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Der parteinützige Wohnbau
26. April 2018 Wohnen Lesezeit 8 min
Die gemeinnützige Wohnbauwirtschaft ist ein Spielfeld für (Ex-)Parteifunktionäre und -freunde. Auch, weil es dort nicht viel Geld, aber viel Einfluss zu holen gibt.
Dieser Artikel gehört zum Projekt Wohnen und ist Teil 4 einer 8-teiligen Recherche.
Bild: Addendum

Ein ehemaliger Minister, ein Ex-Landeshauptmann. Ein Gewerkschaftsvorsitzender, ein ehemaliger Aufsichtsratsvorsitzender einer Landesbank. Politische Bürochefs, Parteiangestellte und, sowieso, Kommunalpolitiker. Wer allein die Vorstandsetagen der größten gemeinnützigen Wohnbauträger Österreichs eine nach der anderen durchgeht, stellt schnell fest: Die Führungsebenen in der geförderten Wohnbauindustrie sind voll mit Ex-Politikern und anderen Mitbürgern, die zumindest einer Partei überaus nahe stehen.

Das ist auf den ersten Blick überraschend: Bei „gemeinnützig“ denkt man zunächst einmal an Genossenschaften, also an Vereinigungen, die ihre Entscheidungen per Mehrheitsentscheidung ihrer Mitglieder – in aller Regel: der Mieter, wobei jedes Mitglied genau eine Stimme hat – treffen.

Das stimmt aber nur zum Teil: Mehr als ein Drittel der „Gemeinnützigen“ ist nicht als Genossenschaft, sondern als GmbH oder als Aktiengesellschaft organisiert. Und folgt damit ganz anderen Entscheidungs- und Einflussstrukturen.

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Die 20 größten

Aber von vorne: Addendum hat eine Liste aller gemeinnützigen Wohnbauträger in Österreich zusammengestellt – auf Basis der Liste der Organisationen, die (Pflicht-)Mitglied im Verband gemeinnütziger Bauvereinigungen sind und mit Informationen aus dem Firmenbuch. Wir haben sie nach den öffentlich zugänglichen Daten – wie viele Mitglieder sie haben (im Fall jener, die als Genossenschaften organisiert sind) oder wie viele eigene Wohneinheiten sie verwalten (bei gemeinnützigen AGs und GmbHs) – sortiert. Auf dieser Basis ergibt sich folgende Liste der 20 größten gemeinnützigen Wohnbauträger:

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In der gesamten Liste finden sich rund 150 „Gemeinnützige“, die zusammen über knapp unter einer Million Mitglieder bzw. Wohneinheiten verfügen. Die genannten 20 kommen zusammen auf etwa die Hälfte davon.

Wenn man sie der Größe nach durcharbeitet, zeigt sich recht deutlich, dass die gemeinnützige Wohnbauwirtschaft ein guter Boden für Expolitiker und Parteifreunde ist. Eine unvollständige Liste der Spitzenmanager der in der Tabelle genannten Wohnbau-Titanen umfasst etwa:

  • Ex-Kanzleramtsminister Josef Ostermayer, Geschäftsführer der Sozialbau
  • Franz Hiesl, Ex-Vizelandeshauptmann von Oberösterreich, im Vorstand der OÖ Wohnbau Privatstiftung
  • Den ehemaligen Landeshauptmann des Burgenlands, Johann Sipötz, Obmann der „ersten burgenländischen“
  • Herbert Fichta, dereinst Aufsichtsratsvorsitzender der Hypo des Landes Niederösterreich
  • Wilhelm Haberzettl, einst Vorsitzender der Eisenbahngewerkschaft und Nationalratsabgeordneter
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Das sind – neben vielen (Vize-)Bürgermeistern und Gemeinderäten, Büroleitern und Altlandesräten – nur die offensichtlichsten Personen mit klarer Zuordnung, die bei den Gemeinnützigen Führungspositionen bekleiden. Andere kann man nicht so eindeutig zuordnen – ein öffentliches Verzeichnis an Parteimitgliedschaften und -freundschaften gibt es ja nicht. Aber wie sehr die alte, großkoalitionäre Struktur in den gemeinnützigen Wohnbaugesellschaften bis heute durchschlägt, zeigt sich daran, dass es quasi „Freundeskreise“ gibt: Die ÖVP-nahen Funktionäre im gemeinnützigen Wohnbau versammeln sich ganz offen in der „Arge Eigenheim“, die SPÖ-nahen im „Verein für Wohnbauförderung“.

Noch keine allzu relevante Größe sind in dieser Aufstellung andere Parteien. Auch wenn es eine Genossenschaft mit klar blauer Note gibt: In der Wohnungsgenossenschaft „Akademikerhilfe“, die sich eine Adresse mit der Burschenschaft „Gothia“ teilt, war bis vor kurzem Alexander Höferl Vorstand, anderweitig bekannt als vormaliger Chefredakteur von „unzensuriert.at“ und nun als Kommunikationsreferent im Innenministerium.

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Von 3,5 Prozent wird man nicht satt

Wie man diese offensichtliche Parteipräsenz deutet, dafür gibt es verschiedene Ansätze: Die negative Perspektive ist, dass sich die Parteien in den Nachkriegsjahren – und auch mit Einführung der Wohnbauförderung unter Julius Raab – das Land aufgeteilt haben; Förderungs- und Wohnungsvergabe inklusive. Wer Einfluss darauf hat, wer nicht allzu teure Wohnungen bekommt – und, bei den hunderttausenden, um die es geht, auch kein geringer Faktor, auf den Bau derselben –, kann Dankbarkeits- und Abhängigkeitsstrukturen erhalten. Dazu kommt, dass gut entlohnte Managementjobs in dem Sektor auch treuen Parteigängern zugute kommen können.

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Wie treffsicher ist der soziale Wohnbau?

Die soziale Treffsicherheit ist bei Genossenschaftswohnungen und gemeinnützigen Bauträgern weniger gut als z.B. im Gemeindebau. Im Mittel haben die Bewohner im Genossenschaftsbau ein höheres Haushaltseinkommen als die Mieter in privat vermieteten Wohnungen.

Die andere, positivere Erzählung: Wer, wenn nicht Parteien, sollten denn historisch und in der Gegenwart ein Interesse gehabt haben, gemeinnützigen Wohnbau zu betreiben, der nicht allzu viel Geld einbringt? Wer in den Genuss der institutionellen Wohnbauförderung kommen will, muss die Bestimmungen des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes erfüllen, wo es unter anderem heißt:

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§ 10 (1) Vom Jahresüberschuss nach Berücksichtigung der Gewinnrücklagenveränderung gemäß Abs. 6 darf insgesamt nur ein Betrag ausgeschüttet werden, der, bezogen auf die Summe der eingezahlten Genossenschaftsanteile (Stammkapital, Grundkapital), den im betroffenen Geschäftsjahr zulässigen Zinssatz gemäß § 14 Abs. 1 Z 3 nicht übersteigt (verteilbarer Gewinn). Überdies dürfen die Mitglieder (Genossenschafter, Gesellschafter) vermögensrechtliche Vorteile nur in dem Umfang erhalten, als diese als angemessene Gegenleistung für eine besondere von ihnen erbrachte geldwerte Leistung anzusehen sind.

§ 14 (1) 3. die angemessene Verzinsung der Eigenmittel, wobei im Falle der Errichtung von Wohnungen, Eigenheimen, Heimen und Geschäftsräumen die Zinsen grundsätzlich 3,5 vH nicht übersteigen dürfen; dieser Hundertsatz erhöht sich in dem Ausmaß, in dem der um einen Prozentpunkt verminderte Periodenschnitt der Sekundärmarktrendite aller Bundesanleihen des jeweiligen vorangegangenen Kalenderjahres diesen Hundertsatz übersteigt, beträgt jedoch höchstens 5 vH;

Das heißt, dass die Eigentümer eines gemeinnützigen Wohnbauträgers in aller Regel nicht mehr als 3,5 Prozent von ihrer Einlage als Gewinn ausgezahlt bekommen. Das ist nicht viel, weil eben nur das eingezahlte Kapital verzinst wird, nicht der tatsächliche Marktwert des Unternehmens.  Zur Illustration: Der größte Gemeinnützige des Landes, die Sozialbau AG, verzeichnet ein Kapital von 213 Millionen Euro – 3,5 Prozent davon sind sind 7,5 Millionen Euro im Jahr, die die AG ihren Eigentümern (darunter mehrheitlich die Vienna Insurance Group, der SPÖ-nahe Verein Wiener Arbeiterheime und mit einer 0,09-Prozentbeteiligung die SPÖ selbst) ausschütten könnte.

Wenn man bedenkt, dass die Sozialbau mehr als 50.000 Wohnungen in und um Wien verwaltet, ist das praktisch nichts. Aber das ist eben der Sinn gemeinnütziger Gesellschaften: Die sollen ihre Einnahmen in Neubauten investieren, statt ihren Eigentümern fette Renditen zu spendieren.

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Bremsklotz Gewinnbremse?

Was im Sinne der Gemeinnützigkeit sinnvoll klingt, kann aber auch als Bremse wirken: Private dazu zu bringen, in den institutionellen, geförderten Wohnbau zu investieren, ist unter diesen Vorgaben schwierig, in der Regel gibt es weit ertragreichere Investitionsformen. Vor diesem Hintergrund hat sich die SPÖ vor der Nationalratswahl der Idee verschrieben, die Bestimmungen des WGG zu lockern: Im „Plan A“; dem roten Vorwahlprogramm hieß es etwa:

„Durch entsprechende Anpassungen und die Schaffung zusätzlicher Anreize könnte die langfristige Investition in gemeinnützige Wohnbauträger für institutionelle Anleger (wie Versicherungen) deutlich interessanter werden. ExpertInnen gehen von einem Potential von ca. zwei Milliarden Euro pro Jahr bis 2020 aus, was jährlich etwa 10.000 zusätzlichen Wohnungen entspricht.“

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Das kuriose Verschwinden der Versicherungen aus dem „Plan A“

Es gab bekanntlich zwei Iterationen des „Plan A“: Eine zu Jahreswechsel 2016/17, mit der Christian Kern der rot-schwarzen Regierung noch einmal Schwung geben wollte – und eine im Sommer 2017, die als Wahlprogramm fungieren sollte. Das Kapitel zum gemeinnützigen Wohnbau ist in diesen Versionen weitgehend identisch. Mit einer Ausnahme.

Hier ist die Stelle im originalen „Plan A“, präsentiert am 11. Jänner 2017. Achten Sie auf den Teil „1.“:

Und hier ist dieselbe Stelle aus dem Sommer-Plan A:

Wir sehen: Abgesehen von der geänderten Formatierung sind aus „institutionelle Anleger (wie Versicherungen)“ binnen ein paar Monaten „institutionelle AnlegerInnen“ (ohne Klammer) geworden. Das kann natürlich dem gestiegenen Gender-Bewusstsein geschuldet sein.

Oder aber, man wollte den Fokus nicht ganz so offensichtlich auf eine Versicherung lenken, die der SPÖ wenige Jahre zuvor die Sozialbau AG abgenommen hatte – immerhin der größte Gemeinnützige Österreichs –, die inzwischen den ehemaligen Kanzleramtsminister dort als Chef installiert hat und für die Exkanzler Faymann Lobbying betrieben hatte.

Was das genau heißen könnte, stand dann im Update zum Regierungsprogramm Kern/Mitterlehner von Ende Jänner des Vorjahres:

Um institutionellen Anlegern Investitionen in Anteile gemeinnütziger Wohnbauträger zu erlauben, soll der künftige Verkaufspreis dieser Anteile über dem Kaufpreis liegen können, ohne dass es zu höheren Gewinnausschüttungen der Wohnbauträger kommen muss.

Sprich: Wer Anteile an einem Wohnbauträger kauft, soll zwar keine höheren Ausschüttungen bekommen, aber später mit Gewinn weiterverkaufen können. Was es, um bei dem Beispiel zu bleiben, der Vienna Insurance Group erlauben würde, aus der Übernahme der Sozialbau vom Verband Wiener Arbeiterheime Anfang des Jahrzehnts deutlich mit Gewinn auszusteigen. Umgesetzt wurde diese Änderung, wie viele aus dem Zwischen-Regierungsprogramm, nicht mehr.

Demgegenüber hieß es im Wahlprogramm der ÖVP, dass nur Details der Verrechnung der Gemeinnützigen, etwa bei der Abschreibung von Bauten, geändert werden sollten.

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Ergänzend zu diesen Maßnahmen auf der Nachfrage-Seite des sozialen Wohnbaus braucht es auch Maßnahmen auf der Angebots-Seite des Wohnbaus. Damit die angespannte Lage am Immobilienmarkt entschärft wird, braucht es mehr Neubau. Um Anreize für Neubauten zu schaffen, müssen vor allem die Vorschriften bei sozialem Wohnbau überarbeitet werden. Diese sind oft unverhältnismäßig und treiben die Kosten unnötig in die Höhe. Außerdem sollte eine degressive Abschreibung im Wohnbau steuerlich anerkannt werden, um einen stärkeren Anreiz beim privaten Wohnbau zu setzen. Derzeit werden die Kosten für die Errichtung eines Gebäudes über 66,7 Jahre gleichmäßig abgeschrieben (1,5% pro Jahr). Um den Wohnbau anzukurbeln, schlagen wir vor, für Wohnbauten eine wertverlustgerechte Abschreibung in einer degressiven Ausgestaltung zu machen.

Mehr Licht!

Es kam die Wahl und die FPÖ in die Regierung, die die SPÖ-Ideen rundheraus abgelehnt hatte. Und im aktuellen Regierungsprogramm findet sich nun so ziemlich das Gegenteil davon:

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Nicht nur, dass weder die Gewinnentnahme ausgeweitet noch die Anteile wertgesteigert verkauft werden können – es sollen im Gegenteil die Eigentumsverhältnisse an den Gemeinnützigen noch transparenter werden.

Man darf gespannt sein, was dabei zutage treten wird. Wenn es jemals so weit kommt. 

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