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Pensionsautomatik als Zukunftsmodell?
22. September 2019 Sozialstaat Lesezeit 5 min
Die Alterung der Gesellschaft ist die größte Herausforderung für unser Pensionssystem. Die einzige Lösung sehen viele in einer automatischen Anpassung des Antrittsalters. Die Politik ist dennoch zurückhaltend.
Dieser Artikel gehört zum Projekt Sozialstaat und ist Teil 15 einer 15-teiligen Recherche.
Bild: Addendum

Wie sicher sind unsere Pensionen? Während die Politik bei dieser Frage bemüht ist, Optimismus zu verbreiten, glaubt nicht einmal jeder Zweite, dass es die staatliche Pension in ihrer heutigen Form bis zum eigenen Pensionsantritt noch geben wird.

Seit Jahren wird über notwendige Reformen des Pensionssystems diskutiert. Passiert ist bislang wenig. Während manche Politiker der Meinung sind, dass das Pensionssystem mit leichten Korrekturen abzusichern sei, fordern andere eine grundlegende Reform des Systems. Aber braucht es diese wirklich?

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Der Generationenvertrag

Unser aktuelles umlagefinanziertes Pensionssystem basiert auf dem sogenannten Generationenvertrag. Das Prinzip ist einfach: Wer heute arbeitet, finanziert mit seinen Beiträgen die Bezüge der jetzigen Pensionisten. Mit dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) wurde 1955 ein gesetzliches Pensionsantrittsalter festgeschrieben, das sich bis heute nicht verändert hat: Männer dürfen mit 65 Jahren in Pension gehen, Frauen mit 60.

In keinem anderen Land in Europa gehen Frauen so viel früher in Pension als Männer. Diese Regelung sei ein Relikt aus alten Zeiten, in denen die Arbeit von Frauen noch als Zuverdienst zum männlich erwirtschafteten Familieneinkommen galt, erklärt Pensionsexperte Bernd Marin: „Das frühere Pensionsalter der Frauen ist ein reaktionäres Überbleibsel eines lange Zeit zutiefst konservativen Weltbildes.“ Eine Folge davon: weniger Beitragsjahre und niedrigere Pensionen. 2017 bekamen Frauen durchschnittlich um ein Drittel niedrigere Pensionen als Männer. Ab 2024 wird das Antrittsalter von Frauen dann schrittweise an jenes der Männer angehoben. Für pragmatisierte Frauen und Beamtinnen gilt schon heute ein Antrittsalter von 65 Jahren.

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26,5 Jahre

verbringen Frauen durchschnittlich in Pension. Bei den Männern sind es 21,4 Jahre.

Land der Frühpensionisten

Tatsächlich gehen viele Österreicher ohnehin einige Jahre früher in den Ruhestand – so früh, wie kaum sonst wo in der EU. Männer taten das 2018 mit durchschnittlich 61,5, Frauen mit 59,4 Jahren. Das tatsächliche Antrittsalter war bis vor wenigen Jahren noch deutlich niedriger, erst mit der Pensionsreform 2014 sei das effektive Antrittsalter spürbar angestiegen, erklärt Marin.

Während wir tendenziell immer älter werden, bleibt das effektive Antrittsalter seit Jahrzehnten in etwa gleich. Das heißt, man verbringt eine immer längere Zeit seines Lebens im Ruhestand.

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Babyboomer und Beamtenpensionen als Herausforderung

In den kommenden Jahren wird das System zusätzlich belastet. Dann kommen die geburtenstarken Jahrgänge, die sogenannten „Babyboomer“ ins Pensionsalter. Gleichzeitig werden die Berufstätigen, die in den „Pensionstopf“ einzahlen, im Verhältnis immer weniger. Kommen heute 1,7 Erwerbstätige für einen Pensionisten auf, sind es im Jahr 2050 nur noch 1,29 Erwerbstätige, die für die Bezüge eines Pensionisten sorgen müssen.

Deswegen muss der Staat Geld zuschießen. 2018 waren das knapp 18,6 Milliarden Euro. Etwa die Hälfte davon floss an ehemals Bedienstete im staatlichen und halbstaatlichen Bereich. Diese profitieren nach wie vor von existierenden Pensionsprivilegien. Zusätzlich werden etwa 3,2 Milliarden aus Mitteln des AMS und des Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) beigesteuert. Insgesamt fließt jeder vierte Euro des Budgets in die Pensionen. Ein staatlicher Zuschuss ist grundsätzlich nichts Neues; diesen gibt es schon länger. Ein sich selbst finanzierendes Pensionssystem sieht aber anders aus.

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Ein Lösungsansatz: Die Pensionsautomatik

Um ein staatliches Pensionssystem langfristig zu garantieren, empfehlen die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und die EU-Kommission, das Pensionsantrittsalter schrittweise zu erhöhen. Dadurch würde die Zahl der Beschäftigten und den Pensionisten in einem erträglichen Verhältnis bleiben.

Ein Instrument, das Pensionsalter automatisch anzuheben, ist die Pensionsautomatik. Das Prinzip ist simpel: Das Antrittsalter steigt mit der Lebenserwartung. Aktuell steigt diese alle zwei Jahre um etwa drei Monate. Das Verhältnis der Zeit in Erwerbstätigkeit zu der in Pension liegt bei etwa zwei zu eins. Steigt die Lebenserwartung also um drei Monate, würde sich die Arbeitszeit um zwei und die Zeit in Pension gleichzeitig um einen Monat verlängern.

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Vorbild Schweden

Wenn es um nachhaltige Altersvorsorge geht, gilt Schweden als Vorzeigeland. Wer wann in den Ruhestand geht, entscheiden dort die angehenden Pensionisten selbst. Jeder Bürger kann zwischen 61 und 69 Jahren in Pension gehen. Zu jedem Zeitpunkt ist klar, wie hoch die Pension sein wird. Der angesparte Pensionstopf wird beim Pensionsantritt durch die zu erwartende Restlebensdauer dividiert. Wer länger arbeitet, bekommt also höhere Pensionsbezüge – für viele Menschen ein Anreiz, länger im Erwerbsleben zu bleiben. Auf einem ähnlichen Prinzip basiert übrigens auch die österreichische Korridorpension. Das Antrittsalter liegt hier zwischen 62 und 68 Jahren.

Vor allem bei der Finanzierung der Pensionen unterscheidet sich das schwedische Modell von unserem. Während der Beschäftigungszeit wandern von jedem schwedischen Bruttolohn 18,5 Prozent in einen persönlichen Pensionstopf (vgl. Österreich 22,8 Prozent), der sich über die Berufsjahre füllt. Die Pensionen hängen also direkt von der Höhe der Einzahlungen ab. Eine garantierte Pensionshöhe gibt es abgesehen von der Mindestpension nicht.

Um Finanzierungslöcher wie Konjunkturschwankungen auszugleichen, müssen Ausgleichsfonds aufgenommen werden. Kritiker bemängeln, dass somit die Altersvorsorge vom Kapitalmarkt abhängig sei. Im Gegenzug fallen teure staatliche Zuschüsse weg, die einen großen Teil des Budgets fressen.

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Was sagen die Parteien dazu?

Der Großteil der österreichischen Parlamentsparteien lehnt eine Reform im Sinne einer Pensionsautomatik ab. Denn gröbere Veränderungen im Pensionssystem könnten für die Parteien heikel sein – zu groß ist die Wählergruppe der Pensionisten und Bald-Pensionisten, mit denen man es sich nicht durch schmerzhafte Reformen verscherzen möchte.

Die einzige Partei, die sich seit Jahren für eine Pensionsautomatik starkmacht, sind die NEOS. Zeitweise liebäugelte auch die ÖVP damit, in den aktuellen Überlegungen der Volkspartei spielt sie aber keine Rolle. SPÖ und FPÖ lehnen ein solches Modell grundsätzlich ab.

Einig sind sich die Parteien darin, dass sich das tatsächliche Antrittsalter an das gesetzliche annähern muss. Das wäre ein erster wichtiger Schritt, um die Pensionen weiterhin zu garantieren. Dass wir in Zukunft länger arbeiten werden, ist unbestritten. Bleibt die Frage, wie lange. 

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