Die Angst vor dem islamistischen Terror ist mit den Anschlägen von Paris, Nizza, Brüssel und Berlin zum festen Bestandteil der europäischen Öffentlichkeit geworden. Das, sagen Kritiker, sei genau das, was die Terroristen erreichen wollten, manche gehen so weit, von einer „medialen Konstruktion” zu sprechen, die mit der tatsächlichen Gefahrenlage nichts zu tun habe und nur den Dynamiken der digitalisierten Medienwelt geschuldet sei.
Ein Blick zurück in den „Deutschen Herbst” des Jahres 1977, den Höhepunkt des RAF-Terrors, liefert eher wenig Belege für diese Sicht. Vor allem, wenn man bedenkt, dass zwischen der dritten, linksextremen „Welle” des Terrorismus und der gegenwärtigen vierten, islamistischen Welle ein wesentlicher Unterschied besteht: Damals betraf die konkrete Bedrohung primär Spitzenrepräsentanten des Staates, heute kann es jeden Bürger treffen.
Überhaupt liefert der Blick in die Vergangenheit den Schlüssel für das Verständnis der gegenwärtigen Bedrohungen. Vor allem die lange Reihe an folgenschweren Interventionen der USA im Nahen Osten hat wesentlich zur Entstehung der aktuellen terroristischen Bedrohung beigetragen. Das beginnt mit der Intervention im Iran 1953, zuletzt waren es vor allem die Interventionen im Irak und in Libyen, die erst die Voraussetzungen für das Entstehen des „Islamischen Staates” und seine Ausbreitung nach Nordafrika geschaffen haben.
Für die Bebilderung unseres Projekts haben wir einen MAN TGL 8.18 12t Lastkraftwagen mit Kofferaufbau an prominenten Plätzen Österreichs festgehalten, da in letzter Zeit ähnliche Fahrzeugtypen als Waffen bei diversen Terroranschlägen in Europa verwendet wurden. Schließlich ist die Frage, die wir uns stellen: Müssen wir mit Terror leben lernen? Und zwar eben auch in Österreich.
Die wichtigsten Erkenntnisse:
Darüber, wie sich die europäischen Staaten vor der Bedrohung schützen können, gibt es sehr kontroversielle Debatten, die sich vor allem auf die Frage beziehen, wie weit der Staat und seine Sicherheitsapparate mit dem Argument der Terror-Prävention in die Privatsphäre der Bürger vordringen dürfen – Stichwort „Staatstrojaner” .
Ähnlich kontroversiell verläuft die Diskussion darüber, ob die Deradikalisierungsprogramme , mit denen vor allem Jugendliche resozialisiert werden sollen, die nach ihrer Rückkehr aus Syrien zu Gefängnisstrafen verurteilt wurden, funktionieren können.
Für welche Strategie man sich in der Deradikalisierungsarbeit entscheidet, hängt davon ab, wie man den Prozess der Radikalisierung und vor allem die Rolle der Religion in diesem Prozess versteht. Und wohl auch davon, wie gut man über die kulturellen Hintergründe des salafistischen Programms Bescheid weiß, das tausende europäische Jugendliche in die Arme des „Islamischen Staats” getrieben hat.
Die Europäer müssten lernen, mit dem Terror zu leben, sagen viele Experten. Bei der Frage, wie das geht, wie es gelingen kann, Wachsamkeit und Gelassenheit, effiziente Präventionsarbeit der Nachrichtendienste und Anti-Hysterie-Programme unter einen Hut zu bringen, lohnt ein Blick in die Stadt, die seit Jahrzehnten mit dem Terror leben muss: Tel Aviv .
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