§ 354 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs, unverändert seit seiner Veröffentlichung 1812, erlaubt einem Eigentümer, „mit der Substanz und den Nutzungen einer Sache nach Willkühr zu schalten, und jeden Andern davon auszuschließen“.
So poetisch das klingt, so sehr ist das Eigentumsrecht als eines der Grundprinzipien des Zivilrechts heute eingeschränkt und von Gesetzgebung und Judikatur (aus sehr guten Gründen) durchlöchert.
Einerseits kann es noch immer sehr umfassend ausgelebt werden. So ist etwa einem Zehnjährigen das Autofahren auf privaten Liegenschaften ebenso erlaubt wie einem Erwachsenen das Schießen mit dem Luftdruckgewehr.
Diese Freiheitsrechte enden jedoch bei exzessiver Auslebung und Kombination: Schießübungen mit einem Panzer auf Eigengrund durch einen Zehnjährigen sind aus mehreren rechtlichen Gründen untersagt. Kurz zusammengefasst: Erlaubt ist, was nicht explizit verboten oder genehmigungspflichtig ist.
Doch bei näherer Betrachtung ist ziemlich viel verboten bzw. vorgegeben, und mit jeder Regel des Staates beginnt ein Mauerstein aus der Fassade der eigenen Burg – wenn man nach dem angelsächsischen „My Home is my Castle“-Prinzip geht – abzubröckeln.
Verständlich erscheint dies etwa bei Bauvorschriften, die sich auf die Höhe des Gebäudes beziehen (um völlige Willkür in diesem Bereich hintanzuhalten). Zählt aber das allgemeine Interesse an einem bestimmten Ortsbild tatsächlich mehr als das Individualinteresse des Grundstücksbesitzers auf persönliche Selbstverwirklichung? In Bezug auf die Bauausführung ergeben sich dann nämlich plötzlich Verbote für ein Haus in Form einer Kugel oder mit einer zu extravaganten Fassade.
Noch viel restriktiver sind die Regelungen für Wohnungseigentümer. Ihnen sind Änderungen an der eigenen Wohnung, die eine „Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Hauses“ bedeuten, gänzlich verboten. Neue Fenster oder Außenjalousien bzw. Markisen werden so zu einer großen Herausforderung.
Zur echten Abwägung von Einzelinteressen kommt es dann, wenn zwei Nachbarn über einen Baum streiten: Des einen Wunsch nach Privatsphäre, die er durch einen möglichst hohen, dichten Bewuchs zu verwirklichen versucht, konterkariert des anderen Wunsch (der durch die Rechtsprechung höher bewertet wird) auf ausreichend Licht.
Dass jedoch nicht nur im Interesse des Nachbarn das Fällen eines Baums im eigenen Garten in Wien zur komplexen Behördenarbeit wird, regelt das Wiener Baumschutzgesetz. Dieses untersagt dem Liegenschaftseigentümer grundsätzlich das Fällen größerer Bäume. Doch keine Regel ohne Ausnahme: Im Wiener Kleingarten kann der Grundstücksbesitzer nach Herzenslust flächendeckende Rodungen vornehmen.
In einem modernen Aspekt des Hausbaus werden die eigenen Möglichkeiten mitunter durch den Nachbarn sehr explizit vorgegeben. Eine Wasser-Wärme-Pumpe für das ökologische Niedrigenergiehaus? Leider nein, wenn der Nachbar bereits eine hat, weil die entnehmbare Energie im Boden eventuell nicht für beide ausreicht – first come, first serve, sagt der Staat. Bleibt vielleicht nur die Luft-Wärmepumpe – sofern sie keine zu große Lärmbeeinträchtigung für den Nachbarn mit der Wasser-Wärme-Pumpe ist.
Der liebe Nachbar ist aus Sicht der Rechtsprechung aber auch besonders schutzwürdig, wenn es um das eigene Suchtverhalten geht. Zigarre rauchen am eigenen Balkon? Seit 2016 gehört dies nachts und während – nicht näher definierten – üblichen Essenszeiten der Vergangenheit an.
Viel interessanter wird die Beeinträchtigung der individuellen Interessen beim Brandschutz. In regelmäßigen Abständen müssen Hausbesitzer in Niederösterreich eine öffentlich beauftragte Person zum Zwecke der Feuerbeschau auf ihren Anwesen dulden. Private Historiker (auch Messies genannt) müssen sich dann oft von der liebgewordenen Sammlung alter Zeitungen und Zeitschriften auf dem Dachboden trennen. Verständlich – bei einem Wohnhaus im dicht verbauten Ortskern. Schon weniger bei einem alleinstehenden Objekt auf der sprichwörtlichen grünen Wiese. Durchwegs Erklärungsbedarf haben die amtshandelnden Organe dann auch, wenn sie die Kennzeichnung mittels Gefahrenhinweisschild bei der Lagerung von bereits zwei Gasflaschen für den Campinggriller im Keller urgieren. Im Bundesland Salzburg wurde diese Feuerbeschau in Kleinwohnhäusern im Jahr 2013 abgeschafft.
Doch kommen wir zurück zu den Interessen der Allgemeinheit. Weder dürfen von einer Liegenschaft Bedrohungen für den Nachbarn ausgehen noch darf die Allgemeinheit über eine gewöhnliche Nutzung hinaus beeinträchtigt werden. So ist etwa das private Verbrennen des Hausmülls (vor allem auch in Kachelöfen und Heizungsöfen) ebenso verboten wie die Entsorgung von Altöl im Garten.
Keineswegs selbstverständlich ist es auch, das geliebte Haustier nach dem Ableben im eigenen Garten zu bestatten – es gilt nähere länderspezifische Regelungen zu beachten.
Sofern man im eigenen Garten nicht Dinge eingraben, sondern ausgraben möchte, geht es spannend weiter. Während die Suche nach Gold und Edelsteinen – sofern sie von Erfolg gekrönt ist – den Reichtum des Grundeigentümers erhöht, hat das Aufspüren von Erdöl oder Salz keine positiven monetären Auswirkungen für den Betroffenen – hierfür gilt es staatliche Monopole zu berücksichtigen.
Auch im eigenen Grund und Boden können sich Kostentreiber beim Hausbau verstecken. Die harmlosere Variante sind archäologische Funde, die „nur“ den Baufortschritt verzögern. Teuer wird es bei der gefundenen Fliegerbombe, für deren Entsorgungskosten der Grundbesitzer aufzukommen hat.
Noch intensiver wird der Eingriff des Staates in privaten Grundbesitz beim Thema Denkmalschutz. Der Kindheitstraum vom eigenen Schloss wird vielleicht dann zum Albtraum, wenn ein altes Mauerfresko oder ein antiker Holzboden vom Bundesdenkmalamt als erhaltungswürdig im öffentlichen Interesse eingestuft wird. Nicht nur, dass der Besitzer solcher Objekte in seinen Erhaltungs- und Gestaltungsplänen determiniert wird, er muss sogar die teils teuren Maßnahmen selbst bezahlen. An grobe Veränderungen – wie etwa die moderne Installation einer Photovoltaikanlage – ist jedenfalls am alten Burgdach nicht zu denken.
Abwechslungsreich wird es auch, wenn der Mensch mit dem Tier in Berührung kommt. Während das legale Aufstellen von Mausefallen unstrittig ist, muss die streunende Nachbarskatze auch dann geduldet werden, wenn sie nicht nur keine Mäuse jagt, sondern sogar den subjektiv heiligen Rasen als Katzenklo verwendet. Erlaubte Abwehrmechanismen wie Anschreien, Sprenkleranlagen oder Ultraschall zeigen erfahrungsgemäß nur bedingt Wirkung.
Um der Natur unter dem Aspekt des Rechts des Stärkeren freien Lauf zu lassen, gibt es jedoch keine Limitierungen. Das Domestizieren einer eigenen Katze oder eines Jagdhunds wären also aus Staatssicht zulässige Abwehrmechanismen. Doch Vorsicht: Wenn Ihr Hund zu laut bellt, kann sich der Nachbar seinerseits rechtlich dagegen zur Wehr setzen.
In eine völlig andere Richtung geht es bei der Rattenplage: Plötzlich mischt sich der Staat aktiv in die tierischen Angelegenheiten auf dem Grundstück ein, und der Eigentümer muss sogar das Auslegen von Rattenködern durch Dritte dulden.
Weitaus komplexer wird die Frage der Jagd. Das Jagdrecht ist zunächst vom Eigentumsrecht des Waldbesitzers entkoppelt. Diesem kommt ein Eigenjagdrecht erst ab einer gewissen Größe zugute – und selbst dann sind sämtliche jagdbezogenen Vorgaben zu beachten. Auch der Landwirt darf die selbst gezüchteten Nutztiere nicht uneingeschränkt nach eigenem Ermessen schlachten.
Und wenn der Landwirt von der Viehwirtschaft zum Ackerbau schwenkt, wäre die Vermutung eigenverantwortlicher Aussaat weit gefehlt. Bei der Bewirtschaftung sind zulässige Saatgutsorten ebenso zu berücksichtigen wie verbotene Spritz- und Düngemittel. Und wenn dem Landwirt der ökologische Aspekt kein allzu großes Herzensanliegen ist, sondern die Zukunft in der Gentechnik gesehen wird, geht es reglementiert weiter. Dermaßen reglementiert, dass es mit dem Gentechnikgesetz gleich eine eigene Rechtsnorm dafür gibt. Sobald die Ernte eingefahren ist, darf das Stoppelfeld auch nicht (mehr) so einfach niedergebrannt werden.