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Über soziale Wachhunde und die Befreiung der Information
11. April 2018 Transparenz Lesezeit 7 min
Bürger haben ein Recht auf Information. Unter bestimmten Voraussetzungen können Behörden die Auskunft allerdings auch verweigern. Transparenz versus Amtsverschwiegenheit: ein nicht nur, aber doch sehr österreichischer Konflikt. Mittendrin: Medien und NGOs.
Dieser Artikel gehört zum Projekt Transparenz und ist Teil 3 einer 7-teiligen Recherche.
Bild: Addendum

Auskunftspflicht und Amtsverschwiegenheit im B-VG

Art. 20 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)

(3) Alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe sowie die Organe anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zur Verschwiegenheit über alle ihnen ausschließlich aus ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen verpflichtet, deren Geheimhaltung im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung, der auswärtigen Beziehungen, im wirtschaftlichen Interesse einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, zur Vorbereitung einer Entscheidung oder im überwiegenden Interesse der Parteien geboten ist (Amtsverschwiegenheit). Die Amtsverschwiegenheit besteht für die von einem allgemeinen Vertretungskörper bestellten Funktionäre nicht gegenüber diesem Vertretungskörper, wenn er derartige Auskünfte ausdrücklich verlangt.

(4) Alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe sowie die Organe anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts haben über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht; berufliche Vertretungen sind nur gegenüber den ihnen jeweils Zugehörigen auskunftspflichtig und dies insoweit, als dadurch die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben nicht verhindert wird. Die näheren Regelungen sind hinsichtlich der Organe des Bundes sowie der durch die Bundesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache, hinsichtlich der Organe der Länder und Gemeinden sowie der durch die Landesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung in der Grundsatzgesetzgebung Bundessache, in der Ausführungsgesetzgebung und in der Vollziehung Landessache.

Die Medien sollen informieren und bilden. Als gesellschaftlicher „Wachhund“ blicken sie hinter die Kulissen und schaffen Foren für einen wesentlichen Bestandteil unserer Demokratie: die öffentliche Debatte.

All dies setzt aber eines voraus: den Zugang zu den entsprechenden Informationen.

Eine der wesentlichen Informationsquellen ist die öffentliche Hand. Sie verfügt über eine Unmenge an Daten, die für ihre Bürger von Interesse sein können. Und damit auch für die Medien.

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Zur Auskunft und zum Schweigen verpflichtet

Das sieht auch der Gesetzgeber so, und deshalb hat er bereits im Bundes-Verfassungsgesetz vorgesorgt. Demnach haben grundsätzlich alle Organe, die mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betraut sind, sowie Organe anderer Körperschaften öffentlichen Rechts Auskünfte zu erteilen, wenn es Angelegenheiten ihres Wirkungsbereichs betrifft.

Die Grenze der Auskunftspflicht ist eine österreichische Besonderheit: die Amtsverschwiegenheit. Betroffen sind geheime Tatsachen, die dem jeweiligen Organ ausschließlich aus seiner amtlichen Tätigkeit bekannt sind – vorausgesetzt, die Geheimhaltung dient bestimmten öffentlichen Interessen oder ist im Interesse eines Privaten geboten.

Seit längerem wird über die Abschaffung der Amtsverschwiegenheit diskutiert. Da den oft unter dem Schlagwort Informationsfreiheit vorgebrachten Forderungen jedoch bisher kein Erfolg beschieden war, gilt nach wie vor: Wird das Amtsgeheimnis verletzt, so drohen schwerwiegende Konsequenzen. Eine strafrechtliche Verfolgung ist ebenso möglich wie ein Amtshaftungsverfahren.

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§ 310. Strafgesetzbuch (StGB)

(1) Ein Beamter oder ehemaliger Beamter, der ein ihm ausschließlich kraft seines Amtes anvertrautes oder zugänglich gewordenes Geheimnis offenbart oder verwertet, dessen Offenbarung oder Verwertung geeignet ist, ein öffentliches oder ein berechtigtes privates Interesse zu verletzen, ist, wenn die Tat nicht nach einer anderen Bestimmung mit strengerer Strafe bedroht ist, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.

(2) Ebenso ist zu bestrafen, wer als Mitglied eines Ausschusses gemäß Art. 53 B-VG bzw. eines nach Art. 52a B-VG eingesetzten ständigen Unterausschusses oder als zur Anwesenheit bei deren Verhandlungen Berechtigter ein ihm in vertraulicher Sitzung zugänglich gewordenes Geheimnis offenbart oder verwertet, dessen Offenbarung oder Verwertung geeignet ist, ein öffentliches oder ein berechtigtes privates Interesse zu verletzen.

(2a) Ebenso ist zu bestrafen, wer – sei es auch nach seinem Ausscheiden aus dem Amt oder Dienstverhältnis – als Organwalter oder Bediensteter des Europäischen Polizeiamtes (Europol), als Verbindungsbeamter oder als zur Geheimhaltung besonders Verpflichteter (Art. 32 Abs. 2 des Europol-Übereinkommens, BGBl. III Nr. 123/1998) eine Tatsache oder Angelegenheit offenbart oder verwertet, die ihm ausschließlich kraft seines Amtes oder seiner Tätigkeit zugänglich geworden ist und deren Offenbarung oder Verwertung geeignet ist, ein öffentliches oder ein berechtigtes privates Interesse zu verletzen.

(3) Offenbart der Täter ein Amtsgeheimnis, das verfassungsgefährdende Tatsachen (§ 252 Abs. 3) betrifft, so ist er nur zu bestrafen, wenn er in der Absicht handelt, private Interessen zu verletzen oder der Republik Österreich einen Nachteil zuzufügen. Die irrtümliche Annahme verfassungsgefährdender Tatsachen befreit den Täter nicht von Strafe.

So weit die Grundprinzipien. Davon ausgehend wurden dann noch ein Bundesgrundsatzgesetz sowie ein bundes- und neun landesrechtliche Gesetze zur Auskunftspflicht erlassen. Außerdem finden sich Präzisierungen wie auch Wiederholungen der Amtsverschwiegenheit in diversen dienstrechtlichen Vorschriften, so etwa in § 46 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG). Art. 20 Abs 3 und 4 B-VG selbst gewähren keine subjektiven Rechte der einzelnen Bürger auf Erteilung der Auskunft beziehungsweise auf Geheimhaltung. Um die Sache noch komplizierter zu machen, bestehen darüber hinaus Spezialregelungen, etwa im Umweltinformations- und Informationsweiterverwendungsgesetz sowie im Datenschutzgesetz.

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Offenlegung

Addendum-Autor Markus Hametner ist in seiner Freizeit auch für das Forum Informationsfreiheit tätig. Dieser Verein setzt sich seit fünf Jahren für eine Abschaffung des Amtsgeheimnisses ein.

Aufwand sticht Pflicht?

Unter bestimmten Voraussetzungen, die im jeweiligen Gesetz geregelt sind, kann die Auskunft allerdings auch dann verweigert werden, wenn kein Amtsgeheimnis vorliegt. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn dadurch die Aufgaben der Verwaltung beziehungsweise des Organs wesentlich beeinträchtigt werden würden . Aus diesen und ähnlichen Gründen ist es oft schwierig, an wichtige Informationen der öffentlichen Hand heranzukommen. Manchmal wird der Zugang überhaupt verweigert.

Auch wir haben kürzlich solche Erfahrungen gemacht . Viele der von uns an alle österreichischen Gemeinden zum Förderwesen verschickten Anfragen wurden abschlägig beantwortet, da ihre Beantwortung einen zu hohen Aufwand bedeuten würde.

Mit ähnlichen Schwierigkeiten kämpft zurzeit auch die Non-Profit-Organisation Forum Informationsfreiheit: Zwei ihrer Experten stellten Anfragen zu den Wählerverzeichnissen der vergangenen niederösterreichischen Landtagswahl an alle Gemeinden. Das Ergebnis waren weitgehend unvollständige Antwortschreiben.

Doch damit könnten sich die Gemeinden die Sache vielleicht zu einfach gemacht haben.

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Es tritt auf: Der EGMR

Das ergibt zumindest ein Blick auf die jüngere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.

Eine NGO beantragte im Jahr 2005 Kopien aller Entscheidungen bei der Tiroler Landes-Grundverkehrskommission zur Genehmigung land- und forstwirtschaftlicher Immobilienverkäufe  – in anonymisierter Form und gegen Kostenersatz, wohlgemerkt. Die Herausgabe wurde verweigert. Nachdem die NGO in allen Instanzen gescheitert war, zog sie gegen die Republik Österreich vor den EGMR – und bekam Recht. Die prinzipielle Weigerung der Behörde sei unverhältnismäßig und würde gegen das Grundrecht der Meinungsfreiheit verstoßen. Die Entscheidungen der Landes-Grundverkehrskommission seien von beträchtlichem öffentlichem Interesse.

Mit dieser Rechtsprechung des EGMR kann sich also aus dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit eine Verpflichtung des Staates ergeben, den Zugang zu Informationen zu gewährleisten und diese selbst bereitzustellen. Diese Rechtsprechung fand mit der genannten Entscheidung noch nicht ihr Ende, wie ein ähnlich gelagertes, vom ungarischen Helsinki-Komitee initiiertes EGMR-Verfahren zeigt, das im Jahr 2016 entschieden wurde.

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Österreichische Vereinigung zur Erhaltung, Stärkung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitzes gegen Österreich

Der österreichische Verfassungsgerichtshof war in seinem Erkenntnis vom 02.12.2011, B 3519/05 noch gegenteiliger Meinung gewesen: Aus Art. 10 EMRK resultiere keine Verpflichtung des Staates, den Zugang zu Informationen zu gewährleisten oder selbst Informationen bereitzustellen.

Dieses Grundrecht, mitunter auch (gemeinsam mit der Medienfreiheit) als „Kommunikationsfreiheit“ bezeichnet, ist im Rechtsbestand des österreichischen Verfassungsrechts insbesondere in Artikel 10 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) geregelt. Weitere Regelungen finden sich in Artikel 13 Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger 1867, in Ziffer 1 und 2 Beschluss der Provisorischen Nationalversammlung vom 30. Oktober 1918 sowie in Artikel 6 Staatsvertrag betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreich 1955.

Im gegenständlichen Zusammenhang des EGMR-Urteils ging es um eine Verletzung des Art. 10 EMRK im Sinne des „Rechts, Informationen zu empfangen“.

„Social Watchdogs“

Das Grundrecht der Meinungsfreiheit gilt grundsätzlich für alle – natürliche wie juristische Personen, Fremde wie Inländer. Die Medien sind somit zwar nicht privilegiert, allerdings aufgrund ihres vergleichsweise höheren Informationsbedarfs besonders betroffen.

Daher ist es naheliegend, dass der EGMR den Medien (das Gericht spricht von der „Presse“) besondere Funktion zuschreibt, sie schaffe „Foren für die öffentliche Debatte“. Gleiches könne auch für NGOs gelten, beide hätten als Social Watchdogs einen ähnlichen Grundrechtsschutz verdient.

Ein Schutz, der umso wichtiger ist, wenn es, wie im Anlassfall, um Behörden-Entscheidungen geht, an denen die Öffentlichkeit ein beträchtliches Interesse hat. Solche Informationen sollten den „gesellschaftlichen Wachhunden“ zur Verfügung gestellt werden – um sie so der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen zu können.

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Reden ist Gold

Wann ein solches „öffentliches Interesse“ vorliegt, darüber lässt sich streiten. Von der NGO Forum Informationsfreiheit im Rahmen ihrer Anfragen kontaktierte Gemeinden waren der Ansicht, die Anfragen würden im „Privatinteresse“ der Antragsteller liegen – was wiederum eine Gebühr auslösen würde, die die Gemeinden vorschreiben. Bei Vorliegen eines öffentlichen Interesses wären die Eingaben hingegen nicht vom Gebührengesetz umfasst.

Auch Addendum wurden für die im Rahmen dieses Projekts versandten Anfragen solche Gebühren in Rechnung gestellt.

Dabei geht es um viel Geld: Die NGO könnte im aller schlimmsten Fall Gebühren von über 7.500 Euro, Addendum sogar von über 30.000 Euro zu tragen haben.

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Wohin gehst du, Steuergeld?

Wie diese Ansicht der Gemeinden, ein Medium und eine NGO würde Anfragen im Privatinteresse stellen, mit ihren Aufgaben und der zitierten EGMR-Rechtsprechung in Einklang zu bringen ist, bleibt unklar. Umso verwunderlicher ist dies, wenn es um Auskünfte über die Verwendung von Steuergeldern geht: Man könnte meinen, das Interesse der Öffentlichkeit an solchen Informationen sei jedenfalls gegeben.

Zumindest was die Steuergeldverwendung angeht, wissen wir jetzt ein wenig mehr: Neben den uns zugegangenen positiven Rückmeldungen der Gemeinden zu von ihnen vergebenen Förderungen teilte uns nämlich das Finanzministerium mit, das Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern würde nunmehr jede unserer 2.098 Anfragen einer separaten Prüfung unterziehen. Nur so könne beurteilt werden, in welchem Interesse unsere jeweilige Anfrage gelegen war – ob also eine Gebühr zu bezahlen sei oder nicht.

Eine pauschale Aussage sei nicht möglich, journalistische Anfragen seien nicht per se von der Gebührenpflicht befreit – und jede unserer gleichlautenden 2.098 Anfragen stelle einen neuen Sachverhalt dar. Die gebührenrechtliche Fortsetzung ist damit sicher. 

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