In Österreich gibt es ein Allgemeines Sozialversicherungsgesetz, ein Allgemeines Pensionsgesetz, eine bedarfsorientierte Mindestsicherung und eine Ausbildungspflicht für junge Menschen bis 18 Jahre. Ein ziemlich umfassendes und lückenloses System, sollte man meinen. Doch manche Gruppen werden, wenn es um Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Pension geht, gar nicht oder nur teilweise erfasst.
Das System der sozialen Leistungen für Familien ist klar konzipiert: Solange ein Jugendlicher oder junger Erwachsener eine Ausbildung macht, erhält er (beziehungsweise die Eltern) bis zu einer gewissen Altersgrenze Familienbeihilfe.
Junge Menschen, die etwa nach der Matura oder nach dem Studium keinen Job finden, erhalten keine Familienleistungen mehr. Das bedeutet finanzielle Einbußen von rund 200 Euro pro Monat. Das AMS bietet zwar auch in solchen Fällen Kursplätze oder ähnliche Sachleistungen an, der Bezug von Arbeitslosengeld ist aber nicht vorgesehen, weil den jungen Leuten die dafür nötigen Versicherungszeiten fehlen.
Sofern der oder die Obsorgeberechtigten mit den eigenen Einkünften über dem Familienrichtsatz für die bedarfsorientierte Mindestsicherung liegen, kommt auch diese Sozialleistung nicht infrage. Und selbst wenn die Eltern bereits Mindestsicherung bezogen haben, fallen 197,20 Euro weg.
Wie viele junge Erwachsene davon betroffen sind, ist statistisch nicht erfasst – da sie ohnehin keinen Leistungsanspruch haben, melden sich nicht alle beim AMS.
Beispielsweise erhält in Niederösterreich eine Familie zwar 1.500 Euro Mindestsicherung. Bis zur Matura kommen für die Kinder noch Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag dazu. Danach sinkt das Familieneinkommen um diesen Betrag.
Österreich gibt sich offiziell sehr unternehmerfreudig. Wer sich selbstständig macht, ist aber nicht nur mit vielen betriebswirtschaftlichen Herausforderungen, sondern auch mit einem komplexen Regelwerk im Bereich der Sozialversicherung konfrontiert. Im Rahmen einer internationalen Studie belegte Österreich im Vergleich mit 17 anderen Ländern zwar den ersten Platz. Dennoch gibt es – neben medialer Kritik – aus der Sicht von Selbstständigen Verbesserungspotenzial.
Während unselbstständig Erwerbstätige (gesetzlich verpflichtet) arbeitslosenversichert sind, fehlte bis Ende 2008 sogar eine freiwillige Versicherungsmöglichkeit für Selbstständige. Seither können sich Unternehmer auf freiwilliger Basis absichern. Die Beitragshöhe ist individuell wählbar. Der Mindestbeitrag liegt knapp unter 100 Euro pro Monat, ein Austritt ist frühestens nach acht Jahren möglich. Die Höhe des Arbeitslosengelds richtet sich nach der Höhe der eingezahlten Beiträge.
Während unselbstständig Erwerbstätige im Krankheitsfall Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber haben, tragen Selbstständige das Risiko der Krankheit selbst. Die Sozialversicherung gewährt finanzielle Unterstützung erst ab dem 43. Tag der Krankheit.
„Unterstützungsleistung bei lang andauernder Krankheit“ gemäß § 104a GSVG
Bei Bürgermeistern gab es über viele Jahre eine bedeutende Lücke im Bereich der Arbeitslosenversicherung. Die Bezüge als Ortschef unterliegen nicht der Arbeitslosenversicherung, zuvor erworbene Ansprüche verfielen während der Amtszeit in der Regel. Das führte im Falle eines Ausscheidens aus dem Amt – ob freiwillig oder als Folge einer Wahlniederlage – zu einer mangelnden sozialen Absicherung.
Im Jahr 2011 reagierte der Gesetzgeber – seither ruhen gemäß § 16 Arbeitslosenversicherungsgesetz zuvor erworbene Arbeitslosenansprüche für die Dauer der Funktionsausübung. Diese Maßnahme wurde seitens der Interessenvertretung begrüßt. Die Bürgermeister sind mit ihrem Bezug auch nicht pensionsversichert. Altersvorsorge ist durch die Betroffenen – vor allem langjährige hauptberufliche Bürgermeister – selbst zu organisieren.
Eine der Voraussetzung für das Arbeitslosengeld laut Arbeitslosenversicherungsgesetz ist eine arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung im Ausmaß von 52 Wochen in den vergangenen 24 Monaten. Für Bürgermeister verfallen diese Ansprüche nun nicht mehr.
Eine Lücke bei der Arbeitslosenversicherung besteht weiterhin, wenn der Bürgermeister vor seiner Amtszeit nie einen Beruf ausgeübt hat. Wer ohne vorige Erwerbstätigkeit und somit Beitragszeiten für die Arbeitslosenversicherung ins Amt gewählt wird, erhält später kein Geld. Ein Szenario, das spätestens seit dem direkten Wechsel von Sebastian Kurz vom Hörsaal auf die Regierungsbank nicht gänzlich utopisch ist.
Neben der Arbeitslosenversicherung fehlt auch in einem anderen Bereich eine soziale Regelung: beim Familiennachwuchs. Für Bürgermeister, vor allem aber für Bürgermeisterinnen gibt es keinen Anspruch auf Karenz beziehungsweise Wochengeld. Gänzlich unversorgt sind die Lokalpolitiker in dieser Phase aber ebenso wenig wie im Krankheitsfall: Der Bürgermeisterbezug läuft ganz normal weiter.
Zu einer Kürzung oder Streichung des Bürgermeisterbezugs kann es nur bei dauerhafter Verhinderung kommen. Nähere Regelungen dazu existieren allerdings nicht.
Ebenfalls nicht arbeitslosenversichert sind Minister und Mitglieder des National- und des Bundesrats. Oft kommt das Ende der Funktionsperiode überraschend, was nicht nur an vorgezogenen Neuwahlen, sondern auch am Wahlergebnis selbst liegen kann. Zumeist trifft es einzelne Abgeordnete, die kein Mandat mehr bekommen, manchmal – wie im Herbst 2017 – aber auch eine ganze Fraktion wie die Grünen.
Im Unterschied zu den parlamentarischen Mitarbeitern der Grünen, die unselbstständig beschäftigt waren, waren die Abgeordneten nicht arbeitslosenversichert. Das Bundesbezügegesetz regelt nicht nur Bezüge für die Nationalratsabgeordneten während der Ausübung des Mandats, sondern auch danach. Da stehen den Ex-Abgeordneten bis zu drei Monate lang 75 Prozent ihrer bisherigen Abgeordnetenbezüge zu.
Nach Ablauf dieser Frist gibt es mangels Arbeitslosenversicherung als Abgeordnete weder Anspruch auf Arbeitslosengeld noch auf Notstandshilfe. Ausnahmen gibt es nur, wenn sich Ansprüche aus einer früheren Beschäftigung ergeben.
In Karenz zu gehen, ist für Abgeordnete oder Regierungsmitglieder ebenfalls nicht vorgesehen. Das heißt, sie können ihr Mandat bzw. ihr Amt nicht zwei Jahre niederlegen und dann wieder ins Parlament oder in die Regierung zurückkehren. Warum? Die Parlamentsdirektion erklärte das so:
Manchmal bekommen auch Spitzenpolitikerinnen Nachwuchs. Die ehemalige Justizministerin Karin Gastinger, die in ihrer Amtszeit ein Baby bekommen hatte, saß beispielsweise 13 Tage nach der Geburt wieder im Büro.
Beamte sind von der Arbeitslosenversicherungspflicht ausgenommen und zahlen daher keinen Beitrag zur Arbeitslosenversicherung. Was passiert aber mit einem Beamten, der freiwillig aus dem öffentlichen Dienst ausscheidet, ohne einen neuen Job zu haben? Er fällt nicht durch das soziale Netz. Er erhält zwar kein Arbeitslosengeld, aber eine „Überbrückungshilfe an ehemalige Bundesbedienstete“, die gleich hoch ist wie das Arbeitslosengeld.
Die Leistungen für arbeitslose Beamte regelt das Überbrückungshilfengesetz aus dem Jahr 1963. Demzufolge gebührt dem ehemaligen Bundesbediensteten „für die Zeit, während der er das Arbeitslosengeld erhalten würde, wenn er während der Dauer des Bundesdienstverhältnisses arbeitslosenversicherungspflichtig gewesen wäre, eine Überbrückungshilfe“ – also eine Sozialleistung, ohne einen Beitrag dafür gezahlt zu haben.
Ein radikaler Lückenschluss wäre die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens. Damit wäre für alle Personen in jedem Alter und allen Lebenslagen eine Grundversorgung gewährleistet. Details zum Thema Bedingungsloses Grundeinkommen lesen Sie hier .