Cum-Ex: Ermittlungen gegen Aufdecker
Die Staatsanwaltschaft Hamburg ermittelt gegen CORRECTIV-Chefredakteur Oliver Schröm. Nach früheren Cum-Ex-Enthüllungen Schröms leitete die Schweiz ein Verfahren gegen den Journalisten ein. Nun geht ihr ausgerechnet Deutschland zur Hand.
Die Enthüllungen im Rahmen des Rechercheprojekts „CumEx Files“ haben eines klar gezeigt: Wenn es darum geht, die Bürger vor Milliardentricks von Banken und reichen Investoren zu bewahren, ist die grenzüberschreitende Zusammenarbeit europäischer Behörden höchst ausbaufähig. Besser klappt die Kooperation offensichtlich, wenn es darum geht, Journalisten zu kriminalisieren.
Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat Ermittlungen gegen Oliver Schröm, den Chefredakteur des deutschen Recherchezentrums CORRECTIV, gestartet. Unter seiner Leitung hatte CORRECTIV im Oktober 2018 zusammen mit 18 Medienpartnern – darunter Addendum – den größten Steuerraub Europas aufgedeckt. Das Fazit: Zwölf EU-Staaten wurden durch Cum-Ex- und ähnliche Geschäfte um mindestens 55 Milliarden Euro geschädigt.
Schweiz jagte mögliche Informanten
Bereits im März 2018 war die Zürcher Staatsanwaltschaft von mehreren Medien mit Anfragen konfrontiert worden. Möglicherweise erinnerte sich die Behörde daran, dass sie vier Jahre zuvor Ermittlungen gegen Schröm wegen seiner früheren Cum-Ex-Veröffentlichungen gestartet hatte. 2014 ließ die Behörde sogar zwei frühere Mitarbeiter einer Schweizer Privatbank, die tief in den Cum-Ex-Skandal verstrickt ist, verhaften. Sie wurden verdächtigt, Informanten Schröms zu sein.
Am selben Tag, an dem die nunmehrige Medienanfrage einlangte, bat die Zürcher Behörde die Staatsanwaltschaft Hamburg um Übernahme des Verfahrens und forderte die Kollegen in der Hansestadt auf, gegen Schröm wegen des Vorwurfs „Verletzung des Geschäftsgeheimnisses“ vorzugehen. Dem kam man in Hamburg nach und startete Ermittlungen „wegen des Verdachts der Anstiftung zum Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen und unbefugter Verwertung“.
„Behörden von Tätern instrumentalisiert“
Dabei handelt es sich um einen Paragrafen aus dem Wettbewerbsrecht. Dass dieser gegen einen Journalisten angewandt wird, ist bemerkenswert. CORRECTIV reagiert darauf mit einem offenen Brief, in dem es heißt: „Der Versuch, einen Journalisten und eine ganze Redaktion mundtot zu machen, ist ein Missbrauch des Strafrechts. Es ist erschreckend, dass deutsche Behörden sich von den Tätern dazu instrumentalisieren lassen.“
Aktuell läuft in mehreren europäischen Ländern die Umsetzung einer EU-Richtlinie. In Deutschland könnte das zu einer noch viel weitergehenden Gesetzesverschärfung führen. Schröms Anwalt Jes Meyer-Lohkamp warnt vor einem „schwerwiegenden Angriff gegen die Pressefreiheit“.
Österreichs Finanzminister ändert Kurs
Was Enthüllungen wie die „CumEx Files“ erreichen können, zeigte sich in Österreich Anfang Dezember 2018. Bisher hatte das Finanzministerium behauptet, in Österreich sei aus Cum-Ex-Geschäften – also aus der Mehrfachrückerstattung nur einmal bezahlter Dividendensteuer – „kein Schaden evident“. Nun kündigte Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) im Parlament plötzlich an, den Gesamtschaden bis März 2019 zu beziffern.
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