Eine Frage – zehn Antwortmöglichkeiten
Der Staat gesteht dem Bürger ein Recht auf Information an seinem Handeln zu. Für die Beantwortung ein und derselben Frage gelten aber in jedem Land andere Regeln. Ob und welche Auskunft der Bürger daher am Ende erhält, ist nicht nur unterschiedlich, sondern gänzlich ungewiss.
Der Staat soll dem Bürger dienen, er soll offen und transparent sein, so die moderne Staatsphilosophie. Bis zu deren Umsetzung ist es allerdings noch ein weiter Weg. Oft erlebt man „am Amt“ eine Realität, die den Bürger in der Rolle des Bittstellers sieht.
Die Öffnung des Staats ist ein langsamer Prozess. Er findet aber tatsächlich statt.
Ein Meilenstein im Jahr 1986
Im Jahr 1986 wurde die Auskunftspflicht der Bundesministerien eingeführt. Aufgrund der positiven Erfahrungen sollte diese bereits im darauffolgenden Jahr auf alle Organe des Bundes ausgedehnt werden. Im Zentrum der damaligen Überlegungen stand bereits das Informationsbedürfnis der Bürger.
und der bundesgesetzlich geregelten Selbstverwaltung. Sie gilt für die Hoheitsverwaltung – insbesondere auch für die Justizverwaltung – ebenso wie für die Privatwirtschaftsverwaltung
Die Verwaltung soll funktionieren
Die Erfahrungen von 1986 haben gezeigt, dass die Auskunftspflicht eine Win-win-Situation für den Bürger und den Staat war. Des Bürgers Informationsbedürfnis wurde befriedigt, „ohne den Gang der staatlichen Verwaltung über Gebühr zu behindern“, heißt es dazu in den Gesetzeserläuterungen. Die Bürger sollen aber nicht durch zu viele und zu intensive Anfragen die Verwaltung lahmlegen. Daher ist im entsprechenden Gesetz des Bundes quasi zum Schutz der Verwaltung ein „Nachrang der Auskunftserteilung gegenüber den übrigen Aufgaben der Verwaltung“ festgeschrieben. Auskunftsbegehren sollten also konkrete, in der vorgesehenen kurzen Frist beantwortbare Fragen enthalten, die die übrigen Verwaltungsabsläufe nicht beeinträchtigen.
Zu neuen Gesetzen oder Änderungen gibt es in der Regel sogenannte Materialien, die Erläuterungen (diese enthalten eine nähere Beschreibung des Inhalts, Motive und finanzielle Auswirkungen) oder eine Gegenüberstellung mit der bisherigen Rechtslage umfassen.
Aus 1 mach 10
Der Bund hat im Jahr 1987 ein Bundesgrundsatzgesetz über die Auskunftspflicht der Verwaltung der Länder und Gemeinden erlassen.
Vereinfacht gesagt, kann jedermann von Organen der Länder und der Gemeinden telefonisch, schriftlich oder mündlich Auskünfte über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches verlangen. Nähere Details – etwa über Umfang und Frist – sind in Ausführungsgesetzen zu regeln. Somit gibt es in Österreich ein Auskunftspflichtgesetz des Bundes.
Details zu den Auskunftspflichten der Länder sind auf der Website starkeabgeordnete.at veröffentlicht. Die einzelnen Länder haben das Grundsatzgesetz teilweise abgeändert und teilweise andere Bereiche – etwa Datenschutz oder Landesstatistiken – mitgeregelt.
Nicht jede Verwaltung muss funktionieren
Das Bundesgesetz sowie die Landesgesetze im Burgenland, in Salzburg und in der Steiermark sehen vor, dass durch Auskünfte die Aufgaben der Verwaltung nicht wesentlich beeinträchtigt werden dürfen.
Anders ist diese Verweigerungsmöglichkeit in den übrigen Bundesländern geregelt. Dort dürfen durch die Auskunftserteilung die übrigen gesetzlichen Aufgaben des Organs nicht wesentlich beeinträchtigt werden.
Auf unsere Anfrage haben allerdings auch Gemeinden aus Oberösterreich und Tirol die Auskunft verweigert, weil die Beantwortung „nicht nur eine komplette Durchforstung der Buchhaltung, sondern auch weitergehende Recherchen betreffend nicht-monetäre Fördermaßnahmen und die Erarbeitung einer detaillierten nach Organisationen und Personen gegliederten Aufstellung erfordern“.
Die Auskunft kann tatsächlich verweigert werden, wenn sie zu viel Aufwand verursacht – in Oberösterreich und Tirol zählt allerdings nur der Aufwand der Organe. Eine zu intensive Belastung für die Verwaltung ist dort im Gesetz nicht angeführt.
Kärnten, Niederösterreich und Vorarlberg stellen zwar nur auf die Aufgaben des Organs ab, lassen eine Verweigerung aber zu, wenn generell umfangreiche Ausarbeitungen nötig wären. Oberösterreich, Tirol und Wien stellen ausschließlich auf die Aufgabenerfüllung beziehungsweise deren Beeinträchtigung der Organe ab.
in diesem Fall also etwa der Bürgermeister, der Gemeinderat oder der Gemeindevorstand
Die Organe wissen, dass sie nichts wissen
Selbstverständlich kann man den Staat alles fragen, aber weder das Organ noch die Verwaltung muss alles wissen. Insbesondere ist das Auskunftspflichtgesetz kein Tool, um den Staat zu einem Rechercheinstrument zu machen. Konkret ist damit gemeint, dass die Befragten nicht ihrerseits zu umfassenden externen Erhebungen verpflichtet werden sollen, sondern sich die Anfrage auf deren eigenen Bereich beschränken sollte. Im Amtsdeutsch der Gesetzesmaterialien heißt das dann:
„Auskünfte haben Wissenserklärungen zum Gegenstand, wobei ihr Gegenstand ausschließlich solche Informationen sind, die zum Zeitpunkt der Anfrage der Verwaltung bereits bekannt sind und nicht erst zum Zweck der Erfüllung der Auskunftspflicht beschafft werden müssen.“
Bürgermeister und Gemeinderat vergessen eigene Beschlüsse
Diese Formulierung haben auch zahlreiche Gemeinden in ihren Antworten an uns verwendet. In der vorgefertigten Stellungnahme des Gemeindebundes war dann zu lesen, „dass entsprechende Informationen nicht erst zum Zweck der Erfüllung der Auskunftspflicht beschafft oder erarbeitet werden müssen“. Aus Sicht des Befragten wäre diese Argumentation praktisch: Durch vorgegebene Unwissenheit – überspitzt formuliert auch in Form von Vergesslichkeit – über vormals eigenes Handeln könnte so jedes Auskunftsbegehren abgewehrt werden – damit wäre das Auskunftspflichtgesetz potenziell nie anwendbar. Eine derartige Absicht kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden.
Die Einschränkung auf Sachverhalte, die der Befragte weiß, enthalten fast alle Landesgesetze – keine entsprechende Formulierung gibt es lediglich in Niederösterreich und der Steiermark. Im Ergebnis darf man also die meisten Bundesländer nur zu Dingen befragen, die sie (potenziell) selbst wissen müssten.
Alternativ bliebe für jene Gemeinden, die die Auskunftspflicht mit Verweis auf diese Befreiung verweigert haben, ohne auch nur eine einzige Förderung bekannt gegeben zu haben, nur die Interpretation, dass deren Bürgermeister sowie der Gemeinderat sämtliche beschlossenen oder vergebenen Förderungen aus den letzten drei Jahren vergessen haben.
Damit es aber gar nicht zu solchen Auslegungsstreitigkeiten kommt, stellt das BMASK für Konsumentenfragen klar: „Sie haben einen Anspruch auf Auskunft über bei der Behörde bekannte Tatsachen, nicht aber auf die Beurteilung hypothetischer Sachverhalte (,was wäre, wenn?‘), oder auf Rechtsberatung.“ Die Behörde sollte also durchwegs darüber Auskunft geben können, was sie selbst beschlossen hat.
Das Gesetz enthält zwar keine Einschränkung auf Sachverhalte, von denen der Befragte weiß, aber eine Verweigerungsmöglichkeit: „Wenn die für die Erteilung der Auskunft erforderlichen Informationen erst beschafft werden müssen.“
Tirol soll nicht erheblich belastet werden
Etwas präziser hinsichtlich der Einschränkung auf bekannte Tatsachen ist das Land Tirol. Dort wird zunächst die Auskunftspflicht im § 1 Abs 2 auf gesichertes Wissen eingeschränkt. In weiterer Folge ist eine Verweigerung der Auskunft aber nur dann zulässig, wenn „die Erteilung der Auskunft Erhebungen, Berechnungen oder Ausarbeitungen erfordern würde, die die ordnungsgemäße Erfüllung der übrigen Aufgaben des Organs erheblich beeinträchtigen würden“. Den Tiroler Organen ist also zusätzlicher Aufwand zumutbar, solange dieser nicht eine undefinierte Erheblichkeitsschwelle überschreitet.
Auf unsere konkrete Anfrage haben auch Tiroler Gemeinden die Auskunft mit Verweis auf umfassenden Bearbeitungsaufwand verweigert. Zusammengefasst heißt das: Die Gemeinden hätten Förderungen, die sie selbst beschlossen haben und von denen sie somit auch wissen müssten, erst umfangreich bearbeiten und zusammenstellen müssen, was zu viel Aufwand bedeutet hätte. Diese Argumentation ist aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar.
Fragen kostet nichts
Aufgrund unserer Anfrage hat sich mit den Gemeinden ein intensiver Schriftwechsel entwickelt01 und nach einigen Frage-Antwort-Runden zu einer Gebührenaufforderung geführt04.
Hier lohnt ein Blick zurück zur Entstehung des Auskunftspflichtgesetzes im Jahr 1987. In den finanziellen Erläuterungen steht dort „im Vorhinein nicht exakt bezifferbare Kosten durch erhöhte Auskunftstätigkeit“. Wäre der Gesetzgeber damals schon von einer Gebührenpflicht ausgegangen, müsste sich ein entsprechender Hinweis bei den finanziellen Erläuterungen betreffend Einnahmen des Staates finden, weil dann in jedem Fall keine oder nur geringe Kosten entstehen könnten.
Manche Bundesländer telefonieren gerne
In den Auskunftspflichtgesetzen aus dem Burgenland, Oberösterreich, Tirol, Vorarlberg und Wien findet sich der Hinweis, dass die Auskunft „nach Möglichkeit mündlich oder telefonisch zu erteilen“ ist.
Zwei Gemeinden aus Vorarlberg haben diese gesetzliche Bestimmung nach unserer Anfrage per Mail auch tatsächlich in Erwägung gezogen und per Mail angeboten, die Auskunft telefonisch zu erteilen. Von einer Gemeinde haben wir im Sinne der Verwaltungsökonomie in der Zwischenzeit die Auskunft per Mail erhalten. Auf einen Rückruf der Gemeinde Wolfurt warten wir seit
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Effiziente Erledigung à la Niederösterreich
Die geschilderte Rechtslage – die unterschiedlichen Inhalte der Landesgesetze und deren Interpretationsmöglichkeiten – ist bereits sehr komplex. Natürlich ist die gesetzliche Regelung, wonach die Verwaltung (oder auch die Organe) nicht durch Auskunftsbegehren lahmgelegt werden sollen und eine entsprechende Verweigerungsmöglichkeit nachvollziehbar.
Teilweise konnte aber auch der Eindruck entstehen, dass der Aufwand für die Verweigerung der Auskunft, bereits den Aufwand für eine Beantwortung um ein Vielfaches übersteigt.
Das Niederösterreichische Auskunftspflichtgesetz hat zu dem Verwaltungsaufwand eine klare Meinung: „Der Verwaltungsaufwand für die Erteilung der Auskunft ist möglichst gering zu halten.“
Demgegenüber darf die Antwort der NÖ Gemeinde Maria Anzbach und deren Verständnis eines geringen Verwaltungsaufwands abgebildet werden:
Geringer Verwaltungsaufwand sieht wahrscheinlich anders aus.
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