Wien hat sich seit dem Amtsantritt von Michael Häupl vor knapp 25 Jahren gravierend verändert. Die Bundeshauptstadt ist um fast 350.000 Einwohner (6,5-mal St. Pölten) gewachsen. Der Anteil der Bewohner mit nichtösterreichischer Staatsbürgerschaft ist von 15 auf 28 Prozent geklettert. Und der Akademikeranteil stieg von 9 auf 23 Prozent der Bevölkerung. Das alles birgt die Gefahr für eine stärkere regionale Segregation von Bevölkerungsgruppen. Und so kam es für 186 Wiener Grätzel auch.
Zwischen 1991 und 2015 hat sich die soziale Durchmischung in 154 der 1.350 Grätzel signifikant verringert. In 32 ist sie gestiegen. Im Hintergrund dieser Analyse liegen Daten über den höchsten Bildungsabschluss jeder Person des Grätzels. Der Bildungsabschluss gilt als gute Annäherung, um das Einkommensniveau abzuschätzen. Es zeigt sich ein klares Muster: Je höher der Bildungsabschluss, desto näher liegt der Wohnort zum ersten Bezirk, dem Stadtzentrum. Je niedriger der Bildungsabschluss, desto weiter wohnt jemand davon entfernt.
Wissenschaftlern des Wittgenstein-Zentrums und der Uni Wien stellten in einer Untersuchung ebenso fest, dass es einen leichten Trend zur Polarisierung der Bewohner nach Bildungsabschluss kommt. Grätzel mit einer bereits hohen Akademikerquote ziehen weitere Personen mit hohem Bildungsabschluss an. Gegenden, in denen hauptsächlich Menschen mit niedrigem Bildungsabschluss leben, werden dagegen sozial immer durchmischter. Vergleichbar mit anderen europäischen Städten sei das Maß an steigender Segregation überschaubar, meint einer der Studienautoren, Gerhard Hatz. Die Theorie, dass die Globalisierung zu einer polarisierten Gesellschaft in Städten führe, treffe für Wien nicht im gleichen Maß zu, sagt der Forscher der Uni Wien am Institut für Geografie und Raumplanung.
Ein Grund für stärkere Segregation in Innenstadtlagen sind höhere Mietpreise wegen des Lagezuschlags. Dieser wird in vielen Vierteln in besserer Lage von Immobilieneigentümern von den Mietern eingefordert. Zum Zeitpunkt der Einführung des Lagezuschlags belief sich der Unterschied zwischen Gebieten mit dem niedrigsten Zuschlag und jenen mit dem höchsten Zuschlag auf einen Wert von 3,70 Euro pro Quadratmeter. Heute beträgt der Unterschied 10,40 Euro. Diese Zahl hat der Stadt- und Wohnungsforscher Justin Kadi berechnet. Der Preisanstieg sei ein Faktor, warum einkommensschwache Haushalte seltener innerhalb des Wiener Gürtels leben.
Eine ähnliche Darstellung wie für die Bildungslandschaft zeigt sich auch für die Verteilung der Bewohner Wiens nach Staatsangehörigkeit. Bürger aus westeuropäischen und den älteren Mitgliedstaaten der Europäischen Union finden sich vor allem innerhalb des Gürtels. Bürger aus vormals jugoslawischen Ländern und der Türkei sowie weiteren Drittstaaten leben tendenziell außerhalb des Gürtels.
Slowenien, Kroatien, Serbien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro, Kosovo und Mazedonien
„Das Stadtwachstum ist eine große Herausforderung. Wir haben unsere Methodik ausgeweitet, um weiter leistbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Die Wohnkosten sind zwar in Wien einigermaßen stark gestiegen, aber nicht in so astronomische Höhen wie in anderen Großstädten“, sagt Andreas Trisko. Er ist Leiter der Abteilung für Stadtentwicklung und Stadtplanung in Wien.