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Studentenheime haben die höchsten Quadratmeterpreise
27. April 2018 Wohnen Lesezeit 8 min
Viele junge Menschen könnten sich ohne Studentenheime das Studieren kaum leisten. Wirklich günstig sind aber bei weitem nicht alle – trotz Gemeinnützigkeit der Betreiber und Förderungen durch die öffentliche Hand.
Dieser Artikel gehört zum Projekt Wohnen und ist Teil 6 einer 8-teiligen Recherche.
Bild: Addendum

Wer in der Canisiusgasse im 9. Wiener Gemeindebezirk eine frisch renovierte Altbauwohnung der Kategorie A mit allen Annehmlichkeiten mieten wollte, dürfte nach dem Mietrechtsgesetz höchstens 10,3 Euro brutto pro Quadratmeter bezahlen. Der Quadratmeterpreis für ein Einzelzimmer in einem Studentenheim gleicher Größe und Lage beläuft sich ab Herbst 2018 hingegen auf 45,3 Euro brutto.

Wie kommt dieser mehr als vierfach höhere Preis zustande? Im Studentenheim genießt man Annehmlichkeiten, die man in einer Wohnung nicht hat: Die Betriebskosten sind im Nutzungsentgelt inbegriffen. Man muss sich weder um den Internetanschluss noch um die Energiekosten sorgen. Die Zimmer sind möbliert, manchmal sogar mit Fernsehern ausgestattet, und werden regelmäßig grundgereinigt.

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Es gibt aber auch Nachteile: Im 9-Quadratmeter-Zimmer in der Canisiusgasse teilt man sich Vorraum, Küchenzeile und Bad mit dem Nachbarn. Das wäre auch in einer WG der Fall. Und: Der Preis für ein Zimmer im Studentenheimen ist oft gleich hoch wie der für ein WG-Zimmer, Letzteres ist aber meist größer.

Im 9. Wiener Gemeindebezirk kostet ein WG-Zimmer beispielsweise nur 22,5 Euro, ein weiteres 20,5 Euro pro Quadratmeter allein genutzter Fläche, ein anderes ist gar für 17,7 Euro zu haben, und zwar inklusive Betriebskosten. Das Studentenheim in der Canisiusgasse bietet zwar auch noch gratis Internet, ein Fitnessstudio und eine Kapelle, ist pro Quadratmeter alleiniger Wohnfläche aber zweieinhalbmal so teuer.

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Kein Mietrecht

Studentenheime unterliegen im Allgemeinen nicht dem normalen Mietrecht für Alt- oder Neubauten. Für sie gilt das Studentenheimgesetz. Das bedeutet für die Bewohner Einschränkungen, die bei einem Mietverhältnis undenkbar wären: Kautionen werden zum Teil nicht verzinst und mit Reinigungsgebühren gegengerechnet. Die Heimverwaltung hat Zugang zu den Zimmern, meist dürfen keine externen Personen übernachten, und der Betrieb mancher elektrischer Geräte kann durch die Heimordnung untersagt werden.

Nebenbei fallen je nach Heimbetreiber neben dem eigentlichen Nutzungsentgelt allerlei Zusatzkosten wie Heimvertretungsbeiträge oder Reinigungsgebühren bei Ein- oder Auszug an. Ein Student, der zum Beispiel nach Vertragsablauf sein Heim in der Canisiusgasse zu spät räumt, zahlt 70 Euro Pönale – pro Nacht.

Die Akademikerhilfe verrechnet zusätzlich eine Bearbeitungsgebühr von 20 Euro für die Bewerbung auf einen Heimplatz. Erhält man den Platz tatsächlich, wird eine weitere Gebühr von 30 Euro fällig. Die STUWO verrechnet eine einmalige Gebühr von 90 Euro, mit der Bearbeitungskosten und Endreinigung abgegolten sind, wie Vorstand Walter Tancsits gegenüber Addendum angibt. Kosten für die bloße Anmeldung ohne Zusage eines Heimplatzes seien „bei uns nicht üblich“.

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Kritik der Hochschülerschaft

Die ÖH berichtet gegenüber Addendum, dass einige Vermieter versuchen, von den Vorteilen des Studentenheimgesetzes zu profitieren und so den strengeren Regeln des Mietrechtsgesetzes (MRG) zu entgehen. Wohnungen werden zum Schein als Heimzimmer vermietet, obwohl keine gemeinsame Wirtschaftsführung besteht. „Beispielsweise haben einige Studierende mit Unterstützung der ÖH erfolgreich eine Klage auf Anwendbarkeit des MRG gegen ein Scheinstudierendenheim im 7. Wiener Gemeindebezirk eingebracht.“ Ähnliche Verfahren seien derzeit in Vorbereitung.

Tatsächlich hat der Oberste Gerichtshof bei der Beurteilung der Frage, ob es sich bei einem Vertrag um einen Benützungsvertrag für ein Heimzimmer oder einen Mietvertrag für eine Wohnung handelt, bisher strenge Maßstäbe angelegt: „Um von einem Heim sprechen zu können, müssen besondere Gemeinschaftseinrichtungen vorhanden sein, die geeignet sind, den gemeinsamen Bedarf der Bewohner zu decken.“ Die Ausnahmeregelung für Studentenheime müssten eng ausgelegt werden, „um einen allfälligen Missbrauch hintanzuhalten“.

Einige Betreiber versuchten außerdem, sich sowohl dem Studentenheim- als auch dem Mietrechtsgesetz zu entziehen. „Diese bieten hochpreisige Studierendenheime an und nutzen die […] Rechtslücke zwischen MRG und StudHG erfolgreich aus, was dazu führt, dass auf solche Bestandverhältnisse weder die Regelungen des MRG noch jene des StudHG anwendbar sind.“ Man mache seit längerem politischen Druck, um diese Vorgehensweise durch Gesetzesänderungen zu beenden. Eine Novelle des Studentenheimgesetzes ist auch Teil des aktuellen Regierungsprogramms.

Die Hochschülerschaft beklagt weitere Missstände. So gebe es zum Teil unangekündigte Zimmerbesuche durch die Hausverwaltung, die Kosten für Feueralarme würden oft ohne plausiblen Grund auf die Heimbewohner übergewälzt. Die Praxis, Kautionen „für vermeintliche Schäden oder Verschmutzungen einzubehalten, ist generell weit verbreitet“.

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Österreich im Kleinen

Wie viele andere Organisationen fallen auch etliche Heimträger unter die österreichische Reichsteilung in Rot und Schwarz. Die Wirtschaftshilfe der Arbeiter_innen Studierenden Österreichs (Wihast) verfügt über 13 Heime und ist fest in sozialdemokratischer Hand. Geschäftsführer ist mit Martin Strobel ein SPÖ-Bezirksrat aus Brigittenau. Dem privaten Verein wurde 2012 von der Stadt Wien die Vergabe und Verwaltung von Studenten-WGs in Gemeindebauten übertragen.

Auf der anderen Seite stehen Heimbetreiber wie die kirchennahe Akademikerhilfe. Sie ist wie die Wihast als gemeinnütziger Verein organisiert, politisch aber anders ausgerichtet. Im Vereinsvorstand sitzen sechs Mitglieder von ÖCV-Verbindungen und eine Frau.

Wer sich bei der Akademikerhilfe um einen der rund 4.000 Heimplätze in 27 Heimen bewirbt, wird aufgefordert, sein Religionsbekenntnis anzugeben. Der Verein verlangt außerdem Angaben über Namen und Berufe der Eltern.

Wie die Akademikerhilfe und anders als die Wihast will auch der Betreiber STUWO bei der Anmeldung über die Situation der Eltern der Heimbewohner informiert werden. Angaben zu deren Gehalt sind freiwillig.

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Ausgefördert

In Wien allein gibt es über 100 Studentenheime. Zählt man die Heimplätze zusammen, über die Angaben gemacht werden, kommt man auf etwa 15.000. Die tatsächliche Zahl dürfte nochmals um einiges höher sein. Eine zentrale Zählung der Heimplätze oder Meldung von Heimen gibt es nicht. Der Rechnungshof zählte 2008 österreichweit rund 32.200 Heimplätze. Aktuell sind es, wie der Standard kürzlich berichtete, etwa 40.000. Die Steigerung dürfte auf die intensive Bautätigkeit der letzten Jahre zurückzuführen sein.

Die Liste der Betreiber reicht vom ÖGB bis hin zu kirchlichen Einrichtungen. Ursprünglich gab es dafür Förderungen vom Wissenschaftsministerium. Als der Rechnungshof 2008 die Förderung von Studentenheimen überprüfte, hatte das Ressort 20 Jahre lang keine Bedarfserhebung durchgeführt. Auch sonst war das Förderwesen im damaligen BMWFW unübersichtlich. Es gab weder einheitliche Antragsformulare noch eine geordnete Aktenablage.

„Den Budgetanträgen der Fachabteilung fehlten teilweise Unterlagen, aus denen die beantragten Mittel hätten schlüssig abgeleitet werden können.“

Bald darauf wurde die Bundesförderung eingestellt. Weiterhin gefördert wird aber vonseiten der Bundesländer und Gemeinden, teils über die Wohnbauförderung, teils auch über direkte Geldzuweisungen.

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Wer zahlt, schafft an

Einige Länder kaufen sich Einweisungsrechte in Studentenheime. Diese werden aber unterschiedlich gehandhabt, so Walter Tancsits von der STUWO: Einige Länder förderten pauschal Plätze und erhielten am Ende des Studienjahres Listen mit den dort wohnenden Studenten, die ihren Hauptwohnsitz im jeweiligen Bundesland haben. Andere Länder wiederum schickten bereits fertige Listen mit den von ihnen ausgesuchten Bewerbern.

Je nach Heimträger kann auch anderen Organisationen ein Vorschlagsrecht zukommen, wenn diese beispielsweise ein Grundstück oder ein Baurecht zur Verfügung gestellt haben.

Welche Träger gefördert werden und wie hoch die Förderungen insgesamt sind, lässt sich mangels Transparenzdatenbank nicht sagen. Der Bund gab 2009 noch mehr als 12 Millionen Euro für Studentenheime aus, die Länder Steiermark und Oberösterreich gemeinsam 16,8 Millionen.

Für die STUWO seien die Förderungen kaum substanziell, so Tancsits, sie senkten allerdings die Heimbeiträge der Bewohner. Die Wihast wiederum gibt an, 2017 insgesamt nur 5.000 Euro an Förderungen von Gebietskörperschaften erhalten zu haben. Man sei dennoch dankbar für die Unterstützung, insbesondere der Gemeinden, „weil es den meisten finanziell auch nicht so rosig geht“.

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Gemeinnützigkeit mit Gewinn

Die Studentenheimbetreiber sitzen auf beträchtlichem Immobilienvermögen, oft in bester Lage. Die Akademikerhilfe verfügt mit mehreren Heimen in der Pfeilgasse über ein großes Areal mitten im 8. Wiener Gemeindebezirk. Die STUWO verfügt über ein formales Anlagevermögen von mehr als 80 Millionen Euro. Der tatsächliche Wert der Immobilien dürfte weit darüber liegen.

Die Heimträger gelten, unabhängig davon, ob sie als Verein, Genossenschaft, GmbH oder AG organisiert sind, als gemeinnützig. Aber nur die letzten drei fallen unter das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz und dürfen an ihre Eigentümer 3,5 Prozent jährliche Rendite ausbezahlen. Das trifft beispielsweise auf die STUWO zu.

Wie hoch der Umsatz ist, will man bei der Wihast nicht sagen. „Wir machen keine Gewinne, etwaige Überschüsse werden für Reparaturen und Anschaffungen verbraucht.“ Die Häuser des Vereins haben im Schnitt eine ältere Ausstattung und Substanz als jene von STUWO und Akademikerhilfe, die Heimplätze sind aber auch wesentlich günstiger. In Wien ist ein Wihast-Platz ab 235 Euro im Monat zu haben, bei der STUWO sind es 283 Euro.

Bei der Wihast bleibt dafür entsprechend nichts für Neubauten übrig. „Wir haben in den letzten Jahren auch kein neues Haus gebaut, weil uns die finanziellen Mittel dazu fehlen.“ Die STUWO hingegen eröffnet im September ein neues Heim in der Seestadt Aspern und eins in Innsbruck. Im Oktober folgt ein weiteres in der Triester Straße.

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Nebenerwerb Hotellerie

Auch wenn die gemeinnützigen Heimbetreiber grundsätzlich nicht gewinnorientiert arbeiten dürfen, erlaubt ihnen das Studentenheimgesetz als gewinnbringende Nebentätigkeit den Hotelbetrieb. In einigen Heimen müssen die Bewohner ihre Zimmer über die Ferienzeit räumen. Die Zimmer werden dann an Hotelgäste vermietet.

Die 1922 gegründete Akademikerhilfe verfügt beispielsweise über eine eigene HotelbetriebsGmbH. Die Erträge aus dem Hotelbetrieb müssen allerdings für die Deckung der Heimkosten verwendet werden und subventionieren so die Heimplätze.

Ohne eigene Hotelgesellschaft müsste der Heimbetreiber das gesamte im Heim eingesetzte Personal nach dem Kollektivvertrag für Hotel- und Gastgewerbe bezahlen. Die Akademikerhilfe beschäftigt etwa 90 Personen, sieben sind in der Hotellerie beschäftigt.

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Nicht nur günstige Alternative

Studentenheime sind längst nicht mehr nur billige Alternativen für jene, die sich keine WG leisten können. In den vergangenen Jahren haben sich die Heimkosten stärker erhöht als der Verbraucherpreisindex.

Laut ÖH habe sich zwar die Nachfrage nach Studentenheimen in den letzten Jahren „vielfach differenziert“, und auch das Angebot sei breiter geworden, allerdings sieht man vor allem in Wien ein soziales Problem in den vielen hochpreisigen Heimplätzen.

Tatsächlich übersteigen die Angebote der gemeinnützigen Heimträger zum Teil sogar die Kosten ganzer Wohnungen. Am neuen Campus im 2. Bezirk bietet die Akademikerhilfe „Single Studios XXL“ mit 36 bis 40 m2 und Balkon für 798 Euro im Monat an. Im Gegensatz zu günstigeren Zimmern wird der Verein den Preis im Herbst dafür nicht weiter erhöhen. 

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