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Startups und Medien: Show statt Cash
9. Dezember 2017 Startups Lesezeit 6 min
Der ORF ist bei Startup-Beteiligungen von seinem Kerngeschäft abgekommen, gesteht er heute. Der private Mitbewerber Puls4 hingegen redet lieber nicht über seine Investments.
Dieser Artikel gehört zum Projekt Startups und ist Teil 9 einer 10-teiligen Recherche.
Bild: Philipp Horak | Addendum

Dass Jungunternehmen heute mehr Aufmerksamkeit bekommen als noch vor einigen Jahren, ist auch der medialen Berichterstattung zuzuschreiben. Startup-Rankings und Gründer zieren die Titelblätter von Wirtschaftsmagazinen, der Privatsender Puls4 hat eine eigene Startup-Show, und der öffentlich-rechtliche Rundfunk probiert es mit Kooperationen. Die Fachmedien der Gründerszene haben selbst Investoren an Bord, über die sie regelmäßig berichten. Die Konzentration des österreichischen Startup-Systems spiegelt sich also auch in seinen Medien wider.

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ORF sieht von Beteiligungen ab

Was Scheitern heißt, hat der ORF selbst bei seiner ersten Startup-Initiative erlebt. „futurelab.261“ hieß der Geschäftsbereich, den der damalige Finanzdirektor Richard Grasl ins Leben gerufen hatte und für den er den Journalisten Gerald Reischl in die Geschäftsführung der GmbH holte, die im kommerziellen Teil des Medienhauses angesiedelt war. Das Unternehmen wollte sich an Startups beteiligen, was bei den Vertretern der Privatmedien für Aufruhr sorgte. Es sei nicht die Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, in hochriskante Unternehmen zu investieren. Die Verbände wollten sogar von der Regulierungsbehörde KommAustria prüfen lassen, ob das „futurelab.261“ gegen das ORF-Gesetz verstößt.

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„Nicht unser Kerngeschäft“

Wenige Monate später, Ende 2016, war das „futurelab.261“ schon wieder Geschichte. Grasl hatte die Generaldirektor-Wahl gegen Alexander Wrabetz verloren, der das Projekt offenbar nicht fortsetzen wollte. „Klassische Startup-Beteiligungen sind nicht unser Kerngeschäft“, heißt es dazu heute aus der Generaldirektion. Ein weiterer Grund für das Ende sei auch der Gegenwind der Privatmedien gewesen. Weil die Initiative nicht zum Selbstverständnis des ORF gepasst habe, habe sich die Geschäftsführung für die Einstellung entschieden. An den Startups des „futurelab.261“ habe es großteils keine Beteiligungen gegeben, man sei nur Kooperationen mit der Option auf Beteiligung eingegangen. Diese wurden laut ORF – mit Ausnahme des Mediendienstes „updatemi“ – rückabgewickelt. An updatemi hält die ORF-Enterprise, die kommerzielle Vermarktungstochter des ORF, derzeit noch eine Minderheitsbeteiligung.

Wexelerate-Partner

Das Thema Startups ist jetzt direkt bei Mitarbeitern der Generaldirektion angesiedelt. Lukas Unger kümmert sich dort um die Partnerschaft mit Wexelerate. Das Medienhaus ist einer der zahlenden Corporate-Partner des Startup-Hubs. Es handle sich „um einen klassischen Dienstleistungsvertrag. Wexelerate vernetzt uns mit Startups, die für unser Geschäft interessant sein könnten“, erklärt Unger die Partnerschaft. Konkret interessieren den ORF Services, die zum Kerngeschäft und den gesetzlichen Aufträgen passen, wie zum Beispiel Streaming-Technologien oder Hardware. Beteiligungen soll es jedoch keine geben: „Wir denken, dass Kooperationsverträge mit den Startups mehr Förderung sind.“ Unabhängig von der Wexelerate-Partnerschaft beschäftige man sich auch intern mit Innovation: Eine Innovationsrunde mit Vertretern aus unterschiedlichen Abteilungen tauscht sich der Generaldirektion zufolge regelmäßig aus, durch diese Runde ist unter anderem eine Kooperation mit dem Technologieanbieter „Tonio“ entstanden.

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Erfolgssendung

Auch Puls4 setzt sich gerne mit Startups auseinander. Als im November 2013 die Show „2 Minuten 2 Millionen“ erstmals ausgestrahlt wurde, holte der Fernsehsender damit ein neues Programmprinzip nach Österreich, sogar noch vor den deutschen Kollegen. Dort startete VOX erst im August 2014 mit der vergleichbaren Sendung „Die Höhle der Löwen“ – für Puls4 offenbar ein Anreiz, das Thema wieder aufzugreifen. Denn die erste Staffel von „2 Minuten 2 Millionen“ hatte durchschnittlich 4,7 Prozent Marktanteil. Ganz gut für Österreich, aber kontinuierlich gestiegen sind die Quoten erst ab der zweiten Staffel 2015. Das trug nicht nur zur Bekanntheit von diversen Startups und Investoren in der Sendung bei, sondern sorgte vor allem für eine Fülle von begeisterten Presseaussendungen, in denen Puls4 diese feierte.

Puls4 schweigt

Zumindest mit Addendum will der Sender aber nicht mehr über Startups reden. Die Folgen der vierten Staffel aus dem Frühjahr 2017 sind nur beschränkt online verfügbar, wer wie viel Investment versprochen hat, ist nicht zu sehen. Puls4 will diese Informationen nicht offenlegen, ebenso wenig, warum die Folgen nicht mehr komplett online sind. Auch die Produktionsfirma darf dazu nichts sagen. Stattdessen verweist Puls4 auf die „weltweit größte Investmentsumme einer Startup-Show von über 6,7 Millionen Euro“ und 11,6 Prozent Marktanteil, die die letzte Staffel im Frühling zur „erfolgreichsten Staffel“ machte. Genaue Zahlen über den Effekt der Sendung auf das österreichische Startup-Ökosystem gibt es auch nicht, nur Vermutungen: „Wie schwer es ist, in Österreich an Risikokapital zu kommen ist kein Geheimnis. Viel Auswahl gibt es nicht. Wenn man nun berücksichtigt, wieviel Investments in der Sendung schon von den Investoren getätigt worden sind, kann man sich die positive Auswirkung, insbesondere auch die Schaffung von Arbeitsplätzen, vorstellen“, heißt es.

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Intransparente Investitionen

Mittlerweile sind aber nicht nur die Folgen der Sendung nicht mehr vollständig verfügbar, sondern auch weitere Informationen zu „2 Minuten 2 Millionen“ sind schwer zu überprüfen. Trending Topics versuchte nach der der dritten Staffel, alle bisherigen Investments anhand der Sendungen zu rekonstruieren. Einige der Investments wurden anscheinend auch durchgeführt, viele sind allerdings nur schwer nachzuvollziehen. Deals, bei denen Firmenanteile für Kapital hergegeben wurden, sind im Firmenbuch einsehbar, allerdings weichen die tatsächlichen Zahlen oft von den Vereinbarungen in der Sendung ab, einige Investitionen kamen gar nicht zustande.

Für Oliver Holle, der in der ersten Staffel selbst als Investor dabei war, danach auch Vertreter von SpeedInvest in die Sendung schickte, ist das allerdings normal. „De facto hat man ein grobes Verständnis zu den Terms, aber man weiß ja sehr viel nicht. Die Strukturen, wie das Team ist, da muss man dann erst einmal schauen. Bei Gatherer hat das deshalb nicht funktioniert, aber die Deals, die wir abgeschlossen haben, hätten wir sowieso gemacht.“

Werbevolumen für Anteile

Spannend ist aber die Investitionsform von Puls4. Einerseits wurde Werbevolumen für Firmenanteile hergegeben, das lässt sich klarerweise nicht mehr nachvollziehen. Anderseits waren teilweise Vertreter der ProSiebenSat.1Puls4-Mediengruppe im Investorenpanel und sollten für deren Beteiligungsgesellschaft „Unit 7Ventures Austria“ investieren. Zumindest unter diesem Namen gibt es allerdings keinen Eintrag im Firmenbuch, auch die SevenVentures Austria GmbH, die offenbar stattdessen tätig ist, ist nur an einem einzigen Startup beteiligt – an Rublys, einem Kandidaten der ersten Staffel von „2 Minuten 2 Millionen“, an dem insgesamt 29 Firmen beziehungsweise Personen beteiligt sind. Einige Firmenbeteiligungen und damit Startup-Investments lassen sich noch auf die 7NXT GmbH aus Deutschland zurückführen. Puls4 selber will aber weder zu seinen Investitionen, noch zur Strategie oder den Firmenkonstrukten etwas sagen.

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Veranstaltungswettbewerb

Verhältnismäßig gerne redet man bei Puls4 stattdessen über das „4Gamechangers Festival“. 2017 fand es vier Tage lang in der Marx-Halle statt, mit rund 10.000 Menschen, Preisverleihungen und Podiumsdiskussionen, Musikacts und Keynotes von Gründern und Politikern. Wie viel Effekt das auf auf die tatsächliche Startup-Szene hat, kann wie beim Pioneers-Festival allerdings keiner sagen. Klar ist nur, dass Puls4 es als „internationales Digitalfestival für Influencer, Rebels, Visionairies und Gamechangers“ sieht. Was genau darunter zu verstehen ist, wird nicht gesagt. Es entsteht aber doch der Eindruck, dass damit eine Konkurrenzveranstaltung zum Pioneers-Festival geschaffen werden soll.

Puls4 möchte zwar nicht viel zu Startups sagen, positioniert sich allerdings eindeutig mit dem Thema. Wie so häufig, sind direkte Folgen davon nicht in Zahlen abschätzbar. Investments und Vernetzungen brauchen Zeit, bis sie wirken, potenzielle Versprechen und Kontaktaufnahmen haben aber keine direkten wirtschaftlichen Folgen. Die Positionierung hat aber mehr öffentliche Aufmerksamkeit auf Startups gelenkt, zumindest für Holle ist das schon einmal ein positiver Effekt.

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Medien-Startups

Eine Startup-Verbindung hat SevenVentures noch: Das Medienhaus beteiligte sich im Herbst am österreichischen Branchenportal Trending Topics. Zu den weiteren Investoren zählen unter anderem Speedinvest, Johann Hansmann, Startup300 und Michael Altrichter, der wie Hansmann Teil der Puls4-Show war. Auch Ex-ORF-Startup-Netzwerker Gerald Reischl hat einen neuen Job: Als Business Angel unterstützt er Trending Topics im Anzeigenverkauf. Das Konkurrenzmedium „Der Brutkasten“ entstand im Styria-Verlag unter der Leitung von Dejan Jovicevic. Er machte im Frühling 2017 ein Management-Buyout und holte sich Ex-Styria-Manager Michael Tillian als Gesellschafter. Beteiligt ist auch Mitgründer Lorenz Edtmayer, der mit „Darwin’s Lab“ eine Innovationsberatung betreibt. Diese wiederum zählt auch Nikolaus Pelinka zu den Gründungsmitgliedern, der nach seiner SPÖ-Karriere mit Rudi Kobza Geschäfte betreibt. 

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