Wir bauen keine Waffen, wir haben nie Waffen gebaut und natürlich haben wir daher auch keine Flugzeuge als Kampfflugzeuge ausgestattet. Wir machen das einfach nicht und wir haben auch gar nicht das Know-how dazu.“ Mit diesen klaren Worten reagierte Wolfgang Grumeth im April 2016 auf eine Medienanfrage. Grumeth ist Geschäftsführer der Airborne Technologies GmbH mit Sitz in Wiener Neustadt in Niederösterreich. Airborne rüstet Hubschrauber und Flugzeuge unter anderem mit Überwachungstechnologie aus.
Firmenchef Grumeth hätte sich damals kaum deutlicher von Medienberichten distanzieren können, dass Airborne auch Geschäfte macht, bei denen es letztlich um bewaffnete Fluggeräte geht. Konkret: um kleine Propellermaschinen, wie sie in den USA in der Landwirtschaft zum Einsatz kommen, die man zu kostengünstigen Kampffliegern umrüsten kann. Diese Flugzeuge eignen sich besonders gut für Einsätze in bürgerkriegsähnlichen Konflikten – etwa in Afrika.
Dass Airborne nicht mit derartigen Vorgängen in Verbindung gebracht werden will, liegt auf der Hand: Einerseits gibt es in Österreich strenge Bestimmungen für Rüstungsexporte. Andererseits war an Airborne bis vor kurzem indirekt die Wirtschaftsagentur Wien – ein Fonds der Stadt Wien – beteiligt.
Die klare Distanzierung gegenüber Medien im Inland passt jedoch nicht zu den Handlungen von Airborne im Ausland. Bei der wichtigsten aller Luftfahrtmessen, der Paris Air Show im französischen Le Bourget, war die Firma aus Wiener Neustadt im Jahr 2017 prominent vertreten – Seite an Seite mit einem bulgarischen Unternehmen namens LASA. Wie zahlreiche Fotos von der Air Show belegen, stand vor den Zelten von Airborne und LASA ein umgebautes US-Agrarflugzeug des Typs „Thrush“. Der Flieger war mit einer Panzerung versehen. Unter den Tragflächen des furchteinflößenden Fluggeräts hingen Raketenwerfer und Maschinengewehre sowjetischer Bauart. Offensichtlich wurde genau das umgesetzt, was bereits 2016 vermutet worden war: der Bau eines Kampffliegers.
Zwar handelte es sich einem Bericht des Luftfahrtmagazins Jane’s Defence Weekly zufolge bei den Waffensystemen auf der Air Show um Nachbildungen. Dass das Flugzeug jedoch für Einsätze mit echten Waffen umgebaut wurde, liegt auf der Hand. Das Fachportal Arabian Aerospace zitierte Anfang 2018 einen LASA-Manager folgendermaßen: „Eine typische Mission wird ungefähr sechs Stunden dauern, wobei das Flugzeug einen Raketenwerfer, ein Maschinengewehr und einen elektronisch gesteuerten Behälter für Abwehrmaßnahmen zusätzlich zum TR-Pod trägt.“
Der „TR-Pod“ ist laut Arabian Aerospace eine Version des von Airborne Technologies entwickelten „SCAR-Pods“ zur Aufklärung aus der Luft. Der „TR-Pod“ verfüge auch über die Fähigkeit, Ziele auszumachen. Wie man sich einen Einsatz des „T-Bird“ vorstellen kann, zeigt eine Werbebroschüre von der LASA-Website. Die todbringende Verkaufsformel lautet „find-fix-finish“, zu Deutsch „finden-anvisieren-erledigen“:
Welche Leistungen Airborne im Zuge des T-Bird-Projekts konkret erbracht hat, ließ Firmenchef Grumeth auf Addendum-Anfrage unbeantwortet. Der LASA-Werbebroschüre zufolge stammt jedenfalls das Aufklärungssystem des T-Birds von der Wiener Neustädter Firma. Die Internetseite von LASA befindet sich seit kurzem „in Umbau“. Auf der bulgarischen Version der Website war jedoch angemerkt, dass LASA und Airborne eng zusammenarbeiten würden.
Ob gezielt österreichische Exportbestimmungen umgangen wurden, ließen beide Unternehmen aktuell unbeantwortet – so wie alle anderen Fragen zum Projekt. LASA teilte lediglich allgemein mit, die Fragen würden sich auf eine „falsche Interpretation“ einiger bekannter Fakten beziehen. Allfällige, daraus resultierende „Spekulationen“ seien schon vor einigen Jahren falsch gewesen und seien immer noch falsch. Konkrete Antworten blieb das bulgarische Unternehmen schuldig. In einer früheren Stellungnahme hat LASA die Umgehung von Gesetzen bestritten. Grumeth wiederum erklärte 2016 nicht nur mit dem Brustton der Überzeugung, dass Airborne „natürlich“ keine Flugzeuge als Kampfflugzeuge ausgestattet habe, sondern auch, dass das Unternehmen „selbstverständlich“ gegen keine Exportbestimmungen verstoßen würde.
Was das Thrush-Projekt von Airborne so spannend macht, ist nicht nur das Faktum, dass hier mit österreichischer Involvierung ein Kampfflugzeug entwickelt wurde, das sich bestens für die schmutzigsten Konfliktherde dieser Welt eignet. Es geht auch um die Person, die ursprünglich dahinterstand: Erik Prince, Ex-Navy-Seal, Gründer der berüchtigten Söldnerfirma Blackwater, Bruder der US-Bildungsministerin Betsy DeVos und Berater des amerikanischen Präsidenten Donald Trump.
Prince stieg im Jahr 2013 mit einem Investment von knapp zwei Millionen Euro bei Airborne Technologies ein. Dies lief über eine GmbH in Österreich, die wiederum einer Firma auf den Bermudas gehört, hinter der Erik Prince steht. Die österreichische GmbH erhielt 25 Prozent der Anteile an Airborne Technologies.
Erik Prince wurde 1969 geboren. Im Jahr 1997 gründete der ehemalige „Navy SEAL“-Elitesoldat die Söldnerfirma Blackwater. Diese war im Auftrag der USA im Irak tätig und richtete 2007 in Bagdad ein Blutbad unter unbewaffneten Zivilisten an. 2010 stieg Prince bei der in „Xe“ umbenannten Firma aus. Nun ist er Executive Director der in Hongkong börsenotierten Frontier Services Group (FSG), einem Sicherheits- und Logistikunternehmen. In Österreich machte Prince erstmals 2012 Schlagzeilen, als bekannt wurde, dass er im Burgenland eine Meldeadresse hatte. Später wechselte er nach Wien.
Die Beteiligung ist nun allerdings Geschichte. Ende 2017 trat die GmbH von Prince ihren Airborne-Anteil an einen Mitgesellschafter ab. Anfang 2018 wurde die GmbH dann in Liquidation geschickt. Abgewickelt hat das ein Rechtsanwalt auf Basis einer Spezialvollmacht, die von Erik Prince persönlich unterzeichnet worden war.
Prince hat jedoch nicht nur wirtschaftlich seine Zelte in Österreich abgebrochen. Auch sein bisheriger Hauptwohnsitz in der Wiener Innenstadt ist laut Melderegister nicht mehr aufrecht. Was steckt hinter dem Rückzug des Ex-Söldnerführers?
Fest steht, dass die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt im Jahr 2016 Ermittlungen in Zusammenhang mit dem Thrush-Projekt von Airborne aufgenommen hat. Neben dem Flugzeug, das 2017 in Le Bourget ausgestellt wurde, gab es ursprünglich noch ein zweites. Früheren Angaben von Airborne zufolge sollte die Firma aus Wiener Neustadt die beiden Agrarflieger im Auftrag der von Prince geführten Firma FSG mit einem Überwachungssystem und „leichter Panzerung“ ausstatten. Der Auftrag hatte ein Volumen von rund vier Millionen Euro. Ziel sei – damaligen Behauptungen zufolge – die Überwachung von Pipelines in Kenia gewesen.
Eines der Flugzeuge wurde in der Folge nach Bulgarien überstellt und kam offenbar zur Firma LASA. Der andere Flieger soll jedoch rasch in Richtung Afrika verschwunden sein, wobei Airborne in der Vergangenheit erklärte, dass das Überwachungssystem mangels Exportbewilligung im Haus geblieben sei. Airborne zufolge sei die Thrush nach Kenia gebracht worden. Die Investigativplattform The Intercept, die die Vorgänge 2016 aufdeckte, berichtete jedoch, dass es letztlich im Südsudan gelandet sei – wo ein blutiger Bürgerkrieg tobte.
Die Staatsanwaltschaft leitete Ermittlungen wegen des Verdachts der verbotenen Unterstützung von Parteien bewaffneter Konflikte ein. Konkreter Vorwurf war der angebliche Umbau und die Ausrüstung der Agrarflugzeuge für militärische Einsätze im Südsudan. Zuletzt hätte die Entscheidung fallen sollen, ob Anklage erhoben wird oder nicht. Dazu kam es jedoch vorerst nicht. „Unserer Ansicht nach waren weitere Ermittlungen erforderlich“, erklärt ein Sprecher der Oberstaatsanwaltschaft Wien auf Anfrage von Addendum. Diese werden nun durchgeführt.
Angesichts der hochrangigen politischen Connections von Erik Prince ist der Fall für Österreich äußerst brisant. Über eine allfällige Anklage entschieden wird letztlich unter Einbeziehung des Justizministeriums. Laut einem Bericht der Kronen Zeitung gehört Prince selbst auch zum Kreis der Beschuldigten. Der Sprecher der Oberstaatsanwaltschaft wollte sich auf Anfrage jedoch zu den Namen der einzelnen Betroffenen nicht äußern.
Ein Sprecher von Prince gab auf Anfrage keinen Kommentar ab, es gilt in vollem Umfang die Unschuldsvermutung. Airborne und LASA haben in der Vergangenheit immer erklärt, sämtliche Gesetze eingehalten zu haben.
Wenig Freude, mit der Angelegenheit in Verbindung gebracht zu werden, hat man offenbar bei der Wirtschaftsagentur Wien. Eine Sprecherin der Wirtschaftsagentur teilt mit:
„Die Wirtschaftsagentur ist zu 15% an der Athena AG beteiligt. Die Athena unterstützt Unternehmen aus dem Technologiebereich durch finanzielle Beteiligungen.
Die Athena wiederum hat ihre 23%-ige Beteiligung an Airborne Ende Dezember 2018 abgegeben. Zu den Konditionen ist die Wirtschaftsagentur nicht befugt Auskunft zu erteilen. Behauptungen, die die Wirtschaftsagentur Wien mit dem Bau von Kampfflugzeugen in Verbindung zu bringen, sind unwahr.“
Sowohl Prince als auch die Athena haben ihre Airborne-Beteiligung übrigens an eine Treuhandfirma abgetreten, hinter der mehrheitlich Ex-SPÖ-Finanzminister und Luftfahrtexperte Andreas Staribacher steht. Wer nunmehr die tatsächlichen wirtschaftlichen Berechtigten an der Airborne sind, ließ Staribacher – wie alle anderen Fragen – unbeantwortet.