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Nach dem Startup ist vor dem Startup
8. Dezember 2017 Startups Lesezeit 5 min
Startup-Erfolgsgeschichten sind in Österreich bislang rar. Viele scheitern leise, manchmal wählen die Gründer einen neuen Weg. Wir haben mit einigen von ihnen gesprochen.
Dieser Artikel gehört zum Projekt Startups und ist Teil 8 einer 10-teiligen Recherche.
Bild: Philipp Horak | Addendum

Tripwolf

gegründet 2008 als Online-Reiseführer von Sebastian Heinzel. Das Portal spezialisierte sich auf nutzergenerierte Inhalte und mobile Darstellung. Als Launch-Partner hatte das Startup den Verlag MairDumont an Bord. 2013 übernahm Andreas Langenscheidt das Unternehmen, das nach wie vor seinen Sitz in Wien hat.

Von Papier zu Digital zu Papier: So lässt sich Sebastian Heinzels bisherige Karriere zusammenfassen. Der ehemalige Journalist war 2007 für das Nachrichtenmagazin Profil als US-Korrespondent tätig und arbeitete an einer Reportage über Startups. „Für den Artikel habe ich unter anderem Markus Wagner interviewt, der gerade sein Unternehmen verkauft hatte und auf der Suche nach Ideen war“, erinnert sich der Unternehmer. Eine dieser Ideen fand Wagner mit Heinzel und Tripwolf, einer auf nutzergenerierte Inhalte spezialisierten Reiseplattform. „Damals gab es noch nicht einmal das iPhone“, lacht Heinzel. Das Startup war geboren. Etwas mehr als fünf Jahre später, Ende 2012, fand Tripwolf einen Käufer – und Heinzels Startup-Karriere vorerst ein Ende. Heute arbeitet der Ex-Gründer im Familienkonzern, dem Papierriesen Heinzel Group, als CEO des Handelsgeschäfts Heinzel Sales. Was ist dazwischen passiert?

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Tripwolf: Stiller Käufer

Der Verkauf von Tripwolf wurde so gut wie nicht kommuniziert – was verwundert, denn Tripwolf war eines der ersten Startups aus Wagners Inkubator i5invest gewesen und hatte deshalb in Branchenmedien regelmäßig Erwähnung gefunden. Nach der Gründungsphase in New York hatte Heinzel Tripwolf für den offiziellen Launch 2008 nach Österreich gebracht. Zu der Zeit hatte das junge Unternehmen schon seinen ersten strategischen Partner, den Reiseverlag MairDumont, an Bord gehabt. Die Online-Plattform hatte, erzählt Heinzel, in den ersten Jahren laut Heinzel rasches Wachstum vorzuweisen gehabt, „weil wir einen Startvorteil hatten“. Das Team hatte es verstanden, sich mit der richtigen Marketingstrategie an die Spitze der Suchmaschinen und App-Store-Charts zu bringen. Heute würde das nicht mehr so einfach gehen. Mehr als eine Million Euro hatte das Gründerteam von Investoren eingesammelt und sich außerdem Finanzspritzen der Förderagenturen AWS und FFG geholt.

Ungeplanter Exit

Ein Exit nach fünf Jahren sei nicht unbedingt geplant gewesen, sondern habe sich im Laufe der Gespräche entwickelt, erzählt Heinzel über den Verkauf seiner Reise-App an den deutschen Verleger Andreas Langenscheidt. Dass der Tripwolf-Exit nicht offiziell kommuniziert wurde, sei der Wunsch des neuen Eigentümers gewesen. Über den Deal sei Stillschweigen vereinbart worden. Das Unternehmen sitzt übrigens heute noch in Wien. Heinzel selbst stand nach seinem Abgang von Tripwolf 2013 wie seinerzeit in New York vor der Frage, wohin es ihn beruflich verschlagen würde. Letztendlich entschied er sich für den Familienkonzern, um dort seine unternehmerische Erfahrung einzubringen. „Man denkt sich, Papier ist das Langweiligste, aber es ist genau das Gegenteil“, sagt der Manager über seine aktuelle Aufgabe. Was ihm die Startup-Erfahrung für die Konzernkarriere gebracht hat? „In einem Startup bekommst du einen 360-Grad-Blick vom Unternehmen, du musst dich mit allen Bereichen beschäftigen.“

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Der Tripwolf-Erfinder beobachtet die Startup-Szene heute aus der Distanz, hat sich jedoch nicht ganz verabschiedet. Er investiert als Business Angel in Jungunternehmer. Für den Papierkonzern, sagt er,  habe er aber noch keinen potenziellen Übernahmekandidaten gefunden.

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Die österreichischen Startup-Pleiten der vergangenen Jahre

Yasssu: 2007 gegründet als Online-Nachrichtendienst, erhielt von AWS und FFG laut Medienberichten mehr als 900.000 Euro, meldete 2014 Konkurs an.

Woodero: Der Hersteller von Holz-Hüllen für Tablets sammelte 2013 über Crowd-Finanzierung 166.300 Euro von privaten Unterstützern ein, zwei Jahre später wurde das Jungunternehmen in einem Konkursverfahren aufgelöst.

Meinkauf: 2011 gegründet, das Unternehmen digitalisierte Flugblätter und erhielt öffentliche Finanzierung in Höhe von 1,8 Millionen Euro. Das Insolvenzverfahren wurde 2016 eröffnet und ist laut Geschäftsführung noch nicht abgeschlossen.

Kochabo: Nach dem Teilverkauf an Marley Spoon im Jahr 2015 meldete die Holding 2016 den Konkurs an. Das Sanierungsverfahren läuft nach Informationen der Gründer noch.

Freygeist: Der 2014 gegründete E-Bike-Hersteller holte sich über eine deutsche Crowdinvesting-Plattform 1,5 Millionen Euro von Privatinvestoren und meldete Anfang 2017 in Österreich und Deutschland Insolvenz an.

Kochabo-Pleite

Dass Startups oft nicht mit Millionen-Verkäufen enden, sondern auch einmal pleitegehen, hat Michael Ströck vor zwei Jahren erlebt. Er kommt aus der Wiener Bäckerfamilie und startete 2012 den Lieferdienst „Kochabo“. 2015, erzählt Ströck, platzte eine geplante Finanzierungsrunde kurzfristig. Daraufhin wurde das operative Geschäft außergerichtlich saniert und an den Berliner Mitbewerber „Marley Spoon“ verkauft, an dem die ehemaligen Kochabo-Gesellschafter heute beteiligt sind. Die Holdinggesellschaft wurde 2016  in die Insolvenz geschickt – zum Schutz eines Großgläubigers, wie der Gründer erklärt. „Es war uns nicht mehr möglich, rechtzeitig Ersatz zu finden. Das war der mit Abstand beste Weg für alle Beteiligten.“ Auf die Details kann Ströck nicht eingehen, er verrät nur so viel: „Für mich wäre Kochabo zu diesem Zeitpunkt noch nicht fertig gewesen, ich hätte gerne noch weitergemacht.“ Auch die Sanierung würde er heute anders angehen.

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Kochabo

startete 2012 als Vertrieb von Kochboxen, bei denen Zutaten vorportioniert waren und das Rezept für das Gericht mitgeliefert wurde. Wenige Monate nach dem Launch expandierte der Dienst nach Deutschland, stellte ihn kurz danach aber wieder ein. 2015 verkaufte Kochabo das Geschäft an das deutsche Startup „Marley Spoon“, das die Kochboxen unter dem neuen Namen in Österreich verkauft.

Das neue Projekt: Gustav

Mittlerweile hat Ströck allerdings ein neues Projekt. 2016 gründete er „Gustav“, eine Plattform zur Vermittlung von temporären Arbeitskräften. Mit Förderungen und Business Angels arbeitete das Startup ein Jahr, bevor es im Sommer 2017 in das Accelerator-Programm Y Combinator ging, das auch zahlreiche Milliarden-Startups wie Airbnb und Uber absolvierten. Seither fokussieren Ströck und sein Team auf den US-Markt.

Wie Heinzel beteiligt sich auch Ströck zum Teil an Jungunternehmen und ist unter anderem im Speedinvest-Fonds investiert. Und wie Heinzel hatte auch er in der Gründungsphase Markus Wagner von i5invest an seiner Seite. Dass Tripwolf einmal verkauft werden soll, sei immer der Plan gewesen. „Wir hatten schon zu Beginn eine Liste an potenziellen Partnern“, sagt Heinzel. Einer auf der Liste sei auch der spätere Käufer Langenscheidt gewesen.

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Kiweno

Das 2014 gegründete Startup vertreibt Tests für Lebensmittelunverträglichkeiten. Die im Online-Shop verkauften Test-Kits werden von externen Labors ausgewertet. 2016 sorgte Kiweno für Negativschlagzeilen wegen der Testmethoden. 2017 zog sich Gründerin Bianca Gfrei zurück.

Kiweno: Ausstieg nach der Krise

Bianca Gfrei hat ihr Startup weder verkauft noch in Konkurs oder Insolvenz geschickt, sondern selbst verlassen. Die Tirolerin vermarkete mit ihrem Unternehmen Kiweno den Nahrungsmittelunverträglichkeitstest eines deutschen Labors. Einer der frühen Investoren war der auf Health-Startups spezialisierte Investor Hansi Hansmann. Nach dem Auftritt in der Show „2 Minuten 2 Millionen“ bei Puls4 folgten kritische Medienberichte, die das Produkt von Kiweno hinterfragten. Es folgten mediale Vergleiche mit dem US-Startup Theranos, das einen umstrittenen Bluttest entwickelt hatte, und dessen Gründerin Elizabeth Holmes. Weil Geschäftspartner und Investoren absprangen, droht dem Unternehmen jetzt das Aus.

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Kiweno sieht das anders: Eigenen Angaben zufolge ist der Anbieter von Unverträglichkeitstests bereits profitabel. Gfrei gab im Oktober bekannt, sich aus der Geschäftsführung zurückzuziehen. Ihr Abschied heiße nicht, dass sie nicht mehr an die Idee glaube, kommentierte sie damals ihre Entscheidung. 

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