Markus Hametner ist in seiner Freizeit auch für das Forum Informationsfreiheit tätig. Dieser Verein setzt sich seit fünf Jahren für eine Abschaffung des Amtsgeheimnisses ein.
Was uns bisher nur als Schreiben des Finanzamtes vorlag, bestätigt nun ein Bescheid: Für journalistische Anfragen fällt keine Gebühr an. Der Aufhebungsbescheid des Finanzamtes, der uns gestern erreichte, macht die uns von der Gemeinde Gratkorn vorgeschriebene Gebühr, die wir aufgrund unserer Anfragen bezüglich Sport- und Kulturförderungen hätten entrichten sollen, obsolet.
Wir haben Post bekommen: Der Gemeindevorstand der Gemeinde Velm-Götzendorf in Niederösterreich hat am 27. August entschieden, dass Addendum für Anfragen bezüglich Sport- und Kulturförderungen tatsächlich keine Gebühren vorgeschrieben werden können – jedenfalls nicht von der Gemeinde. Aus diesem Grund leitet die Gemeinde die Sache nun an das Finanzamt weiter. Allerdings: Das Finanzamt selbst hat ja bereits am 19. Juli uns und dem Gemeindebund mitgeteilt, dass im Fall einer journalistischen Anfrage keine Gebühren anfallen.
Es bleibt außerdem weiterhin spannend: Denn an der Verwaltungsabgabe von 9,05 Euro wird vonseiten der Gemeinde festgehalten. Um diese zu bekämpfen, steht Addendum die Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich offen – die ihrerseits 30 Euro Gebühr kostet.
Ein neues Schreiben des Finanzamts bestätigt, dass journalistische Anfragen grundsätzlich gebührenfrei sind. Vor dieser Erledigung war eine journalistische Anfrage an alle Gemeinden mit einem Kostenrisiko von etwa 30.000 Euro verbunden.
Zu Beginn des Jahres richtete Addendum gleichlautende Anfragen an alle 2.098 österreichischen Gemeinden, um zu erfahren, welche Sport- und Kulturförderungen jeweils in den Jahren 2015, 2016 und 2017 vergeben wurden. Die Intention der Anfragenserie: eine Transparenzdatenbank für Förderungen zu erstellen . Rund die Hälfte der Gemeinden ignorierte unsere Anfragen, viele verweigerten die Antwort (die Grenze der Auskunftspflicht markiert ein echtes Austriacum: das Amtsgeheimnis ), rund ein Fünftel der Gemeinden, die uns doch antworteten, teilten uns noch eine zusätzliche Hürde für unser Informationsbegehren mit: Der Gemeindebund hatte beim Finanzamt für Gebühren in Salzburg nachgefragt, und demzufolge seien unsere Anfragen Eingaben nach Gebührengesetz, für die jeweils eine Gebühr von 14,30 Euro zu entrichten sind.
Anfragen unterliegen Gebühren, sofern sie von Privatpersonen an Organe der Gebietskörperschaften gestellt werden und im Privatinteresse des Anfragestellers sind. Demnach sind Anfragen, die von Journalisten im ausschließlich öffentlichen Interesse an die Gemeinden gestellt werden, grundsätzlich von Gebühren befreit – sollte man meinen. Da etliche Gemeinden anderer Auffassung waren und letztlich auch der Gemeindebund keine einheitliche Linie herzustellen vermochte, erhielten wir vom Finanzamt die Mitteilung, man würde unsere Anfragen – alle, 2.098 im Wortlaut idente Anfragen – im Einzelfall dahingehend prüfen, ob eine Gebührenpflicht vorläge.
Nun, tut sie nicht. Die nunmehrige Erledigung des Finanzamts ist tatsächlich ein Erfolg für die journalistische Arbeit in Österreich. In ihr wird festgestellt, dass, sofern aus der Anfrage klar ersichtlich ist, dass ein öffentliches Interesse auf Berichterstattung, Information, Kenntnis der Faktenlage, Recherche und Datenanalyse oder dergleichen vorliegt, und diesem durch Publikation in einem der Öffentlichkeit zugänglichen Medium nachgekommen werden soll, keine Gebühr anfällt. „Privatinteressen“, wie die Steigerung der Auflage oder Erhöhung der Bekanntheit des Mediums, treten laut dem Finanzamt in den Hintergrund, sollen also nicht berücksichtigt werden.
In der neuen Rechtsmeinung, die wir im Volltext veröffentlichen, bezieht sich das Finanzministerium unter anderem auf eine Grundsatzentscheidung des Verwaltungsgerichtshofs von Ende Mai, die Journalisten mehr Rechte auf Informationzsugang zuerkennt. Diese Entscheidung wurde vom Forum Informationsfreiheit und von Addendum-Datenjournalist Markus Hametner erreicht und bestätigt ein Recht auf Zugang zu Dokumentenkopien und teilweisen Zugang zu Informationen – das heißt, eine Anfrage muss beantwortet werden, selbst wenn (dann zu schwärzende) Teile der angefragten Dokumente weiterhin geheimzuhalten sind. Als Ergebnis des Urteils muss die Stadt Wien den Wortlaut von 1.200 von Mitarbeitern gesammelten Einsparungsvorschlägen offenlegen, aufgrund derer laut Medienberichten über 100 Millionen Euro eingespart werden können.
Die fünf bisher von Addendum eingebrachten Rechtsmittel gegen die von einzelnen Gemeinden vorgeschriebenen Gebühren dürften mit diesem Schreiben des Finanzamts Geschichte sein.
Weiterhin im Instanzenzug befinden sich diverse Rechtsmittel gegen Gemeinden, die uns Informationen zu Förderungen verweigert haben. Diese betreffen die Grauzonen des Gesetzes, insbesondere die Fragen, wie viel Aufwand Behörden im Rahmen einer Anfragebeantwortung zuzumuten ist und wie das Spannungsfeld zwischen Datenschutz von Förderempfängern und dem Interesse der Öffentlichkeit an einer transparenten Verwendung von Steuergeld aufzulösen ist.