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Agentin Nina: „Petrom zahlte 105.000 Euro pro Monat“
16. Juni 2018 Spionage Lesezeit 4 min
Ein zweifelhafter Security-Auftrag aus dem OMV-Konzern, in den eine deutsche Geheimagentin und eine NLP-Trainerin aus Wien involviert waren, dürfte eine größere Dimension gehabt haben als bisher bekannt. Das ergibt sich aus Dokumenten, die ein Mitarbeiter von Innenminister Kickl der Staatsanwaltschaft übermittelte – und zwar ausgerechnet in der BVT-Affäre.
Dieser Artikel gehört zum Projekt Spionage und ist Teil 7 einer 7-teiligen Recherche.
Bild: Addendum

Es ist ein kurzes Schreiben im typischen Stil der ehemaligen Stasi-Agentin und nunmehr wegen Bestechung verurteilten Nachrichtenhändlerin Christina Wilkening alias „Nina“: Es handelt sich um einen Projektvorschlag mit entsprechender Kalkulation. Und offenbar sah sich die einst gut im Sold stehende „Unternehmensberaterin“ dazu veranlasst, anzuführen, was andere Kunden für Projekte bezahlt hatten. Ein Firmenname sticht da besonders ins Auge: Petrom, die Rumänien-Tochter des teilstaatlichen OMV-Konzerns. Diese zahlte laut dem Schreiben 105.000 Euro monatlich.

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Brisantes Schreiben im BVT-Akt

Dass Wilkening einst in Zusammenhang mit einem Petrom-Projekt namens „Scout“ tätig war, hat Addendum wiederholt berichtet („Sie lagen in Rumänien im Sumpf“). Offiziell ging es um die Eindämmung von Öldiebstählen. Tatsächlich wies das Projekt allerdings zahlreiche Merkwürdigkeiten auf – doch dazu später mehr.

Zurück zum Schreiben („lieber Karl, lieber Günter“): Diese Unterlage wurde von Udo Lett, einem Kabinettsmitarbeiter von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ), im Rahmen der BVT-Affäre an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft übermittelt. Lett bleibt in seinem Begleitschreiben überraschend kryptisch bei der Frage, wie er an die Unterlagen gekommen ist. Sein Informant sei „die nach eigenen Angaben nachrichtendienstliche Quelle KS“. Der Kabinettsmitarbeiter verweist lapidar darauf, dass der „Klarname“ einem der ermittelnden Staatsanwälte bekannt sei.

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Lett schreibt, die Dokumente würden offenbar aus dem Aktenbestand eines gewissen Karl V. stammen. Hier schließt sich der Kreis: Der V.-Mann („Die Österreich-Connection der Nachrichtenhändlerin“)  war ein wichtiger Zuträger Wilkenings in Wien – vor ihrer Verhaftung im Jahr 2016. Und, so schreibt Lett: Karl V. soll laut „KS“ auf seinem Computer beweisrelevante Informationen im Zusammenhang mit der BVT-Affäre haben.

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Zahlte Petrom 7,5 Millionen Euro?

Tatsächlich taucht der Name Wilkening am Rande in jenem 39-Seiten-Konvolut auf, das die BVT-Affäre ausgelöst hat. Das Petrom-Projekt spielt dabei allerdings keine Rolle. Dass nunmehr auf diesem Weg Angaben dazu auftauchen, ist wohl Zufall.

Kann es stimmen, dass die OMV-Tochter über sechs Jahre hinweg 105.000 Euro pro Monat in ein undurchsichtiges Security-Projekt fließen ließ? Dies wären insgesamt mehr als 7,5 Millionen Euro. Die Summe wirkt auf den ersten Blick astronomisch. Allerdings hat alleine ein einzelner Sub-Auftragnahmer in Deutschland von 2008 bis 2011 insgesamt 265.000 Euro erhalten. Das geht aus einer Anklage gegen Wilkening und mehrere Komplizen im Jahr 2016 am Landgericht Schwerin hervor. Große Summen waren also definitiv im Spiel.

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Die OMV will das Thema aussitzen

Die OMV ließ zahlreiche Anfragen, die Addendum seit Anfang April 2018 zum Projekt „Scout“ gestellt hat, im Wesentlichen unbeantwortet. So auch diesmal. Unternehmenssprecher Andreas Rinofner schreibt: „Mich beeindruckt Ihr konsequentes Interesse an der OMV. Ich selbst bleibe auch konsequent und antworte allgemein: Die OMV kommentiert Mutmaßungen aus grundsätzlichen Erwägungen nicht.“

Das ist ein PR-Trick: Anstatt unangenehme Fragen zu beantworten, werden Fakten zu „Mutmaßungen“ erklärt. Um das zu durchschauen, hilft es, sich vor Augen zu führen, welche Tatsachen – nicht „Mutmaßungen“ – die OMV seit Wochen lieber unkommentiert lässt:

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  1. Anfang 2017 werden Wilkening und der ehemalige deutsche Kriminalkommissar Heinz-Peter Hahndorf vom Landgericht Schwerin wegen Bestechung bzw. Bestechlichkeit nach Geständnissen zu Haftstrafen verurteilt. Erster Punkt der Anklageschrift war das Projekt „Scout“.
  2.  Hahndorf kassierte als Sub-Auftragnehmer für das Projekt „Scout“ insgesamt 265.000 Euro. Er nahm illegal Personen- bzw. Kfz-Abfragen im Polizei-System vor. Der Kommissar sollte auch ein Sicherheitskonzept für Petrom entwickeln, obwohl er – laut eigenen Angaben vor Gericht – auf diesem Gebiet fachlich „total unbeleckt“ gewesen sei.
  3. Eine wichtige Rolle im Projekt „Scout“ spielte die österreichische NLP-Trainerin und Kommunikationsberaterin Barbara Schütze. Demnach war also eine PR-Fachfrau aus Wien zentral in ein Security-Projekt eines internationalen Mineralölkonzerns mit Fokus auf Rumänien involviert.
  4. Der OMV-Konzern bzw. Petrom bezahlten die Auftragnehmer im Projekt „Scout“ nicht direkt, sondern über Zwischenfirmen. Der Wiener Anwalt David Kubes und sein Kanzleipartner Thomas Passeyrer fungierten laut einem E-Mail Schützes als Treuhänder, um eine weitere involvierte Person „invisible“ – also unsichtbar – zu halten.
  5. In einem Schütze-Mail steht, dass Geld „direkt umgeleitet und ‚verschleiert‘ verteilt“ werden sollte.
  6. In E-Mails von Schütze ist wiederholt von einer Person namens „Otto“ die Rede, die offensichtlich großen Einfluss auf das Projekt hatte. Bei „Otto“ handelte es Addendum-Recherchen zufolge um einen Decknamen. In einer Telefonliste, die von einer unter einem Autositz versteckten Festplatte Hahndorfs stammt, findet sich neben „OTTO“ die Beschreibung: „Vorstand Exploration PETROM“. Diese Funktion hatte zur Zeit von „Scout“ der heutige OMV-Vize-Generaldirektor Johann Pleininger inne.
  7. Wie der Prozess in Schwerin gezeigt hat, war Pleininger tatsächlich involviert. Hahndorf hat für ihn – den Angaben vor Gericht zufolge – ein persönliches Sicherheitskonzept erstellt. Der Ex-Kommissar bezeichnete Pleininger vor Gericht als „Fachidiot“. Auftraggeber des Konzepts sei „vermutlich die OMV“ gewesen. Die Österreicher seien „da lockerer“.
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