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Verroht die Jugend? Ja und nein
15. Juli 2018 Strafrecht Lesezeit 4 min
Die Gewalttätigkeit von Jugendlichen nimmt zu. Davon waren Wiener Bürger im Gespräch mit Strafverteidiger Rudolf Mayer überzeugt. Mit Daten aus der Kriminalstatistik lässt sich diese gefühlte Wahrheit nur teilweise belegen.
Dieser Artikel gehört zum Projekt Strafrecht und ist Teil 4 einer 4-teiligen Recherche.
Bild: Bernd Euler | Visum

„Die Aggressivität von Jugendlichen wird höher. Wir haben es mit einem kulturellen Wandel zu tun.“

„Heute wirst du von einem 14-Jährigen niedergestochen. Da muss man aufpassen.“

„Wenn kein Geld in der Tasche ist, wenn Hunger da ist: Was wird man machen außer kriminelle Sachen?“

Diese Aussagen haben wir bei unserem Spaziergang in Wien mit dem Strafverteidiger Rudolf Mayer von Passanten gehört. Dass die Jugend immer verdorbener werde, gehört zu den Stehsätzen vieler Stammtisch- und Familiengespräche. Entspricht diese gefühlte Wahrheit auch Ihrer Auffassung? Wie schätzen Sie die Entwicklung der Zahl der Gewaltdelikte von Jugendlichen in Österreich ein? Gibt es ein Plus an Anzeigen oder ein Minus? Geben Sie Ihren Tipp hier ab:

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Wie aus der Auflösung hervorgeht, ist die Zahl im Zehn-Jahre-Vergleich um ein Drittel geschrumpft. Seit 2008 ist die Zahl der Gewaltdelikte von jugendlichen Tatverdächtigen (14 bis 17 Jahre) von 5.424 auf 3.654 gesunken.

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Dass die befragten Bürger nicht in Angst vor Übergriffen von Jugendlichen leben müssten, zeigt eine zweite Entwicklung: Der Anteil der Opfer, die zum Täter keinerlei Beziehung haben, ist rückläufig. Er ist von 38 Prozent auf 27 Prozent gesunken.

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Für Walter Fuchs, Forscher am Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie, ist die Kluft zwischen Wahrnehmung und den Kriminalitätszahlen nachvollziehbar: „Die Sorge, dass die Welt den Bach runtergeht, weil die Jugend so verdorben ist, ist nicht neu. Das ist eine alte Redeweise, die schon auf historischen Schrifttafeln zu finden war. Dahinter stecken auch unterbewusste Befürchtungen. Etwa, ob die Generationenübergabe funktioniert. Oder die Angst, dass die Jugend einem selbst im Alter nicht mehr hilft.“ Mitverantwortlich dafür sieht er die Medien- und Filmwelt, die mit greller Aufmachung falsche Bilder entstehen lasse. Dass der österreichische Boulevard die jährliche Kriminalstatistik nach Belieben interpretiert, hat das Portal Kobuk etwa hier und hier aufgeschlüsselt.

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Jugend greift zum Messer

Dieser Faktor und auch die Art der eingesetzten Waffen sind potenzielle Quellen für die Verunsicherung. Denn: Die Zahl der Messerstechereien mit jugendlichen Beteiligen hat sich in den vergangenen Jahren vervielfacht.

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Im Jahr 2017 hat die Polizei bei 566 Straftaten mit Stichwaffen Tatverdächtige im Alter bis 17 Jahre ermittelt. 2008 waren es noch 99. In der Bundeshauptstadt Wien allein ist die Entwicklung ähnlich. Hier gab es im gleichen Zeitraum einen Anstieg von 60 auf 186 Straftaten. Vincenz Kriegs-Au, Sprecher für das Bundeskriminalamt, sieht sich mit einem Teufelskreis konfrontiert: „Jeder Angriff mit einer Stichwaffe wird medial aufgegriffen. Das führt zu Verunsicherung in der Bevölkerung, und man steckt sich dann eher ebenso ein Messer ein – dadurch steigt das Risiko, dass das, was früher eine Schlägerei war, zu einer Messerstecherei wird. Das trifft vor allem für Jugendliche mit Migrationshintergrund zu. Die Vorurteile kommen nicht irgendwo her.“ 

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