Zu Donald Trump und seiner Präsidentschaft ist im vergangenen Jahr sehr viel geschrieben worden. Während manche Themen enorm viel Aufmerksamkeit bekommen haben, sind wesentliche Aspekte untergegangen. Tiefergehende Analysen und Erklärungen bekommen oft nur wenig Platz. Daher haben wir mit drei Wissenschaftlern vom Institut für Politikwissenschaft der Universität Innsbruck kooperiert, um diese Lücke zu füllen. Franz Eder befasst sich intensiv mit der US-Außenpolitik. In diesem Beitrag stellt er dar, dass sich Trumps Haltung zum diplomatischen Apparat der USA entgegen weitläufiger Annahmen nicht wesentlich von seinen Vorgängern unterscheidet und auch die Budgetkürzungen im langfristigen Vergleich weniger drastisch wirken als öffentlich dargestellt.
Donald Trump und seinem Außenminister Rex Tillerson wird vorgeworfen, sie würden durch ihre Reformvorhaben das Department of State in die Bedeutungslosigkeit führen und es damit auf Jahre hinaus nachhaltig schwächen. Gerade jetzt, wo sich die USA noch engagierter diplomatisch betätigen müssten. Für viele Kritiker Trumps dies- und jenseits des Atlantiks ist das ein klarer Beweis für die weitere Militarisierung der US-Außenpolitik und die Absage an eine friedliche Diplomatie.
Doch inwiefern ist diese Kritik berechtigt? Führen die Budgetkürzungen und die Streichung von Stellen im Außenamt wirklich zu einer Reduktion des diplomatischen Engagements? Welche Logik steht hinter den Kürzungen? Wird Präsident Trump die diplomatischen Bemühungen der USA tatsächlich auf ein Minimum reduzieren und seine Art der Außenpolitik vor allem mit militärischen Mitteln führen?
Die Aufregung in den US-Medien, aber auch diesseits des Atlantiks war groß, als Außenminister Tillerson seine Reformpläne für das Department of State (DoS), nach dem Präsidenten das älteste und ruhmreichste Regierungsamt der USA, ankündigte. Das Budget sollte um bis zu 30 Prozent gekürzt, mehr als 1.000 Stellen sollten gestrichen werden. Dieses Vorhaben führte sogar zu einem – in den letzten Jahren immer seltener gewordenen – Schulterschluss zwischen Republikanern und Demokraten im US-Senat, die einen veritablen Schaden für die US-Außenpolitik befürchteten.
Besonders die Nichtbesetzung zentraler Posten im Ministerium auf Ebene der Under- und Assistantsecretaries, also jener Stellen, denen die eigentliche Formulierung der Außenpolitik zukommt, bereitet den Kritikern Sorge. Die Stelle des „Undersecretary for Political Affairs“ ist zum jetzigen Zeitpunkt genauso wenig besetzt wie jene des „Undersecretary for Arms Control and International Security Affairs, der Assistantsecretaries für „East Asian and Pacific Affairs“, „Near Eastern Affairs“ oder „South Asian Affairs“ sowie weiterer Assistantsecretaries. Dass auch zahlreiche US-Botschaften weiterhin auf ihren Botschafter warten müssen (wie zum Beispiel jene in Ägypten, im Jemen, in Jordanien, Katar, Saudi-Arabien und Südkorea, in der Türkei, aber selbst jene in Österreich) fachte die Kritik darüber hinaus noch an und ist vor dem Hintergrund internationaler Krisen wie jenen um Nordkorea, den Iran oder angesichts des gerade wieder aufbrechenden Nahost-Konflikts nicht wirklich verständlich.
Der Undersecretary for Political Affairs ist die vierthöchste Stelle im Außenamt und der zentrale Posten zur Koordination der US-Außenpolitik in alle Weltregionen.
Der Undersecretary for Arms Control and International Security Affairs ist im Außenamt für alle Fragen der Nichtverbreitung von Atomwaffen zuständig.
Die Assistantsecretaries für die Regionen gelten als die zentralen Brückenköpfe für die Formulierung und Implementierung der US-Außenpolitik in den jeweiligen Regionen.
Das US-Außenministerium erlebte in den letzten 25 Jahren einen bis dahin nie gesehenen Anstieg des Budgets und damit verbunden auch des Personals. Am Ende der Präsidentschaft Obamas verfügte das DoS über ein Budget von mehr als 30 Milliarden US-Dollar und damit über fast sechsmal so viele Ressourcen wie noch am Ende der Amtszeit von Präsident Clinton (inflationsbereinigt immer noch fast dreimal so viel). Auch der Personalstand erreichte 2016 mit mehr als 11.000 Beamten und fast 14.000 Diplomaten in aller Welt sein Maximum. Die von Trump vorgesehenen und von Tillerson angekündigten Kürzungen des Budgets würden daher nur den Status quo des Endes der Amtszeit Bushs wiederherstellen. Die Personalkürzungen würden das Personal des DoS immer noch auf dem durchschnittlichen Stand während der Obama-Administration belassen. Damit zeigt sich auch, dass sich die eigentlichen Reduktionen des Budgets weniger in Personalkürzungen als vielmehr in der Reduktion der US-Entwicklungshilfe zeigen werden.
So eindrucksvoll diese Kürzungen zunächst also klingen mögen, sosehr relativieren sie sich im Vergleich mit den Jahren davor. Die letzten nennenswerten Kürzungen (Milliardeneinsparungen im Budget, Reduktion des Personals um mehr als 2.000 Stellen und Streichung zahlreicher Botschaften und Konsulate weltweit) musste das Außenamt gerade unter Präsident Clinton erleiden, dessen Ansehen in Europa gerade wegen seiner Außenpolitik weit über jenem Trumps lag. Mit der Amtszeit Bushs (nicht gerade ein Liebling der Europäer) und den Folgen des 11. September 2001 profitierte das Ministerium von einem Expansionskurs, der auch unter Obama fortgeführt wurde. Trump würde diese Entwicklung stoppen und für das Außenamt schmerzhaft revidieren. Dass das Ministerium deswegen aber in seinem Arbeitsauftrag, nämlich der Formulierung und Implementierung von US-Außenpolitik, massiv eingeschränkt würde, muss daraus nicht zwangsläufig folgen.
Trump und Außenminister Tillerson stellen die beabsichtigten Kürzungen selbstverständlich in einem anderen Licht dar. Das DoS sei in einem miserablen Zustand, ineffizient und wenig bis gar nicht innovativ. Das Ministerium verbrauche zu viel Geld und erziele damit gleichzeitig zu wenig außenpolitische Erfolge. In den letzten Jahren seien zudem kaum innovative Ideen und Lösungsansätze aus Foggy Bottom in den außenpolitischen Prozess eingebracht worden.
Die Kritikpunkte kommen jedoch nicht nur von Trump und in regelmäßigen Abständen von republikanischen Abgeordneten. Auch erfahrene Beobachter und selbst Kritiker aus dem DoS teilen diese Sicht, selbst wenn sie mit den Lösungsansätzen der neuen Administration wenig anfangen können. Dabei werden immer wieder drei Hauptkritikpunkte geäußert.
Vor diesem Hintergrund verwundert es daher nicht, dass Trump, der mit der feinen diplomatischen Klinge ohnehin wenig anzufangen weiß, die ihm nicht wohlgesonnene Beamtenschaft im DoS durch Kürzungen weiter gegen sich aufbringt.
Das Department of State wird oft auch als Foggy Bottom bezeichnet, nach dem Washingtoner Stadtteil, in dem es sich befindet.
Was Kritiker an den Reformvorhaben Trumps gegenüber dem DoS zudem übersehen, ist der Umstand, dass der Einfluss des Ministeriums in der Formulierung von Außenpolitik schon seit Jahrzehnten im Rückgang begriffen ist. Während das Außenministerium vor dem Zweiten Weltkrieg den unangefochtenen Führungsanspruch in der Vertretung der US-Interessen im Ausland innehatte, verringerte sich diese Dominanz seit 1945 von Jahr zu Jahr. Einerseits wagten sich neue bürokratische Mitspieler aufs außenpolitische Parkett, andererseits versuchten alle kommenden Administrationen die Außenpolitik im Weißen Haus zu zentralisieren und damit das Außenamt sukzessive zu marginalisieren (unter anderem auch aufgrund der zuvor geäußerten Kritikpunkte).
Entscheidend für diesen Bedeutungsverlust war der National Security Act von 1947, der die außen- und sicherheitspolitische Architektur der USA nachhaltig und bis heute spürbar verändern sollte. Aus den bis dahin getrennten Kriegs- und Marineministerien wurde das „Department of Defense“ (kurz DoD oder Pentagon), das sich zum größten und einflussreichsten bürokratischen Player in der Sicherheitspolitik entwickelte. Wie sich im Organigramm des Ministeriums zeigt, verfügt es nicht nur über die Strukturen zur Organisation der US-Streitkräfte, sondern kann mit seinen Assistantsecretaries für Policy beeindruckendes Know-how in der Außenpolitik vorweisen. Es verwundert daher nicht, dass auch das Pentagon außenpolitisch aktiv ist und dort in Konkurrenz zum DoS auftritt. Für Trump ist es daher selbstverständlich, dass der von ihm besonders geschätzte Verteidigungsminister James Mattis, ein ehemaliger General der US-Marine, zu diplomatischen Reisen aufbricht, wie vor kurzem nach Südkorea.
Der National Security Act von 1947 etablierte neben dem Pentagon aber auch die Central Intelligence Agency, einen von mittlerweile 17 Nachrichtendiensten, die seit 2005 vom „Director for National Intelligence“ koordiniert werden. Dieser klärt den Präsidenten auch täglich in den „Presidential Daily Briefs“ über die aktuelle Gefahrensituation auf und wird damit zu einem der zentralen Akteure in der Außen- und Sicherheitspolitik. Er ist es, der dem Präsidenten die Wahrnehmung von Bedrohungen und damit auch die Frage, wie die USA darauf reagieren sollten, direkt vermittelt und damit großen Einfluss auf ihn hat.
Als dritte und wohl gewichtigste Neuerung schuf die Reform von 1947 den Nationalen Sicherheitsrat („National Security Council“ – NSC) und in weiterer Folge auch die Position eines Nationalen Sicherheitsberaters (oder wie es eigentlich genau heißt „Assistant to the President for National Security Affairs“). Obwohl für diese Institution und deren Führung zunächst nur koordinative Aufgaben vorgesehen waren (im Sinne einer besseren Abstimmung zwischen dem DoS und dem DoD), entwickelte sich der Nationale Sicherheitsberater mit seinem Team schrittweise zu einem der wichtigsten und phasenweise sogar zum einflussreichsten Berater des Präsidenten in außen- und sicherheitspolitischen Fragen. Legendär sind Amtsinhaber wie McGeorge Bundy (Kennedy), Walt Rostow (Johnson), Henry Kissinger (Nixon) oder Zbigniew Brzeziński (Carter), die zu den öffentlichen Sprachrohren der US-Außenpolitik wurden und daher in regelmäßigen Abständen in erbitterter Feindschaft zu den jeweiligen Außenministern der betreffenden Zeit standen.
Auch wenn sich diese dominante Rolle in den letzten Jahren wieder etwas relativiert hat (unter anderem auch zugunsten der Außenminister), bilden der Nationale Sicherheitsrat und dessen Berater eine veritable Konkurrenz zum Einfluss des DoS. Dieser Machtzuwachs ist vor allem durch die räumliche Nähe und die uneingeschränkte Loyalität dieses Amtes und seiner Mitarbeiter zum Präsidenten erklärbar (beide arbeiten im West Wing des Weißen Hauses, unmittelbar nebeneinander). Präsidenten, egal welcher Parteizugehörigkeit, haben in den letzten Jahrzehnten die US-amerikanische Außenpolitik vermehrt im Weißen Haus in Form des Nationalen Sicherheitsrates und seiner Strukturen zentralisiert und damit das Außenministerium de facto bei der Politikformulierung in die zweite Reihe gedrängt. Was dem DoS also bleibt, ist die Umsetzung einer Politik, die längst schon im Weißen Haus beschlossen wurde.
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Ein letzter entscheidender Faktor für den schwindenden Einfluss des Außenministeriums auf die Gestaltung der Außenpolitik ist das Verhältnis des Außenministers zum Präsidenten. Die persönliche Nähe zum Präsidenten garantiert im Washingtoner Politikbetrieb Einfluss auf die Politik. Während zunächst angenommen wurde, dass Tillerson durch sein Naheverhältnis zu Trump maßgeblich Einfluss auf diesen ausüben könne, so hat sich dieses Bild mittlerweile ins Gegenteil gekehrt. Der Präsident lässt keine Möglichkeit aus, um Tillerson in aller Öffentlichkeit und wiederholt bloßzustellen. Das mag unter anderem auch mit Berichten zu tun zu haben, wonach Tillerson Trump als einen Schwachkopf bezeichnete, wobei der Außenminister diese Aussagen immer als „aus dem Zusammenhang gerissen“ darstellte. Faktum ist, dass Trumps Nähe zu Verteidigungsminister Mattis und dem Nationalen Sicherheitsberater McMaster (ein Generalleutnant der Armee) nicht nur diesen, sondern auch den von ihnen geführten Einrichtungen, DoD und NSC, mehr Mitsprache in der Außenpolitik garantiert. Die Animositäten zwischen Trump und Tillerson schwächen damit auch direkt das Außenministerium.
Trumps Reformpläne für das State Department spiegeln sicherlich seine Geringschätzung für das Ministerium und dessen Sicht auf die internationalen Beziehungen wider. Seine Vorstellung der globalen Rolle der USA mag in vielen Punkten konträr zu den Vorstellungen der Beamtenschaft in Foggy Bottom stehen. Trotzdem kann man nicht von einer bewussten Zerstörung des Außenministeriums sprechen oder gar von einer generellen Abkehr von Diplomatie. Die Kürzungen von Budget und Personal werden schmerzhaft werden, das Ministerium aber weiterhin auf einem akzeptablen Stand belassen. Im besten Fall sorgen diese Maßnahmen vielleicht wirklich für den dringend benötigten Reformdruck. Schlussendlich kann auch nicht davon gesprochen werden, dass das Außenministerium damit zum außenpolitischen Zuschauer verdammt wurde. Die Schwächung des DoS beginnt nicht erst mit Trump, sondern nahm spätestens seit Kennedy und durch die zunehmende Zentralisierung der Außenpolitik im Weißen Haus seinen Lauf. Trump führt hier also nur die Politik seiner Vorgänger konsequent fort.
die nicht besetzten Posten (unterteilt nach „besetzt“, „nominiert“ und „nicht nominiert“) inkl. deren genauer Beschreibung findet sich hier.