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Warum strafen wir?
12. Juli 2018 Strafrecht Lesezeit 3 min
In unserer Gesellschaft ist es üblich, Menschen, die Verbrechen begangen haben, zu bestrafen. Welchen Nutzen zieht die Gesellschaft daraus? Als Voraussetzung für eine qualifizierte Diskussion über das Strafmaß sollte man sich bewusst machen, warum wir überhaupt strafen.
Dieser Artikel gehört zum Projekt Strafrecht und ist Teil 1 einer 4-teiligen Recherche.
Bild: Michael Gruber | EXPA

Warum bestrafen wir Menschen, die Verbrechen begangen haben? Fast unausweichlich taucht diese Frage auf, sobald Justiz- und Strafrechtsreformen diskutiert werden. Der Grund dafür ist wohl, dass diese Frage eine Antwort – oder zumindest eine ausreichende Auseinandersetzung – verdient, bevor die Diskussion über Art und Dauer der Strafe beginnen kann.

Es ist wichtig, die Gründe, warum wir überhaupt strafen, im Auge zu behalten, wenn wir darüber diskutieren, wie viel Zeit eine Person, die zum Beispiel eine Gewalttat oder ein Sexualverbrechen begangen hat, im Gefängnis verbringen soll. Schicken wir Kriminelle etwa ins Gefängnis, um Rache zu nehmen? Versuchen wir, sie zu rehabilitieren? Oder schicken wir Kriminelle einfach nur ins Gefängnis, um sie davon abzuhalten, weitere Straftaten zu verüben?

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Vier Gründe für Bestrafung

Seit vielen Jahren diskutieren Rechtswissenschaftler – hauptsächlich Kriminologen – darüber, warum wir strafen. Obwohl sie viel Zeit und Aufwand in die Beantwortung dieser zentralen Frage gesteckt haben, sind sich Experten in ihren Antworten nicht einig. Die Frage wird immer noch energisch debattiert. Das liegt wohl an der inhärenten Komplexität der Thematik und bis zu einem gewissen Grad auch daran, dass zuverlässige empirische Evidenz, welche Formen der Bestrafung der Gesellschaft zuträglich sind, nur schwer zu bekommen ist. Betrachtet man die wissenschaftliche Arbeit zum Thema, können vier Hauptgründe für das Bestrafen ausgemacht werden:

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Vergeltung

Ein Verbrechen ist ein moralisches Vergehen, welches die Gesellschaft zu bestrafen hat.

In diesem Sinne „bezahlt“ der Täter für das, was er der Gesellschaft angetan hat. Heutzutage wird diese Begründung von manchen als primitiv erachtet, da man es so verstehen könnte, dass die Gesellschaft Rache für das Verbrechen nimmt. Ebenso wird argumentiert, dass ein Unrecht das andere nicht aufhebe.

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Abschreckung

Wir sollten bestrafen, da es Einzelne davon abhält, Verbrechen zu begehen.

So wird die Gesamtzahl an Verbrechen innerhalb der Gesellschaft reduziert. Dieses Argument wurde unter anderem dafür kritisiert, dass es auf der falschen Vorstellung beruht, dass Kriminelle tatsächlich zwischen dem potenziellen Nutzen und der möglichen Bestrafung für das Verbrechen abwägen. Kriminelle, so das Gegenargument, wägen die Gewinne eines Raubes nicht vorab gegen die Möglichkeit ab, dass sie dafür vier bis sieben Jahre ins Gefängnis wandern könnten.

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Rehabilitation

Kriminelle sollten bestraft werden, weil es sie zu guten Menschen macht, welche danach einen wertvollen Beitrag für die Gesellschaft leisten werden.

In dieser Betrachtungsweise liegt es – streng genommen – im eigenen Interesse der Kriminellen, bestraft zu werden. Gegner dieser Ansicht argumentieren, dass Bestrafung keine positiven Effekte auf die Einstellung und das zukünftige Leben des Kriminellen hat. Die Datenlage unterstützt dieses Gegenargument, da bereits bestrafte Kriminelle weiterhin Straftaten begehen und es eine hohe Rückfallquote gibt.

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Unschädlichmachen

Kriminelle werden zumindest für die Zeit, die sie hinter Gittern verbringen, davon abgehalten, Verbrechen (jenseits der Gefängnismauern) zu begehen.

Diese Begründung von Bestrafung wird vor allem dann angewendet, wenn es darum geht, sogenannte Berufsverbrecher von den Straßen fernzuhalten. Dass ein Gefängnisaufenthalt manche Insassen erst zu Berufsverbrechern erzieht, ist ein gängiges Gegenargument.

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Uneinigkeit

Insgesamt kann viel für und gegen die mehr oder weniger starke Bestrafung von Kriminellen vorgebracht werden. Es gibt keine klar richtig oder falsche Antwort. In diesem Feld wird weiterhin geforscht, und Kriminologen werden sich kaum jemals komplett darüber einig werden, warum wir bestrafen sollten. Dasselbe scheint auch für Politiker und Bürger – Kriminelle eingeschlossen – zu gelten. Die Frage, warum wir bestrafen, scheint zu komplex und moralisch zu stark behaftet zu sein, um einen generellen Konsens schaffen zu können.

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Aus dem Englischen übersetzt von Stephan Frank

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