und der „Olympia 2026: pro & contra“-Veranstaltung mit Markus Schröcksnadel am 18. September? „Nein“, betont Oberhofer.
Warum aber wurde kein ausgewiesener Olympia-Kritiker zu einer Diskussionsveranstaltung eingeladen, die unter „pro & contra“ läuft? „Ein kritischer Journalist musste uns absagen. Relativ kurzfristig“, sagt Oberhofer. Man habe die Veranstaltung um einen Tag verlegen müssen, und dann habe der Kritiker eben absagen müssen. „Er hat uns abgesagt“, betont Oberhofer, mehrfach. Ein Ersatz sei nicht mehr aufzutreiben gewesen.
Anruf bei Jens Weinreich, Sportjournalist und ausgewiesener Kritiker großer Sportverbände wie FIFA oder IOC. Weinreich hat erst im letzten Jahr den renommierten „Nannen-Preis“ für die „beste Investigation“ erhalten. Er ist Grimme-Preisträger, zählt zu den weltweit profiliertesten Aufdeckern von Korruptionsaffären mit Fokus Olympisches Komitee, hat dutzende Artikel dazu veröffentlicht, Bücher geschrieben, die Titel wie „Der Olympische Sumpf. Die Machenschaften des IOC“ tragen. Weinreich stand mit den NEOS im August 2017 in Kontakt und hätte als Kritiker nach Innsbruck kommen sollen. Er zeigt sich auf Addendum-Anfrage irritiert.
Jens Weinreich hat nämlich nicht abgesagt. Ihm wurde abgesagt. Von den NEOS. Am 6. September 2017, zwei Tage nach dem NEOS-Ja zu Olympia, erhielt er folgendes E-Mail vom leitenden NEOS-Mitarbeiter Josef L.: „In der Politik kommen die Dinge manchmal anders als geplant, insbesondere in einem Wahljahr. Aufgrund terminlicher Erfordernisse ist Neos Tirol schon gestern mit einer Olympia-Position raus. Da die geplante Veranstaltung als meinungsbildend für ebendiese Position gedacht war, das Ergebnis aber nun schon vorweggenommen wurde, werden wir die Veranstaltung am 19. (September, Anm.) absagen. Ich bedaure das und hoffe, das verursacht auf Ihrer Seite keine Unannehmlichkeiten. Sehr gerne würden wir mit Ihnen zu einem anderen Zeitpunkt zusammenarbeiten und die Veranstaltung nachholen.“
Die Veranstaltung fand dann doch statt. Am 18. September. Ohne Kritiker. Mit Spender Markus Schröcksnadel.
Die NEOS bemühen sich tatsächlich, ihre Spender großteils auf ihrer Transparenzseite zu veröffentlichen. Was fehlt, ist ein Überblick, wer hinter den Darlehensgebern steht. NEOS-Tirol-Chef Dominik Oberhofer erklärte auf die Frage, warum die NEOS auf ihrer Transparenzseite zwar Spender, aber keine Darlehensgeber namentlich ausweisen: „Das ist eine sehr gute Frage, die ich nicht beantworten kann. Ich werde das in den Vorstand hineintragen und die Frage stellen. Das ist mir mehrfach aufgefallen, und das sollte man ändern.“
NEOS-Generalsekretär und Vorstandsmitglied Nikola Donig hat uns mit einem Anruf in der Redaktion übrigens erst auf die Spenden-Spur und die Verbindung NEOS – Schröcksnadel gebracht. Addendum hatte für einen Artikel zum Thema „Wem gehören die Berge?“ auch eine Anfrage an die Feratel-Gruppe und Markus Schröcksnadel gestellt. Einen Tag später kam der Anruf des NEOS-Generalsekretärs, mit dem Ziel, Erkundigungen zum Stand der Ski-Recherchen einzuholen. Da drängte sich naturgemäß die Frage auf, warum ein Parteimanager erstens von den Addendum-Recherchen weiß und sich zweitens überhaupt näher dafür interessiert, wenn die NEOS davon nicht tangiert sind. Wir haben versucht, diese Frage zu beantworten.