Addendum-Reporter Christoph Lehermayr erzählt von seiner Reise in die rumänischen Wälder, der Vergiftung einer Ministerin und was die Holzmafia damit zu tun haben könnte, und der Bedeutung der österreichischen Holzfirmen. Jetzt anhören und den Podcast auf Spotify oder iTunes abonnieren:
Als im Jahr 2017 der Nationalratswahlkampf in vollem Gang war, lenkte eine Spende die Aufmerksamkeit auf eine Familie, die sonst Diskretion schätzt und daher in der Öffentlichkeit wenig bekannt ist. 50.000 Euro überwies die M. Kaindl KG damals an die Kampagne von Sebastian Kurz’ ÖVP. Statements über etwaige Beweggründe und Intentionen der Spende gab es keine. Auch der spätere Kanzler Kurz blieb wortkarg. Eine „Frau Kaindl“ habe er einmal im Bundeskanzleramt im Zuge eines dort organisierten Round Tables mit Vertretern der Wirtschaft getroffen, beantwortete er eine entsprechende Anfrage des SPÖ-Abgeordneten Peter Wittmann. Über die Inhalte des Gesprächs erteilte er keinerlei Auskunft.
Dabei ist der Salzburger Bodenhersteller Kaindl in Österreich durchaus ein Begriff. Nur die dahinter stehende Industriellendynastie hält sich der Öffentlichkeit fern. Eine Spurensuche beginnt in Wals bei Salzburg. In der Kaindlstraße 2, gleich neben der Westautobahn, hat die beschaulich mittelständisch auftretende Kommanditgesellschaft ihren Stammsitz mit einigen hundert Mitarbeitern. Hier läuft viel zusammen und von hier geht viel aus. Einiges reicht in südlichere Gefilde, anderes über Polen und Weißrussland bis an die Ausläufer des Urals und weiter nach China. Manches mündet in verschwiegenen Fürsten- und Großherzogtümern. Aus einem kleinen, im Jahre 1897 in Lungötz im Tennengau gegründeten Sägewerk, ist über Umwege ein globaler Player geworden, ein Weltmarktführer bei der Herstellung von holzbasierten Verkleidungselementen. Denn vor den Toren Salzburgs hat nicht nur die M. Kaindl KG ihre Zentrale, sondern auch ein weiterer, weitaus größerer Kaindl-Konzern mit 2 Milliarden Euro Jahresumsatz hat hier seine Wurzeln: Kronospan.
In Österreich tritt Kronospan nicht offen in Erscheinung. Eine Suche nach dem Konzern im Firmenbuch bleibt weitgehend erfolglos. Noch weniger deutet darauf hin, dass von hier die Eroberung weltweiter Absatzmärkte ihren Ausgang nahm. An dessen Ende steht ein Firmengeflecht, das mehr als 40 weitgehend eigenständig agierende Werke beinhaltet, und auf Malta gar über ein eigenes Bankhaus verfügt.
Der Weg zu solcher Größe beginnt im Osten und in einer Zeit, als dort ein Imperium zu bröckeln begann. Noch vor 1989 streckten die Brüder Ernst und Matthias Kaindl sowie Matthias’ Sohn Peter bereits die Fühler dorthin aus. Es lockten gewaltige, oft noch unberührte Wälder, neue Absatzmärkte und ein dem kapitalistischen Unternehmertum fernes Terrain. Bald kam es zur Privatisierung maroder Staatsbetriebe, heruntergekommener Sägewerke, und die Kaindls waren zur Stelle. Mit Kronospan. Heute findet sich dessen Name an Werkstoren von Polen bis ins Baltikum, von der Slowakei über Rumänien bis in die Ukraine. Auch in Russland und selbst in China werden unter dem Dach von Kronospan aus Sägemehl und Holzabfällen Spanplatten gemacht und Nachfragen nach Holz in allen erdenklichen Formen gestillt.
Noch vor der Ost-Expansion verschlug es Ernst Kaindl schon in den 1960er Jahren in die Schweiz. In Menznau im idyllischen Luzerner Hinterland rollten bald erste Rohspanplatten vom Band. Der Schweizer Ableger wird als Swiss Krono Group eigenständig geführt und eröffnet später selbst im Ausland erste Werke. An der Spitze dieser Gruppe steht heute Ines Kaindl-Benes, Ernst Kaindls Tochter. Nur über das Salzburger Stammhaus, die besagte M. Kaindl KG, bleiben die beiden Familienzweige weiterhin verbunden.
Was beide Zweige ebenso miteinander teilen, ist ein Hang zu äußerster Diskretion. Von den Eigentümern gibt es nur wenige Fotos. Firmenangelegenheiten lassen sie meist unkommentiert und geben, wenn überhaupt, nur spärlich gehaltene Statements ab. So wenig, wie die Familien selbst das Licht der Öffentlichkeit suchen, sosehr bleibt auch ihre Beteiligungsstruktur im Dunklen. Die offizielle Firmenwebseite listet gerade einmal die einzelnen Werksstandorte auf, geizt aber mit darüber hinausgehenden Informationen.
Wer tiefer recherchiert, landet auf Zypern; einem EU-Mitgliedstaat bekannt für Briefkästen und niedrige Steuern, der sich als Ausgangspunkt für unternehmerische Expansion im Osten Europas und darüber hinaus einen Namen machte. Am Rande der Hauptstadt Nikosia, zwischen einem Park und einem Fußballplatz gelegen, hat die Kronospan Holdings P.L.C. ihren Sitz in einem unscheinbaren Gebäude. Peter Kaindl ist der Direktor dieser zypriotischen Gesellschaft. Ihm zur Seite steht ein gewisser Spiros Spyrou. Der Zypriote bezeichnet sich auf Karriereprofilen im Netz als Finanzchef von Kronospan. Und in der Tat ist er einer der Schlüsselpersonen im Imperium der Kaindls. Denn über die zypriotische Holdingmutter werden, soweit überschaubar, die Werke im Osten Europas gehalten. So dürften etwa auch die Gewinne aus der rumänischen Tochter in Richtung Zypern fließen.
Dort, in Rumänien, wo Kronospan in Sebeș und Brașov Werke betreibt, verfügt der Konzern auch über ein eigenes Holz-Terminal in Constanța, dem wichtigsten Hafen des Landes am Schwarzen Meer. 2006 errichtet, reichen die Kapazitäten für den Export von 600.000 Tonnen Holz im Jahr. Spyrou, der Finanzchef, stand heuer bis zum März im Management dieses Kronospan-Freihafens. Als die rumänischen Behörden allerdings Ermittlungen wegen vermuteten Steuerbetrugs einleiteten, wurde er kurzerhand abberufen.
Neben Zypern ist auch Malta den Spitzen des Kronospan-Imperiums ein durchaus vertrauter Standort, besitzen sie dort doch immerhin eine Bank. 2014 berichtete die Wiener Zeitung über den Erwerb dieser Bank, die zuvor im Eigentum der Raiffeisen International stand und auch für die Kronospan-Gruppe tätig gewesen sein dürfte. Als Vehikel für die Transaktion diente Kronospan eine wiederum auf Zypern gemeldete Gesellschaft namens Banasio Investments Limited und eine im Steuerparadies Isle of Man angesiedelte weitere Gesellschaft.
Bis in den Jänner 2019 fand sich die Banasio Investments Limited auch im österreichischen Firmenbuch: als alleinige Aktionärin einer East Centro Central Management SE (ECCM SE), welche die Finanzierung der osteuropäischen Kronospan-Gesellschaften durchführte. Vor seiner Zeit als Landeshauptmann war Wilfried Haslauer jun. Vorsitzender und später stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats der ECCM SE.
Will man wissen, wem diese Banasio Investments Limited wirklich gehört, führt der Weg zurück in die Alpen. Und zwar ins kleine Fürstentum Liechtenstein und an den dortigen großen Finanzplatz Vaduz. Es ist eine Stiftung, die nicht einmal im Liechtensteiner Handelsregister steht. Erst umfangreiche Recherchen fördern den Namen Luda zu Tage. Wer der Begünstigte dieser Stiftung ist, bleibt im Dunklen. Addendum-Recherchen zeigen allerdings, dass Matthias Kaindl Junior nicht nur der Vertreter der Familie im Direktorium der ECCM-Bank auf Malta ist, sondern darüber hinaus auch „Protektor“, also Bevollmächtigter, besagter Luda-Stiftung in Liechtenstein.
Neben Kaindl Junior sitzt seit dem 15. Oktober 2018 auch ein gewisser Michael Mendel im Direktorium der ECCM Bank. Bei ihm handelt es sich um einen Mann vom Fach. Denn Mendel ist derzeit Generaldirektor der teilstaatlichen Abbaugesellschaft und Chefabwickler der Österreichischen Volksbanken AG (ÖVAG). Zusätzlich zeigt sich Mendel auch als HETA-Aufsichtsratsvorsitzender für die Abwicklung der Reste der Hypo Alpe Adria verantwortlich. Das Geschäft gelernt hat er bei der Münchner HypoVereinsbank, um dann später dort und bei der Bank Austria in Vorstandspositionen das Ost-Geschäft zu verantworten. Auch rund um den Umbau der Staatsbeteiligungsholding ÖBAG wurde uns Mendel bei Recherchen wiederholt als Strippenzieher genannt. Er ist ein einflussreicher Mann, der hier den Kaindls dient.
Zypern, Malta und eben Liechtenstein spielen somit eine zentrale Rolle im Kronospan-Geflecht der Familie. Denn auch die Eigentümer der bereits angesprochenen zypriotischen Kronospan Holdings P.L.C. sind gut im Fürstentum verborgen. In der Schmedgass 6 (vorheriger Sitz: Aeulestraße 5), unter dem Schloss und gleich neben der alles dominierenden LGT Bank, hat die Betuva Stiftung ihren Sitz. Es handelt sich dabei um eine sogenannte hinterlegte Stiftung. Der Vorteil: Ihre Urkunden und Statuten bleiben vor dem Blick der Öffentlichkeit verschont. Im Stiftungsrat sitzt neben dem schon erwähnten Spiros Spyrou auch Prinz Michael von und zu Liechtenstein, ein Cousin des regierenden Fürsten Hans-Adam II., der sich als Treuhänder einen Namen gemacht hat. Für einige Zeit hielt seine Treuhandfirma auch die Liechtensteiner Tochter der Hypo Alpe Adria Bank International.
Der Vorteil Liechtensteiner Stiftungen macht sich besonders für Begünstigte in Österreich bis heute bezahlt. Denn während sich 2018 das Fürstentum – nach einigem Druck – bereit erklärte, künftig steuerrelevante Daten mit der EU auszutauschen, verhandelte der damalige VP-Finanzminister Hans Jörg Schelling eine Ausnahme: Bürger und Organisationen aus Österreich müssen die neue Transparenz keineswegs fürchten. Sie können mit ihren Stiftungen weiter im Anonymen bleiben.
Nach Stationen auf Zypern, Malta und Liechtenstein führt die Reise durch das diskrete Imperium der Kaindls an einen weiteren Finanzplatz, der für Verschwiegenheit bürgt: das Großherzogtum Luxemburg. Dort finden sich zwei weitere miteinander verbundene Holding-Gesellschaften, die dazu dienen, die Kronospan-Standorte in Deutschland und den USA zu halten. Die Eigentümer der Gesellschaften? Eine Gerhost-Stiftung, erneut in Liechtenstein, erneut im beschaulichen Vaduz, wo sich der Kreis schließt.
Die Bitte von Addendum an Kronospan und die Kaindls um Stellungnahme blieb trotz mehrmaliger Fristverlängerung unbeantwortet. Letztlich meldete sich David Brenner, der einstige SPÖ-Finanzlandesrat in Salzburg und jetzige Kronospan-Manager in Deutschland, und teilte mit, dass das Unternehmen es vorzieht, keinen Kommentar abzugeben.
Im Vergleich dazu stellt sich das Reich des anderen großen österreichischen Holzunternehmens geradezu übersichtlich und überschaubar dar. Die Beteiligungsstruktur von Gerald Schweighofer und seiner Firmengruppe lässt sich aus dem österreichischen Firmenbuch ohne viel Aufwand herauslesen. Ein breit gefächertes Offshore-Netzwerk, verstreut über fürstliche Zwergstaaten und Mittelmeerinseln, findet sich bei Schweighofer nicht. Den Kern der Gruppe bildet eine Privatstiftung namens Evergreen. Zu ihr gehört die SPB Beteiligungsverwaltung. Neben diversen Immobilien in Wien hält die SPB auch Anteile an einer Energiefirma in Israel – die Foresight Energy Ltd.
Die hat ihr Hauptquartier in einem Gewerbegebiet vor den Toren Tel Avivs, betreibt aber auch am Siebensternplatz im 7. Wiener Gemeindebezirk ein Büro. Von dort schaltet und waltet Christian Kern. Der ehemalige Bundeskanzler ist „Chairman of the Board“ und gemeinsam mit seiner Frau Eveline Steinberger-Kern Mehrheitseigentümer des Energie-Startups. Schweighofers Einstieg in die Firma erfolgte bereits während Kerns kurzer Kanzlerschaft im Frühjahr 2017. Kern selbst war damals mit einem Prozent an der Israel-Firma seiner Frau beteiligt. Neben Schweighofer ist auch eine Liechtensteiner Anstalt des früheren Osthändlers Martin Schlaff bei den Kerns investiert.
Apropos Israel: Zu diesem Zeitpunkt, also im Frühling 2017, war Tal Silberstein bei Kerns SPÖ schon seit Monaten unter Vertrag. Ein Wahlkampf lag in der Luft. Wie dieser ausging, ist hinlänglich bekannt. Weniger bekannt ist, dass nicht nur die SPÖ, sondern auch Schweighofer auf die Dienste des Politikberaters zurückgriff. In Rumänien galt es 2017, einige unangenehme politische Entwicklungen zu entschärfen. Zur Debatte standen strengere Forstgesetze, die gerade Schweighofer, den Größten im Lande, viel Geld kosten würden. Der Lobbyist Silberstein war zur Stelle, verfügte er doch über beste Kontakte zu Rumäniens regierenden Sozialdemokraten. In der Vergangenheit beriet er etwa deren Premier Adrian Năstase, der später wegen Korruption und Bestechlichkeit verurteilt wurde. Silbersteins Honorar bei Schweighofer: 35.000 Euro pro Monat, wie der Auftraggeber gegenüber Addendum bestätigte.
Doch Silberstein stand auch im Visier der rumänischen Justiz. Eine Anklage lag auf dem Tisch, wenn auch nicht rechtskräftig. Im Sommer 2017 wurde Silberstein schließlich gemeinsam mit dem Diamantenhändler und Geschäftspartner Beny Steinmetz in Israel medienwirksam in Gewahrsam genommen. Es ging um die Vorwürfe der Bestechung und der Geldwäsche. Die Bilder des Kern-Beraters Silberstein erhitzten den Wahlkampf in Österreich vollends – und so musste auch Schweighofer in Rumänien die Reißleine ziehen. „Die breit und intensiv geführte Debatte und die damit einhergehenden öffentlichen Irritationen gegenüber Herrn Silberstein waren nicht mehr mit unseren Prinzipien einer nachvollziehbaren, transparenten Öffentlichkeitsarbeit in Einklang zu bringen“, erklärt Schweighofer-Sprecher Thomas Huemer heute, „daher beendete man die Zusammenarbeit mit Silberstein frühzeitig. Sein Vertrag wäre sonst noch bis Dezember 2017 gelaufen.“ Schweighofer verwehrt sich gegenüber damaligen Medienberichten, so auch über Umwege in Silbersteins „dirty campaigning“ involviert gewesen zu sein: „Holzindustrie Schweighofer weist jede Unterstellung, mit den diskutierten Facebook-Seiten oder deren Finanzierung in irgendeiner Form in Verbindung gebracht zu werden, auf das Schärfste zurück.“
Firmenboss Gerald Schweighofer ist durchaus politikaffin und verfügt über SPÖ-Nähe. Flexibilität hat er sich trotzdem bewahrt. So ließ er den NEOS in deren Gründungsphase eine Spende von 5.000 Euro zukommen und unterstützte die Kampagne von Alexander Van der Bellen mit 20.000 Euro.
Als in Rumänien polizeiliche Ermittlungen gegen Schweighofers Firma den medialen Druck auf ihn erhöhten, entschloss er sich, die eigenen Wälder, die man zuvor dort besessen hatte, zu verkaufen. Die 14.000 Hektar gingen an eine schwedische Beteiligungsfirma namens Green Gold. Dort ist mit dem ehemaligen Premier und Sozialdemokraten Göran Persson ein Mann Anteilseigner, den auch Alfred Gusenbauer aus seiner Zeit als Kanzler gut kennt. Gusenbauer wiederum griff bereits vor seiner aktiven Zeit als Kanzler (bis 2007) auf die Dienste Silbersteins zurück und wurde später selbst auch in Rumänien unternehmerisch aktiv. Über die entsprechenden Verbindungen dorthin verfügte er ja bereits.