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Der seltsame Fall des Skigebiets am Semmering
18. Februar 2018 Skination Lesezeit 5 min
Das Skigebiet am Semmering leidet unter einer Pannenserie und wirtschaftlichen Nöten. Gegen seine Betreiber ist ein Insolvenzantrag anhängig, das Land Niederösterreich will das Gebiet aber erhalten. Wie es mit dem „Zauberberg“ weitergeht, ist offen.
Dieser Artikel gehört zum Projekt Skination und ist Teil 8 einer 11-teiligen Recherche.
Bild: Peter Mayr | Addendum

Eineinhalb Stunden mit dem Zug von Wien, ein Sessellift, die einzige Kabinengondelbahn Niederösterreichs, 14 Kilometer Piste, großteils mit Flutlichtanlage auch nachts befahrbar: Auf dem Papier wirkt der „Zauberberg“ Hirschenkogel, eines der beiden Skigebiete am Semmering, ideal aufgestellt für ein kleines Skigebiet vor den Toren der Stadt, attraktiv für Tagesausflüge.

Aber am Semmering läuft seit einigen Jahren etwas schief. Die Lifte leiden unter einer Pannenserie, hätten heuer beinahe nicht in Betrieb gehen können, gegen seine Muttergesellschaft hat die Gebietskrankenkasse Insolvenz beantragt.

Es ist nicht das erste Mal, dass es in der besagten Muttergesellschaft, der Panhans-Gruppe mit mehreren Hotels im Ort Semmering, zu Problemen kommt. Schon 2016 sprach Geschäftsführer Viktor Babushchak vom „dritten Desaster-Winter“ in Folge, dessentwegen es zu verzögerten Zahlungen gekommen sei.

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Semmering droht ein Gasteiner Schicksal

Man könnte durchaus Verständnis für die schwierige Lage der Betreiber aufbringen: Die historische Tourismusinfrastruktur des Orts Semmering, Ende des 19. und Anfang des 20 Jahrhunderts ein beliebter Kur- und Sportort der Wiener Schickeria, ist alt, Sanierungen sind teuer – und große Projekte sind aufgrund der schwierigen Lage – das Skigebiet liegt an der Grenze Niederösterreichs und der Steiermark, noch dazu in einem Wasserschutzgebiet, aufwendig.

Heute droht Semmering ein Gasteiner Schicksal: durchsetzt von zugesperrten Grandhotels, mit wenigen Arbeitsplätzen und vielen Häusern, die nur noch gelegentlich von Zweitwohnsitzern bewohnt werden. Eine Lage, in der die Probleme des Skigebiets im Ort für besondere Verunsicherung sorgen – hängen daran doch dutzende weitere Arbeitsplätze in Restaurants, Hotels, Geschäften.

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Wir holen den Semmering aus dem Dornröschenschlaf.

Was die Situation am Semmering so tragisch macht, ist der Hoffnungsschimmer, den die Region vor einigen Jahren erfahren hat. Eine Gruppe anonymer Investoren rund um den ukrainischen Industriellen Ihor Palytsia, zwischenzeitlich kurz Gouverneur von Odessa, hatte 2012 über eine intransparente Schweizer Aktiengesellschaft das am Rande des Konkurses stehende Hotel Panhans übernommen. In den folgenden Jahren kaufte diese Panhans-Gruppe, inzwischen mehrheitlich geführt von ukrainischen Managern, nicht nur weitere Hotels im Ort, sondern eben auch die Betriebsgesellschaft des Skigebiets. Mit den Worten „Wir holen den Semmering aus dem Dornröschenschlaf“ versprach die Gruppe im Jahr 2014 Investitionen von 56 Millionen Euro in Skigebiet und Hotels.

Die Visionen, die die Panhans-Gruppe in dieser Zeit propagierte, schwankten aus heutiger Sicht, abhängig davon, mit wem man spricht, zwischen grandios und megalomanisch: Nach dem Vorbild des ukrainischen Karpaten-Skiorts Bukowel sollte ein enormes Wintersport-Resort entstehen, das nicht nur alle großen Hotels des Orts in einer Hand vereinen sollte – sondern eben auch das Skigebiet, das die Holding neben dem Hirschenkogel um weitere Berge wie den Sonnwendstein erweitern wollte.

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68.860 Nächtigungen

verzeichnete die Gemeinde Semmering im Jahr 2016. Zehn Jahre zuvor waren es noch 103.550.

Oberste Liftwarte sprangen ab

Geworden ist aus diesen Visionen: praktisch nichts. Eins der Hotels wurde in Konkurs geschickt, aus den Käufen einiger weiterer Häuser wurde nichts, weil die Gruppe das Geld nicht aufstellen konnte. Dabei ist es nicht so, dass gar kein Geld geflossen wäre: Die regelmäßigen Bilanzverluste der Lifte und des Panhans deckten die Investoren ab, auch Reparaturen an den Liften sind mehrmals vorgenommen worden – und das ehrwürdige Panhans selbst wird gerade saniert. Das dauert schon länger als geplant, und bei Razzien von Finanz- und Fremdenpolizei auf der Baustelle sind mehrere Arbeiter festgenommen worden, aber die Sanierung läuft.

Ihren Höhepunkt erreichten die Probleme am Semmering im vergangenen Herbst: Schon im Sommer hatten die langjährigen Betriebsleiter der Liftgesellschaft gekündigt, weil sie mit der Unternehmensführung nicht zufrieden waren. Nun ist es im Seilbahnrecht aber so, dass die Betriebsleiter auch persönlich für die Sicherheit der Bergbahn haften – übernimmt niemand diese Verantwortung, bleiben die Lifte stehen. Und jemanden zu finden, der das für die Zauberberg-Lifte unter Panhans-Führung machen wollte, dauerte. Erst mit 16. Dezember konnte dank vorläufiger Bewilligung die Skisaison starten, erst mit Ende 2017 wurde eine unbefristete Genehmigung erteilt.

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Know-how-Verlust bringt Pannen mit sich

Auch seither stand die Saison am Hirschenkogel unter keinem guten Stern. Gleich mehrmals musste der Betrieb einzelner Lifte technischer Probleme wegen eingestellt werden. Mitarbeiter der Bergbahnen, von Addendum auf die Pannen angesprochen, erklären das damit, dass durch den Weggang mehrerer erfahrener Kollegen viel Know-how verloren gegangen sei, was die schnelle Behebung von Gebrechen unmöglich gemacht habe. Eine Anfrage an die Geschäftsführung der Bergbahnen zu der Pannenserie und zum Insolvenzantrag blieb bisher unbeantwortet; gegenüber dem ORF erklärte Geschäftsführer György Dobrovolszkij, es handle sich nur um Kleinigkeiten, schädlicher – auch für die Bereitschaft, mehr Geld zu investieren – seien die Medienberichte über die Probleme am Semmering.

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FPÖ-Politiker brachte ukrainische Investoren auf den Semmering

Was die Lage am Semmering noch interessanter macht, ist das politische Interesse an den Geschehnissen dort. Einerseits geht es nämlich auf einen FPÖ-Politiker zurück, dass die Ukrainer überhaupt zum Semmering kamen. Thomas Schellenbacher, Unternehmer und von 2013 bis 2017 ein im Großen und Ganzen unauffälliger Abgeordneter zum Nationalrat, hatte 2012 zunächst selbst einige Monate lang das Panhans übernommen, um es dann an die besagte Schweizer AG um Palytsia weiterzugeben. Schellenbacher ist dem Kurier zufolge inzwischen in Privatkonkurs, gegen ihn ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wegen Verdachts auf Geldwäsche, er selbst bestreitet die Vorwürfe.

Das andere – und für das Skigebiet wohl zukunftsträchtigere – politische Interesse am Semmering ist jenes des Landes Niederösterreich. Bereits 2012 hatte das Land mit den damaligen Eigentümern – Unternehmern aus der Region – verhandelt, den „Zauberberg“ in seine Wintertourismus-Holding zu übernehmen. Dieser unterschriftsreife Vertrag scheiterte daran, dass die Eigentümer sich damals stattdessen mit der Panhans-Gruppe einigten. Auch jetzt steht das Land wieder bereit einzuspringen, um den Skibetrieb am Semmering mit Steuergeld zu sichern – wohl weniger der Erwin-Pröll-Jubiläumswarte am Gipfel als der Sicherung regionaler Arbeitsplätze halber .

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Niederösterreich wollte einspringen

Ein Pachtvertrag für die Lifte und Anlagen ist Vertretern des Landes zufolge aber bisher an den Eigentümern gescheitert – die dem Land im Gegenzug vorwerfen, sie zugunsten seiner eigenen Skigebiete nicht ausreichend zu unterstützen.

Wie es mit dem Skibetrieb in Semmering weitergeht, wird Kennern der Lage zufolge vor allem daran liegen, wie bereit die Eigentümer der Panhans-Gruppe sind, Verluste im Ort abzudecken und sogar dringend nötige Investitionen in Lifte und Pisten durchzuführen – oder ob ein Insolvenzantrag doch noch durchgehen sollte und dann, wieder einmal, die öffentliche Hand einspringt, um das Skivergnügen am Zauberberg zu sichern. 

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