Über die vergangenen Jahre ist die Zahl der Bezieher vieler sozialstaatlicher Geldleistungen gestiegen. Im Jahr 2016 bezogen 2,3 Millionen Menschen in Österreich Leistungen aus Pensionen der Pflichtpensionsversicherung und aus Ruhegenüssen. Das ist ein Anstieg um etwa 300.000 Personen seit dem Jahr 2001. Die Anzahl der Kinder und Jugendlichen, für die Familienbeihilfe ausbezahlt wird, weist hingegen rückläufige Tendenzen auf und hat sich bei etwa 1,7 Millionen stabilisiert. Vergleichsweise gering ist die Anzahl der Bezieher von Pflegegeld, Kinderbetreuungsgeld, Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und Mindestsicherung.
Allerdings finden sich teilweise sehr hohe Wachstumsraten bei den Beziehenden. So stieg die Zahl bei der Notstandshilfebezieher von rund 98.000 im Jahr 2010 auf aktuell 167.000 an. Seit 2015 gibt es erstmals mehr Notstandshilfe-Empfänger als Bezieher von Arbeitslosengeld. Auch beim Pflegegeld zeichnet sich ein deutlicher Trend ab: Seit Anfang der 2000er Jahre stieg die Zahl der Bezieher von 350.000 auf mittlerweile 450.000 Personen an. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Sozialleistungen mit einer geringen Anzahl von Beziehern (z.B. Schüler- und Studienbeihilfe, Wohnbeihilfe) und Leistungen mit kurzer Bezugsdauer wie die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und das Krankengeld.
Unter Ruhegenüssen versteht man Beamtenpensionen.
Wie kann dieser Zuwachs finanziell verkraftet werden? Kurzfristig durch den korrespondierenden Anstieg bei der Zahl der Beschäftigten, die mit ihren Sozialbeiträgen und Steuern das System erhalten. Mittelfristig durch Produktivitätssteigerungen, die mehr Spielraum für Umverteilung generieren. Zwei Probleme werden aber vor allem in einer langfristigen Betrachtung deutlich: Die Wachstumsraten bei den Erwerbstätigen bleiben hinter dem Anstieg bei den relevantesten Beziehergruppen zurück. Während die Zahl der Erwerbstätigen seit 2001 um 12,8 Prozent gewachsen ist, stieg die Zahl der Pensionisten um 16,8 Prozent. Die Zahl der Bezieher von Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und Mindestsicherung bzw. Sozialhilfe, stieg um stolze 86,1 Prozent. Darüber hinaus entwickelt sich bei den Einzahlenden langsam ein strukturelles Problem: Am unteren Ende der Einkommensskala finden sich tendenziell mehr Personen in atypischen Beschäftigungsverhältnissen, durch die weniger staatliche Beiträge eingenommen werden. Am oberen Ende nimmt die Zahl jener Personen zu, die mit ihrem Gehalt über der Höchstbemessungsgrundlage liegen.
Vergleicht man die Zahl der Erwerbstätigen mit der Zahl aller Bezieher von Sozialleistungen, kommt man auf ein Verhältnis von etwa 4:5 – also mehr Bezieher als Erwerbstätige. Allerdings überschneiden sich die Gruppen oft. Wer beispielsweise Familienbeihilfe, Mindestsicherung, Witwen- oder Waisenpension erhält, kann gleichzeitig auch erwerbstätig sein. Und wer als Bezieher von Arbeitslosengeld aufscheint, kann auch Familienbeihilfe erhalten. Ein reines Einzahler-zu-Empfänger-Verhältnis ist deshalb nicht wirklich zu berechnen. Im Detail kommen auf einen Bezieher von Pensionsleistungen etwa 1,8 Erwerbstätige. Weit größer sind die anderen Verhältnisse: beim Arbeitslosengeld 28:1, bei der Notstandshilfe 24:1 und beim Pflegegeld 9:1.
Analog zur Anzahl an Beziehern machen die Pensionen den bei weitem größten Teil der Sozialausgaben aus. Rechnet man alle Leistungen zusammen, so belaufen sich die Ausgaben für Pensionen auf etwa 50 Milliarden Euro jährlich. Ausgenommen sind Rentenzahlungen aus den gesetzlichen Unfallversicherungen und aus dem Sozialentschädigungsgesetz, die aber in Summe weniger als eine Milliarde Euro ausmachen. Obwohl die Pensionszahlungen allein schon die Hälfte des Sozialbudgets beanspruchen, sind darin noch keine Sachleistungen für Ältere enthalten.
Leistung | Volumen | Bezieher | Durchschnitt |
Pensionen | 50,335,489,360 | 2,322,497 | 1,806 |
Arbeitslosengeld | 1,669,988,429 | 145,976 | 953 |
Notstandshilfe | 1,472,797,988 | 167,075 | 735 |
Familienbeihilfe | 4,783,291,071 | 1,741,630 | 229 |
Kinderbetreuungsgeld | 1,187,220,000 | 128,730 | 769 |
Pflegegeld | 2,587,143,913 | 454,897 | 474 |
Mindestsicherung* | 924,200,000 | 307,533 | 371 |
*Durchschnittswert über mittlere Bezugsdauer gerechnet
Der Abstand zu anderen Sozialausgaben ist damit größenordnungsmäßig noch größer als nur in Bezug auf die Anzahl der Bezieher. Die Ausgaben für Pensionen steigen jährlich um etwa den Betrag an, der den gesamten Geldleistungen für die bedarfsorientierte Mindestsicherung entspricht. Auch die Ausgaben für Arbeitslosengeld und die für Notstandshilfe erscheinen im Vergleich verschwindend gering. Der Grund: Die Pensionen sind im Schnitt wesentlich höher als die Durchschnittsleistungen im Bereich von Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und Mindestsicherung. Rechnet man die Pensionsleistungen auf die Anzahl der Bezieher um, so ergibt sich eine durchschnittliche monatliche Auszahlung von rund 1.806 Euro. Bei Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und Mindestsicherung liegt dieser Wert durchschnittlich bei 953, 735 und 371 Euro. Auch der Wert beim Pflegegeld ist mit durchschnittlich 474 Euro über alle Pflegestufen hinweg relativ niedrig.
Normale Alterspension – Pensionsversicherung
Invaliditätspension – Pensionsversicherung
Ruhegenuss – öffentliche Rechtsträger
Vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer, Korridorpension, Langzeitversicherte und Schwerarbeitspension – Pensionsversicherung
Betriebspension (die der Staat als Arbeitgeber bezahlt)
Hinterbliebenenpension – Pensionsversicherung
Hinterbliebenenversorgung – öffentliche Rechtsträger
Im Jahr 2015 wurden rund 101 Milliarden Euro für die Finanzierung von Sozialausgaben bereitgestellt. 36 Prozent davon kommen aus den Arbeitgebersozialbeiträgen, 36 Prozent aus dem allgemeinen Steuertopf und 21 Prozent aus Arbeitnehmersozialbeiträgen. Der Rest verteilt sich auf Versicherungsbeiträge der Selbstständigen und Pensionisten sowie auf sonstige Einnahmen. Das Verhältnis hat sich dabei über die Jahre kaum verändert – lediglich der Anteil aus allgemeinen Steuermitteln ist über die vergangenen Jahre leicht angestiegen. Damit wird die Finanzierung des Systems in Österreich vor allem durch Sozialbeiträge aufrechterhalten. Diese hängen allesamt an den bestehenden Beschäftigungsverhältnissen. Genau hier setzen die Befürchtungen an, die Beiträge könnten durch den Wegfall von Arbeitsplätzen aufgrund der Digitalisierung verschwinden . Das führt zur Forderung, dass eine neue Bemessungsgrundlage für die Einhebung der Mittel definiert werden muss.
Der Vergleich mit anderen EU-Staaten zeigt, dass Österreich über dem europäischen Schnitt liegt. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt betrugen die Ausgaben für wohlfahrtsstaatliche Systeme im Jahr 2014 rund 29 Prozent. Den höchsten Wert innerhalb der EU verzeichnet Frankreich mit 32 Prozent.
Besonders bemerkbar macht sich die deutliche Steigerung der Sozialausgaben in fast allen EU-Staaten. Verantwortlich dafür ist vor allem die Wirtschaftskrise, die einen noch andauernden Sprung in der Höhe der relativen Ausgaben verursacht hat. Das hat damit zu tun, dass das Wirtschaftswachstum für einige Jahre deutlich hinter den Erwartungen zurückblieb und das soziale Netz in Krisenzeiten stärker beansprucht wurde.