Lieferungen im Wert von zwei Milliarden Euro in die USA, 284 Millionen nach Großbritannien, 232 Millionen nach Australien: Österreichisches Kriegsmaterial und Militärgüter gehen um die Welt. Seit 2004 haben heimische Betriebe einschlägige Waren im Gesamtwert von 4,8 Milliarden Euro ins Ausland geliefert. Das geht aus einer Analyse der Exportberichte für österreichische Militärgüter hervor.
Darin wird im Detail der Wert exportierter Güter aufgeschlüsselt – etwa für Handfeuerwaffen, Bomben, Landfahrzeuge genauso wie für für Ausbildungsausrüstung und Schutzanzüge. Wir haben die wichtigsten Geschäftsfelder und die bedeutendsten Unternehmen auf diesem Markt zusammengefasst und visualisiert.
Die internationale Nachfrage nach Waffen und Munition aus Österreich wird vor allem von einem Hersteller befriedigt: Glock. Das Unternehmen verkauft seine Waffen allerdings nicht nur von Österreich aus. Neben Ferlach (Kärnten) und Deutsch-Wagram (Niederösterreich) gibt es einen weiteren Produktionsort im Ausland, nämlich in Smyrna (Bundesstaat Georgia), in den USA, dem mit Abstand wichtigsten Abnehmerland des Unternehmens. Entsprechend scheinen die Verkaufszahlen auch nicht vollständig in unserer Exportstatstik auf.
Der Erfolg der Glock-Pistolen, die einst für das österreichische Bundesheer entwickelt wurden, beruht – stark vereinfacht gesagt – auf zwei Punkten. Erstens: Zuverlässigkeit durch eine simple, aber zweckmäßige Konstruktion. Zweitens: ihr niedriger Preis, was die Waffe vor allem für Großkunden wie Behörden interessant macht.
Bei beiden Produktmerkmalen haben die Konkurrenten inzwischen nachgezogen. Ein aktueller, prestigeträchtiger Großauftrag, die Ausschreibung für die neue Dienstpistole der US-Army, ging wohl auch deshalb an Sig Sauer. Immerhin: Kaum weniger prestigeträchtig war zuvor (2016) der Zuschlag für die Ausstattung des FBI mit Glock-Pistolen im Kaliber 9 mm Luger. Wert: 85 Millionen Dollar.
Wie die Glock-Pistole wurde auch das AUG (Armee-Universal-Gewehr) von Steyr-Mannlicher einst für das und mit dem Bundesheer entwickelt. Die dort als StG77 eingeführte Waffe ist auch international das Hauptprodukt des Unternehmens, knapp 70 Länder weltweit werden damit beliefert.
Neben dem AUG sind vor allem die Scharfschützengewehre des Unternehmens weltweit gefragt. Anders als Glock macht Steyr-Mannlicher seine Umsätze hauptsächlich mit Waffen, die auf dem zivilen Markt verboten sind. Die Ausnahmen: Jagdwaffen, das halbautomatische AUG und Pistolen.
Abgesehen von Kleinstherstellern wie zum Beispiel Voere ist der dritte größere Produzent von Waffen und Munition die Defence-Sparte der Hirtenberger-Gruppe. Bekannt ist das Unternehmen vor allem für seine Mörser-Systeme (Granatwerfer) inklusive Munition. Hauptabnehmer: der arabische Raum. Auch wenn das Unternehmen nicht direkt genannt wird, lässt sich das Hirtenberger-Engagement aus der verlinkten Unterlage des Innenausschusses des Parlaments ableiten: Es gibt hierzulande schlichtweg keine Mitbewerber auf dem Sektor.
Nach Waffen und Munition gehören Fahrzeuge und Fahrzeug-Zubehör zu den meistxportierten Militärgütern aus Österreich. Seit 2004 summiert sich der Wert der ausgeführten Waren auf 1,54 Mrd. Euro.
Insgesamt sind in Österreichs Verteidigungswirtschaft 32 Unternehmen im Fahrzeugbau tätig. Jenes mit den größten Umsätzen hat jedoch ausländische Eigentümer. RMMV in Wien-Liesing steht für Rheinmetall MAN Military Vehicles und ist ein Joint-Venture zweier deutscher Konzerne. Das gemeinsame Unternehmen bündelt die Rüstungskompetenz von Rheinmetall (z.B. Waffenanlage des Kampfpanzers Leopard II) und die Erfahrung von MAN im Nutzfahrzeugbau.
Am Standort Wien werden hauptsächlich militärische Transporter und Panzerschlepper produziert. Große Lieferungen gingen – u.a. – nach Australien und in den arabischen Raum. Und im jüngsten Geschäftsbericht des Unternehmens steht: „Nordafrika hat sich als wichtiger Absatzmarkt etabliert.“ Unsere Daten bestätigen das.
Die folgende Grafik visualisiert die Exporte von Fahrzeugen und Fahrzeug-Zubehör österreichischer Hersteller von 2004 bis 2017 in die Region.
Für die Panzerung der RMMV-Fahrzeuge sorgt übrigens ein weiteres heimisches Unternehmen aus der Branche: die Firma Ressenig aus Villach in Kärnten.
Panzer mit schweren Waffen auf Rädern und Ketten baut man in der ehemaligen Waffenschmiede von Steyr in Wien. Heute heißt das Unternehmen General Dynamics European Land Systems – Steyr (kurz: GDELS-Steyr). Die Eigentümer sind also Amerikaner. Dennoch ist noch viel vom alten Steyr-Kern erhalten. Die Firma ist einer der ganz wenigen sogenannten „Systemintegratoren“ im Land. Das bedeutet, dass man hier die Kompetenz hat, zahlreiche unterschiedliche Systeme wie zum Beispiel Funk, Bewaffnung und Sensorik in einem Fahrzeug (Militärs sagen auch gerne „Plattform“ oder „System“) zusammenzuführen.
Zum Beispiel im neu entwickelten Pandur Evolution Radpanzer, der aktuell für das Bundesheer gefertigt wird. Oder in einem mittelschweren Kampfpanzer-Prototypen (siehe Video), mit dem man an einer Ausschreibung der tschechischen Streitkräfte teilnehmen will. Namhafte Exportkunden waren und sind u.a. Kuwait, Portugal und die Tschechische Republik.
Durch und durch österreichische Fahrzeugbauer sind die beiden Tiroler Unternehmen Achleitner und Empl. Während Achleitner vor allem gepanzerte Fahrzeuge für Polizei und Militär fertigt, hat sich Empl auf Aufbauten vom Truppentransporter bis zum militärischen Tanklastwagen oder Panzer-Berge-Lkw spezialisiert. Einer der letzten Großkunden: Algerien.
Ein dritter wichtiger Zweig in der Branche ist die Produktion von Personenausrüstung für Truppen und Sicherheitskräfte. 115,7 Millionen Euro betrug das Exportvolumen zwischen Österreich und 69 Staaten zwischen 2004 und 2017.
Videomaterial: Ulbrichts Protection
Im Bereich Personenausrüstung haben wir 24 Firmen identifiziert. Zwei von ihnen spielen sogar international in der Oberliga mit: Ulbrichts Protection und die Marke Carinthia von Goldeck Textil.
Ulbrichts entwickelt im oberösterreichischen Schwanenstadt weltweit bei Militär und Polizei nachgefragte Schutzhelme aus Titan. Sie schützen ihre Träger selbst vor Projektilen, die aus Sturmgewehren abgeschossen wurden.
Goldeck Textil aus dem Kärntner Seeboden zählt inzwischen zu den weltweit führenden Herstellern von Schlafsäcken und Kälteschutzbeleidung. Produkte, die vor allem bei Militärs gefragt sind. Unter dem Markennamen Carinthia liefert das Unternehmen in alle Welt, stellt inzwischen auch auf internationalen Rüstungsmessen wie der Eurosatory in Paris aus. Carinthia-Schlafsäcke sind – zum Beispiel – auch bei der deutschen Bundeswehr im Einsatz.
Auf Bekleidung der besonderen Art hat sich das Familienunternehmen Blaschke Wehrtechnik spezialisiert. In Handarbeit entstehen in Wien und Groß-Gerungs (Niederösterreich) Schutzanzüge für Einheiten und Spezialisten, die mit atomaren, biologischen und chemischen Kampfstoffen zu tun haben. Die Kleinserien sind international bei Spezialverbänden gefragt, eigenen sich aufgrund der hohen Kosten von mehreren tausend Euro pro Anzug jedoch nicht für die „normale“ Truppe.
Hinweis: Dieser Artikel wurde am 13. Februar 2019 aktualisiert. Seither enthält er zusätzlich Exportdaten für das Jahr 2017.